Smart Materials

Hochspannungstechnische Materialcharakterisierung

In konventionellen Isolationssystemen kann es durch Inhomogenitäten im Isolationsmaterial (z.B. Lufteinschlüsse, leitfähige Partikel) oder durch die Form bzw. Oberflächenqualität von angrenzenden Elektroden zu erhöhten elektrischen Feldstärken kommen. Als Folge kann es zum erreichen / überschreiten der Teilentladungseinsetzfeldstärke kommen. Die dann auftretenden Teilentladungen und die resultierende Degradation können zum Versagen des gesamten Isolationssystems führen. Nach aktuellen Designrichtlinien werden Isolationssysteme so ausgelegt, dass die oben beschriebenen Ursachen für erhöhte elektrische Feldstärke unter allen Umständen vermieden werden. Diese Lösungen sind meist hochkomplex und dementsprechend kostenintensiv. Folglich ist die Entwicklung von fehlerresistenten Produkten ein allgemein angestrebtes Ziel.

Smart Materials

Ein neuer Ansatz zur Lösung der oben beschriebenen Problematik sind innovative Materialien, die hohe elektrische Feldstärken abbauen, indem sie ihre Materialeigenschaften an die auftretende Belastung anpassen. In diesem Bereich hat sich die CRW Engineering auf Materialien spezialisiert, die überhöhte Feldstärke in lokalen Teilbereichen des Isolationssystems automatisch durch die Reduzierung des Volumenwiderstandes abbauen. Diese sogenannten nichtlinear leitfähigen Materialien (non-linear-conductive materials - NLCM) homogenisieren die elektrische Feldbelastung im Isolierstoff, sodass die resultierenden Isoliersysteme deutlich resistenter gegen diverse Fehlstellen sind. Die Vorteile beim Einsatz dieser innovativen Isolierstoffe sind Isoliersysteme mit geringerer Komplexität, weniger Fertigungsschritten und einfacherer Installation und somit geringeren Gesamtkosten.

Praxisbeispiel Kabelmuffe

Im Folgenden soll das Wirkprinzip eines NLCM anhand eines von der CRW Engineering durchgeführten Forschungsprojektes zum Thema Kabelmuffe für Mittelspannung (12/24 kV) dargestellt werden.

Um das Design der Muffe zu optimieren wurden zunächst diverse Simulationsuntersuchungen mit COMSOL Multiphysics durchgeführt. Das für das genutzte NLCM finale Design ist im nachfolgendem Bild dargestellt. Der Maximalwert der Feldstärke-Skala (in kV/mm) wurde auf den Arbeitspunkt (ab dieser Feldstärke reduziert das Material seinen Volumenwiderstand) gestellt. Somit trägt das Material in den dunkelrot dargestellten Bereichen aktiv zur Feldstärkereduktion bei.

Bild: Tobias Raulf

Elektrische Feldstärkesimulation einer Kabelmuffe mit einem NLCM

In einem zweiten Schritt wurde das Muffendesign in eine reale Anwendung überführt. Hierzu wurde zunächst das Muffengehäuse mittels 3D-Drucker produziert. Im Anschluss wurde das Gehäuse um eine einfache Kabelverbindung gelegt und mit dem NLCM vergossen.

 

3D-Modell und 3D-Druck des Kabelmuffengehäuses (oben) und des fertigen Demonstrators (unten)

Im Anschluss wurde die Mittelspannungskabelmuffe nach bestimmten Abschnitten der Norm DIN VDE 0278-629-1 getestet. Sowohl die Wechselspannungsversuche (u.a. 52 kV – 5 min) als auch die Blitzstoßspannungsversuche (125 kV - 10-mal positiv und negativ) wurden bestanden. Auch erste Versuche mit provozierten Fehlerquellen, bei denen beispielsweise die Abreisschraube am Verbinder belassen wurden, zeigen vielversprechende Ergebnisse. Im nächsten Schritt streben wir mit unseren Partnern ein robustes und thermisch stabiles Gehäuse an, um die notwendigen Alterungsuntersuchungen durchzuführen.

Kooperationspartner in diesem Projekt ist die CRW Engineering (www.crw-engineering.de). Eine Ausgründung aus der Universität Kassel mit dem Schwerpunkt auf elektrische Materialuntersuchungen und Charakterisierungen.