Exkursionsbericht

59 logements, jardins Neppert
Lacaton & Vassal
Moulhouse

La cité des estoils
Renaudi
Givors

Sainte-Marie de la Tourette
Le Corbusier
Éveux


Ein Exkursionbericht zweier Teilnehmerinnen: Yasmin Kirsch u. Anabelle Oeste

 

In der im Süden Frankreichs liegenden Métropole Lyon begann unsere Reise auf den Spuren von Le Corbusier. Die durch das Spiel aus privaten und öffentlichen Bereichen geprägte Altstadt weist auch heute noch Strukturen der damaligen Seidenwebereien auf. Ganz im Sinne der Stadt der kurzen Wege sollte die Industrieware schnellstmöglich durch die Häuserblöcke und gebauten Strukturen, entlang privater Treppenhäuser und Hausflure innerhalb der Stadt transportiert werden können.

Diese versteckten Traboules suchten wir während unserer Südtour durch Lyon auf und durchquerten hierbei kleine sowie große Innenhöfe, kamen an privaten Hauseingängen vorbei, und verloren uns das ein oder andere Mal auf privaten Balkonen. Auf diese Weise gelangten wir schnell von einer zur nächsten Parallelstraße, ohne ganze Häuserblöcke umgehen zu müssen. Während des Stadtspaziergangs passierten wir neben einigen Höhenmetern der stark bewegten Topografie auch die ein oder andere barocke Kirche wie beispielsweise die tausend Jahre alte Église Saint-Nizier. Außerdem betrachteten wir auch zeitgenössische Architektur wie das dekonstruktive Musée des Confluences von Coop Himmelblau. Im gleichnamigen Stadtteil La Confluence diskutierten wir bei unserem selbstorganisierten Picknick zwischen Aperol Spritz und Baguette die Frage nach der Urbanität neugebauter Quartiere wie diesem.

Geleitet von dieser Frage besuchten wir außerhalb von Lyon zahlreiche weitere Projekte zum Thema der modernen Stadt. Neben der im Norden von Lyon liegenden Cité von Tony Garnier und der sternförmig angelegten Cité des Étoiles von Jean Renaudie in Givors verweilten wir länger in der ehemaligen Arbeiter:innenstadt Mulhouse. Speziell für diese Bewohner:innen wurde 1853 der besondere Haustyp Carré Mulhousien entworfen. Dieser zeichnet sich durch seine mittig liegende, kreuzförmige Wand mit den dazwischen gesetzten vier Einfamilienhäusern aus. Durch die im Privatbesitz individuell weiterentwickelten Gebäude ist der ursprüngliche Bautyp kaum wieder zu erkennen. Inspiriert von diesem historischen Bezug entstand die experimentelle Siedlung Cité Manifeste, für deren Idee der Neuerfindung des sozialen Wohnungsbaus bekannte Architekt:innenteams beauftragt wurden. Unter Verwendung kostengünstiger und unüblicher Materialien konnte der Wohnraum bei gleichbleibender Standardmiete vergrößert werden.

Die gesammelten Eindrücke von Ideen des neuartigen Zusammenlebens führten uns letztendlich zu dem Visionär der Moderne: Le Corbusier. Er faszinierte uns auf unserer Reise mit seiner in Firminy gebauten Site Le Corbusier, in der wir eine seiner bekannten Unité d’Habitation erkundschaften konnten. Neben der dort fertiggestellten Kirche Saint-Pierre konnten wir uns auch die auf dem Hügel von Ronchamp stehende Notre Dame du Haut mit ihrer außenliegenden Kapelle nicht entgehen lassen.

Den letzten der drei errichteten Sakralbauten von Le Corbusier konnten wir hautnah miterleben, denn die Mönche des Klosters Saint-Marie de La Tourette ermöglichten uns eine Nacht in den Einzelschlafzellen, die nach Corbusiers Modulor, dem menschlichen Maß, geplant wurden. Während wir schweigend durch die Gänge des aufgeständerten Betonbaus gingen, wurden die Gedanken Le Corbusiers zum Lichteinfall, den gezielten Blickbeziehungen und den unterschiedlichen Proportionen von Räumen erlebbar.

Durch seine designten und durchdachten Bauwerke lehrte uns Le Corbusier harmonische Proportionen mithilfe seines menschlichen Maßstabs. Auch die gewachsene Stadt Lyon zeigte uns durch seine Kleinteiligkeit und Durchwegung neue Möglichkeiten der Nachbar-schaftsvernetzung. Unsere Reise quer durch Südfrankreich ließ uns die moderne Stadt hinterfragen, die Grenze zwischen öffentlichen und privaten Bereichen neu denken und die soziale Stärkung von Quartieren näher betrachten.