SS2019

Seminar

Im Panoptikum der Moderne

Lehrender: Tom Steinert

Das Bauhaus ist in vielerlei Hinsicht ein Paradoxon. Wenngleich seine Vertreter es ablehnten, von einem einheitlichen Stil – oder von Stil überhaupt – zu sprechen, wird es nach 100 Jahren Rezeptionsgeschichte zuallererst mit ›Bauhausstil‹ assoziiert. Es wird damit vorrangig als ästhetisches Phänomen wahrgenommen, obwohl es nicht nur über die Daten seiner Existenz (1919–1933) mit der Umbruchszeit der Weimarer Republik verbunden war. Als einer der führenden Architekten jener ›weißen Moderne‹ gilt der erste Bauhausdirektor Walter Gropius, der nach eigenem Bekunden aber gar nicht zu zeichnen in der Lage war. Während das Bauhaus lange Zeit schlechthin als Inbegriff von Modernität und Fortschritt galt, wird man im Jubiläumsjahr nicht müde zu betonen, daß Frauen bevorzugt in die ungeliebte Webereiwerkstatt abgeschoben worden seien – von wo aus sie gleichwohl revolutionierend wirkten. Offiziell wird das Bauhaus heute als erfolgreichster deutscher Kulturexport des 20. Jahrhunderts gefeiert, wo doch seine Vertreter sich zumeist zur Emigration gezwungen sahen. Nicht nur das Bauhaus selbst, sondern auch seine Rezeption stecken offensichtlich voller Widersprüche. Schaffen wir also ein wenig Struktur. Unser Ausgangspunkt ist die These, daß das Bauhaus keineswegs einen Alleinvertretungsanspruch für die klassische Moderne geltend machen kann. Davon ausgehend, werden wir uns im Seminar auf zwei markante Zeitschnitte konzentrieren: 1918/19 und 1928/29. Im ersten Zeitschnitt, der mit dem Ende des Weltkriegs und der Ausarbeitung der Weimarer Verfassung zusammenfällt, wollen wir das zeitgeschichtliche Umfeld der Bauhausgründung, seine Vorläufer und Parallelen kennenlernen. Hierzu gehören Erscheinungen wie de Stijl (Holland 1917) ebenso wie die Novembergruppe (1918), der Arbeitsrat für Kunst (1918) und die Gläserne Kette (1919). Neben den äußeren Umständen der Bauhausgründung werden wir seine Zielsetzungen und exemplarisch sein vielfältiges Personal betrachten. Im zweiten Zeitschnitt, welcher durch die Gründung des CIAM und die Durchführung von CIAM II in Frankfurt am Main (Ernst May) gekennzeichnet ist, werden wir das Bauhaus als nur einen unter zahlreichen Vertretern moderner Architektur kennenlernen, als deren umfassenderer Begriff der Rationalismus gelten kann, welcher sich ›[a]llen entgegengesetzten Beteuerungen zum Trotz […] zu einem weitgehend einheitlichen Stil‹ entwickelte (Vittorio Magnago Lampugnani). Indem wir unseren Blick in Richtung CIAM, Rationalismus und International Style erweitern, wird es möglich, das Bauhaus in den Kontext verwandter Architekturströmungen einzubetten.

