Ensemblekonzert

25. September 2001, Kasseler Sparkasse, Kassel

26. September 2001, Altonaer Museum, Hamburg

In Kassel und Hamburg fand je ein Ensemblekonzert "Tradition und Moderne aus Japan" statt. Das Ensemblekonzert hatte Kammermusik-Charakter, mit üblicher Konzertdauer. Der erste Teil bis zur Pause enthielt traditionelle japanische Musik, der zweite Teil nach der Pause zeitgenössische japanische Musik (traditionelle japanische Instrumente mit Computer-Musik).

Die Ensemblekonzerte waren nicht Teil, aber Ableger des internationalen Workshops "Human Supervision and Control in Engineering and Music".

Das Ensemblekonzert in Hamburg wurde in Zusammenarbeit mit dem Hamburger Konservatorium (Prof. Eberhard Schmitz) veranstaltet.

Es spielten die Musiker:

  • Genzan Miyoshi Shakuhachi
  • Akiko Miyoshi Koto
  • Tamani Tano Sho
  • Yoichi Nagashima Computer

Tradition und Moderne aus Japan

"Hirajyo no Choshi" (Sho Solo) - Traditionelles Gagaku
"Choshi" ist ein Stück, das für alle Tonarten von Gaguku (Hofmusik in Japan seit dem 7. Jahrhundert) existiert und gewöhnlich zu Beginn einer Aufführung gespielt wird. „Hyojyo“ ist die Tonart, die der dorischen Gattung auf E (e f# g a b c# d ) entspricht. Gemäß der alten Kosmologie wird „Hyojyo“ mit der Richtung Westen, der Farbe Weiß, dem Element Metall und der Jahreszeit Herbst assoziiert. "Choshi" leitet die Besonderheit der tonalen Stimme der Atmosphäre des gesamten Raums ein.
Das Sho ist ein Blasinstrument des "Gagaku"-Orchesters. Die Form des Sho entspricht dem Bild eines Phönix und der Ton symbolisiert das Licht des Himmels. Die speziellen Merkmale dieses Instrumentes sind der Klangcharakter und das Klangerzeugungssystem. Das "Sho" bringt einen sehr vollen Klang hervor, die höchste Frequenz liegt über 60 kHz. Es ergibt sich ein faszinierender Klangcharakter mit komplexen Obertönen. Zudem ertönt das "Sho" sowohl beim Einatmen als auch beim Ausatmen. Es gibt die physische Information zur Musik. (Tono und Nagashima näherten sich diesem einzigartigen System mittels Multimedia Performance).

"Tsuru no Sugomori" (Shakuhachi Solo) – ca. 1500
Dieses Stück wurde vor über 500 Jahren komponiert, der Name des Komponisten ist nicht bekannt. Es gibt viele verschiedene Aufführungen in Japan. Es wurdedie Version von "Nakao Tozan" aufgeführt. Die Musik thematisiert das Leben eines Kranichs (Tsuru im Japanischen), von der Geburt über das Aufwachsen und die Trennung von den Eltern bis zum Tod der Eltern des Kranichs. Die Geschichte ist eine Metapher für das Leben des Menschen, die elterliche Liebe und die Liebe der Familie. Das Shakuhachi, eine Bambusflöte, wurde von China nach Japan vor über 1400 Jahren eingeführt. Es heisst, dass Shotokutaishi das Instrument zum ersten Mal spielte. Der besondere Klang des Shakuhachi, der mit fünf Grifflöchern erzeugt wird, verführt auch die Menschen außerhalb Japans. Es ist ein wundervolles Musikinstrument, das uns die Japanische Kultur näherbringt.

"Midare" (Koto Solo) – ca. 1650
Das Stück wurde von Yatsuhashi Kengyo komponiert und verwendet die klassische Stimmung "Hira-choshi". "Midare" gehört zur Gruppe der "Shirebe-mono"(Dan-mono), die 52 Zählzeiten pro Block haben. Es existieren viele Dan-mono-Stücke mit sechs, acht, neun Blöcken etc. "Midare" jedoch bricht diese Regel, in dem sich durch die Improvisation der Musikerin freie Zählzeiten ergeben.
Während der Nara-Ära (8. Jahrhundert) wurde das Koto, eine Zither, als eines von mehreren im Gagaku verwendeten Instrumenten von China nach Japan gebracht. Yatsuhashi Kengyo (Meister) führte in der Edo-Ära die bis heute grundlegenden Rokudan und Midare Stile des Koto-Spielens ein. In dem Jahr als Yatsuhashi starb, wurden Bach und Händel geboren.

"Ichikotsu" (Shakuhachi und Koto) - Traditionell
Dieses Stück wurde von Yamamoto Houzan für ein Duo mit Shakuhachi und Koto 1966 komponiert. Aufgeteilt ist es in drei Abschnitte, und die gesamte Stimmung basiert auf D (Ichi-Kotsu). Es ist zwar ein Duo-Stück, aber die Koto-Stimme kann auch als Koto-Solo-Stück aufgeführt werden. Es gibt viele traditionelle Aufführungstechniken, wie Sukui-Tsume, Kakite im Koto-Teil. Abschnitt 1 (Adagio - Moderato) beginnt mit einem Koto-Solo, danach folgt eine freie Metamorphose. Abschnitt 2 (Largo - Adagio) beginnt mit einem Shakuhachi Solo unter Verwendung einer diatonischen Tonleiter und dann folgt der Hauptteil des Stücks. Dies ist entgegen der japanischen Tradition, der Charakter der Instrumente hingegen ermöglicht die Besonderheit. In Abschnitt 3 (Moderato - Allegro) findet sich das gleiche Motiv wieder wie im ersten Abschnitt.