Termin: zweiwöchentlich mittwochs 14.00-17.30 Uhr

Seminar

Neue Futurismen

Lehrender: Samuel Korn

Das Seminar behandelt den Futurismus und dessen Selbstbild als ein mit der Geschichte brechende und allein Kraft zeitgenössischer Technologie in die Zukunft überleitende Bewegung und befragt historische wie aktuelle Anschlüsse an dessen Bild des gewaltvollen Umbruchs und Absage an die Vorstellung historischer Kontinuität, die zu einer Art Vehikel der Entwicklung avantgardistischer Beiträge zu Fragen der Umweltgestaltung wird. Trotz der politischen Ambivalenz – man bedenke die totalitären, protofaschistischen und antifeministischen Reflexe – stellt der Futurismus unter anderem aufgrund seiner Vorstellung einer radikalen Veränderung eine der relevantesten künstlerischen Bewegungen des 20. Jahrhunderts dar. Die Vorstellung eines unbedingten Tabula rasas als einzig probates Mittel eines Neuanfangs und das Motiv der Absage an jegliche Form historischer Kontinuität scheint nicht allein in der sogenannten klassischen Moderne, sondern auch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sowie in aktuellen Entwicklungen immer wieder zu einer Art Blaupause zur Entwicklung avantgardistischer Positionen zu werden.
Im ersten Teil des Seminars wollen wir in der kritischen Lektüre von Quellen die Manifeste des Futurismus mit parallelen und verwandten Diskurse zur Architektur der Stadt der Moderne vergleichen und historisch einordnen. Im zweiten Teil des Seminars wollen wir vom Selbstverständnis her avantgardistische Positionen der Architektur von 1945 bis heute schlaglichtartig untersuchen, die mit dem Anschluss einerseits an die futuristische Absage an die Vorstellung einer historischen Kontinuität allgemein wie auch innerhalb der Disziplin der Architektur und andererseits an das methodische wie formale futuristische „Vokabular“ moderner Technologie tatsächlich nicht einen Neuanfang formulieren, sondern das Bild des Endes der Geschichte evozierend, gleichsam die Methode des Futurismus rekonstruieren.
Der Digitalisierung unserer Ökonomie, Kultur und Politik auf Basis der zunehmend monopolistisch auftretender Kräfte des freien Marktes glauben Vertreter des Akzelerismus heute gerade nicht mit Versuchen der Entschleunigung, sondern durch eine weitere Beschleunigung der technologischen Evolution begegnen zu können, um Wege in eine menschenwürdige Zukunft zu gestalten. Diese und weitere theoretische Positionen sollen im dritten Teil des Seminars den Hintergrund für eigene Analysen, begründete Manifeste und Entwürfe sowie spekulative Theorien bilden.

Termin: zweiwöchentlich mittwochs 14:00–17:00 Uhr

Seminar

Die dritte Generation der modernen Architektur

Lehrende: Adria Daraban

Den Arbeiten der Architekten Alison und Peter Smithson liegt ein hohes Maß an Reflexion und Widerspruch inne. Ihr Werk ist – auch wenn nicht sehr umfangreich – für die Entwicklung der Moderne besonderes bedeutend. Eine zentrale Komponente der Auffassung moderner Architektur, wie sie die Smithsons vertraten, war das Konzept der drei Generationen. In ihrem Buch „Italienischen Gedanken“ beschreiben die Smithsons die Italienische Renaissance als eine Entwicklung über drei Generationen, die mit Filippo Brunelleschi (1377-1446) beginnt und über Leon Battista Alberti (1404-1472) zu Francesco di Giorgio (1439-1501) führt. Analog dazu beschreiben sie die Entwicklung der Moderne, die mit Walter Gropius, Ludwig Mies van der Rohe und Le Corbusier begann, von Architekten wie Jean Prouvé oder Charles Eames in der zweiten Generation vertreten wurde, um dann eine dritte Generation, die Alison und Peter Smithson selbst einschließt, hervorzubringen.
Die jüngeren Generationen ahmten nicht einfach die ältere nach. Sie übernahmen ihre Ideen und Theorien, transformierten diese zu neuen Ansätzen und sorgten dadurch für eine reflexive Kontinuität des modernen Denkens in Architektur: „Unsere eigene Ausrichtung an der Bewegung der Moderne war genauso unmittelbar, aber nicht durch direkten Kontakt. Sie geschah durch Bücher (…) Die Alten beeinflussten die Jungen, die Jungen die Alten, quer durch die drei Generationen, die zur selben Zeit am Werk sind. “ (Italienische Gedanken)
Das Seminar beschäftigt sich mit dem Konzept der „Drei Generationen Moderne“ und stellt die Arbeit der Architekten Alison und Peter Smithson im Vordergrund. Interessant für uns ist die Verflechtung des Denkens zwischen Entwerfen und Schreiben, eine Arbeitsweise die die Smithsons seit Studienzeiten nicht mehr verlassen haben: „abwechselnd Essays zu schreiben und zu zeichnen, Essays, die die Folge der Einsichten sind, die während der bisherigen Bautätigkeit gewonnen wurden“.
Die Lehrveranstaltung findet in Kompaktform zwischen 13.-15. Mai 2019 in Lauenförde statt. Dort haben die Alison und Peter Smithson das Gelände der Möbelfabrik TECTA umgebaut und den Neubau des Kragstuhlmuseums/TECTA-Archiv entworfen. Zwischen 1986–2002 bauten sie im benachbarten Bad Karlshafen das so genannte »Hexenhaus«, das Wohnhaus von Axel Bruchhäuser, um und erweiterten das Bauwerk kontinuierlich über die Jahre.

Seminar

DESIGN / BUILD

Lehrender: Prof. Philipp Oswalt

In der westlichen Architektur dominiert seit Jahrhunderten die Vorstellung, dass der Entwurf der Gebäudeproduktion vorausgeht. Doch insbesondere Ausbildungskonzepte stellen diese scheinbare Selbstverständlichkeit zunehmend in Frage. Im 19. Jahrhundert sprach man von „Learning by Doing“, heute spricht man von Fab-Labs und Reallaboren. Die Grundidee hierbei ist, das Gestaltungslehre und Gestaltungsinnovation nicht in einem sterilen akademischen Rahmen erfolgt, sondern in konkreter Praxis, oft verknüpft mit realen gesellschaftlichen Bedingungen. Das Seminar widmet sich dieser alternativen Konzeption und Tradition anhand von Theorien, Fallbeispielen und Praktiken aus Geschichte und Gegenwart. Hierzu gehört die Reformpädagogik Europas (etwa Fröbel) und Amerikas (etwa (Dewey), die Lehrexperimente unter Hannes Meyer am Bauhaus oder von Frank Lloyd Wright in Taliesin. In der jüngeren Vergangenheit und Gegenwart kristallisieren sich unterschiedliche Ansätze mit eigenen Praktiken und Theorien heraus: Konstruktiv-Materialorientierte (Buckminster Fuller, Frei Otto, Fab Labs), Experimente der Nachhaltigkeit (Solar Decathlon), auf die Nachbarschaft bezogene Reallabore (Community Design Centers, Universität der Nachbarschaft) oder als solidarische Unterstützung von Communities andernorts.
Zu Ende des Seminars ist für Ende Juni eine kleine Pin-Up Ausstellung im Rahmen des studentischen Projektes KMMN3 und eine Diskussionsveranstaltung geplant.

Termin: zweiwöchentlich mittwochs 12.00 - 15.30

Projekt / Vertical Studio

BAUHAUS BAUEN!

Lehrende: Prof. Philipp Oswalt / Andreas Buss / Osama Salti / Alexander Römer

Als das Bauhaus unter Leitung von Hannes Meyer 1930 die Laubenganghäuser in Dessau Törten realisierte, welche 2017 zum Weltkulturerbe wurden, sollten im Rahmen der von Ludwig Hilberseimer erdachten Mischbebauung auch über 300 Wohnungen in Flachbauweise errichtet werden. Durch die Entlassung Meyers und die Folgen der Weltwirtschaftskrise wurde dieser Projektteil nicht mehr umgesetzt. Erst 30 Jahre später konnte Hilberseimer gemeinsam mit Mies van der Rohe das Gesamtkonzept einer Mischbebauung in dem legendären Projekt Lafayette Park Detroit umsetzen. Auf der Ausstellung „Das wachsende Haus“ 1932 in Berlin konnte Hilberseimer bereits sein Hauskonzept für den Flachbau modellhaft präsentieren. Verknüpft mit dieser vergessenen Geschichte der klassischen Moderne sind auch Mies van der Rohes Hofhäuser und Wohnhausprojekte der frühen 1930er Jahre wie auch die Wohnzelle Berlin-Friedrichshain des Kollektivs um Stadtbaurat Hans Scharoun Ende der 1940er Jahre.
Anlässlich des 100-jährigen Bauhausjubiläums wird nun in Dessau auf einem städtischen Grundstück als Teil des Ensembles des Weltkulturerbes zwei Prototypen des „Wachsenden Hauses“ dauerhaft im Maßstab 1:1 rekonstruiert, geplant und erbaut als Design/ Build Projekt von Studierenden der Universität Kassel, mit Unterstützung lokaler Akteure. Im Wintersemester 2018/2019 erfolgt neben einer konzeptuellen Auseinandersetzung die Planung für Bauantrag und Ausschreibung. Nach gestalterischen Experimenten erfolgt im ersten Monat erfolgt die Ausfürungsplanung und Erstellung von Protoypischen Abuteilen. Der Bau vor Ort erfolgt nach dem Rundgang
21.07-11.08.2019.

Seminar / Übung

BAUWORKSHOP BAUHAUS BAUEN!

Lehrender: Alexander Römer

Nach der planerichen Vorbereitung im Projekt „Bauhaus bauen! Ein Design/Build Projekt in Holzbauweise“ erfolgt in einem dreiwöchigen Workshop unter Anleitung von Alexander Römer/ Constructlab die Umsetzung auf dem Grundstück in Dessau Törten – Mittelbreite 12.Der Workshop, der für den 21.07. - 11.08.2019 in Dessau vorgesehen ist, ist für die Teilnehmer des Projektes BAUHAUS BAUEN! (FB06.530) verbindlich.