"Bio-Cosmic Storm II" (Bio-Sensor and Live Computer) - Premiere
Dieses Stück wurde vom Komponisten Yoichi Nagashima selbst mit einem von ihm neu entwickelten Bio-Sensor-System aufgeführt. Das Sensor-System, "Mini-BioMuse-III" genannt, ist ein 16-Kanal-EMG-Sensor für beide Arme, der die Musikaufführung in Echtzeit erfassen kann. Die Ausgangsinformation wird live verarbeitet und erzeugt Klänge mit MAX/MSP- und Klima-Signalverarbeitungsanlagen. Das Hauptthema dieses Stückes und dessen Entwicklung ist die Improvisation und die Realität des Lebens (live). Der graphische Bestandteil dieses Stückes hilft den Zusammenhang zwischen Aufführung und Klang zu erkennen. So gesehen, ist dies eine Art von Multimedia-Kunst.

"Visional Legend" (Sho, Graphik und Live Computer)
"Visional Legend" ist ein Werk der Live Computer Musik und Live Graphik mit einem Sho Künstler. Diese Komposition von Yoichi Nagashima wurde inspiriert durch ein Gedicht von Shimpei Kusano und den Sho Klängen, die Tamani Tono spielt. Die Sho Klänge wurden direkt verstärkt und in Echtzeit durch eine Kyma-Signalverarbeitungsanlage mit Live-Steuerung über MIDI verarbeitet. Die Sho Künstlerin kann den "speziellen Atem – Sensor für Sho" kontrollieren, der vom Komponisten entwickelt wurde. Andererseits modifiziert die Sensor-Information auch den Live Sho-Klang.
Der Teil des Hintergrundklangs des Stückes wurde vorverarbeitet mit Kyma und Indy Rechnern und auf CD fixiert. Alle Klangmaterialien dieses Teils bestehen aus Sho Klang von Tamani Tono und der vortragenden Stimme aus dem Gedicht von Junya Sasaki (Bariton). Der graphische Teil dieses Stückes ist von zwei jungen Mitarbeiterinnen, Masumi Ooyama und Misaki Kato geschaffen worden. Die Bilder und Filme wurden live gesteuert durch eine Image/ine Software. Die Sho Künstlerin kann die Graphik mit Hilfe des speziellen Sho-Sensors umschalten. Der Algorithmus der Echtzeit-Komposition und der graphischen Steuerung wurde durch ein MAX Klangprogramm (Patch) realisiert. Die Sho Aufführung ist in dieser Partitur geschrieben, aber die wichtigste Vorgehensweise ist "Improvisation". Die Künstlerin kann sich zwar einer Stoppuhr bedienen, um die Position eines Teilstücks mit dieser Partitur zu ermitteln, aber die Zeitpunkte, wann ein Teilstück gespielt wird, sind nicht exakt festgelegt. Die Künstlerin kann mit ihrer eigenen Improvisationseingebung spielen und sie muss den Klang in der ganzen Aufführung hören.

"Getsuro" (Shakuhachi Solo) - Premiere
Dieses Stück für Shakuhachi Solo wurde durch den Komponisten Genzan Miyoshi als Weltpremiere aufgeführt. Die Musik vermittelt ein ruhiges Empfinden von Kyoto im Herbst und wurde teilweise durch Improvisationen des Künstlers dargeboten.

"Tegoto" (Koto and Live Computer) - Premiere
"Tegoto" wurde von Yoichi Nagashima für Akiko Miyoshi komponiert und wurde von ihr mit dem 13- und den 17-saitigen Koto aufgeführt. "Tegoto" wurde erstmals in seiner überarbeiteten Form mit dem 13-saitigen Koto aufgeführt. Es wurden keine aufgezeichneten Klänge eingespielt. Einige Klänge wurden vom Komponisten neben der Bühne live abgetastet, algorithmisch verarbeitet und mit Effekten versehen. Der Titel "tegoto" steht für einen Stil traditioneller japanischer Musik mit den Instrumenten Koto, Shamisen und Shakuhachi. Das Konzept dieses Stückes ist die virtuelle "tegoto" Kommunikation in der Computer Musik mit dem traditionellen Instrument. Auf Anforderung des Komponisten kann die Künstlerin mit vollständiger Improvisation spielen.

"Japanesque Germanium" (alle vier Musiker) - Premiere
Dieses Stück wurde von Yoichi Nagashima speziell für die Deutschland-Tournee des Ensembles komponiert. Es gibt einige besondere Szenen für die Shakuhachi-, Sho- und Koto-Spieler. Der Computerteil wurde nicht festgelegt, statt dessen wurde er in Echtzeit über die von den Sensoren erfassten Umgebungsparameter komponiert. Germanium ist ein Halbleiter für die Elektronik-Technologie. Natürlich soll diese Namensgebung die Freundschaft zwischen der japanischen und der deutschen Kultur in der Musik bedeuten.