Geschichte

Poster zu Botanischen Gärten und Kolonialismus - Projektarbeit Lucas Kruse, 2023

Positionspapier „Botanische Gärten, Pflanzensammlungen und Kolonialismus“ vom Verband Botanischer Gärten e.V.

Der Verband Botanischer Gärten e.V. hat das Positionspapier „Botanische Gärten, Pflanzensammlungen und Kolonialismus“ herausgegeben. Diese Erklärung ist das Diskussionsergebnis einer Arbeitsgruppe von Kustodinnen und Kustoden im Verband Botanischer Gärten e.V. (VBG). Es arbeiteten mit: Botanischer Garten Berlin: Dr. Nils Köster, Botanische Gärten Bonn: Dr. Conny Löhne, Palmengarten der Stadt Frankfurt: Dr. Marco Schmidt; Botanischer Garten Potsdam: Dr. Michael Burkart; Botanischer Garten Tübingen: Dr. Alexandra Kehl; Tropengewächshaus Witzenhausen/Kassel: Marina Hethke; Sukkulenten-Sammlung Zürich: Dr. Felix Merklinger.
Die Gruppe hat sich mit den postkolonialen Bezügen ihrer Sammlungen, ihrer Geschichte und ihrem Selbstverständnis kritisch auseinandergesetzt. Unterstützt wurde sie von Runa Hoffmann, Masterstudentin im Botanischen Garten Berlin, Alexandra Straka, Masterstudentin im Botanischen Garten Potsdam und Demba Sanoh, Historiker, Berlin.
Eine Literaturliste ergänzt das Papier.

Ein Blick in die Geschichte

Die Geschichte der Tropengewächshäuser in Witzenhausen ist untrennbar verbunden mit der Geschichte der ehemaligen Klosteranlage in der Steinstraße und ihrer Nutzung in der landwirtschaftlichen Ausbildung.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde in Witzenhausen in den ehemaligen Klostergebäuden an der Steinstraße die Deutsche Kolonialschule für Landwirtschaft, Handel und Gewerbe gegründet. Bis 1944 konnte man hier eine sehr praxisorientierte Ausbildung zum Tropenlandwirt absolvieren. Innerhalb dieses Ausbildungsganges spielte der tropische Pflanzenbau eine zentrale Rolle und schon 1902, also vier Jahre nach der Gründung der Kolonialschule, wurde deshalb das erste Gewächshaus für tropische Nutzpflanzen erbaut. Den Grundstock der Pflanzensammlung legten Schenkungen aus den Botanischen Gärten Göttingen und Bonn sowie der Gartenverwaltungen von Wilhelmshöhe, Kassel, dem Palmengarten Frankfurt und aus Herrenhausen, Hannover. Ein anderer Teil stammte von ehemaligen Kolonialschüler:innen, die aus ihren Einsatzgebieten Pflanzen, Pflanzenteile oder Samen für die Sammlung an das Gewächshaus sandten oder aus dem Ausland mitbrachten. (Eine Stellungnahme dazu finden Sie weiter oben auf dieser Seite im Positionspapier des Verbandes Botanischer Gärten bzw. unter "Einblicke" im Leitbild))

Im Jahr 1937 waren Technik und Fläche des Hauses für die Lehr- und Demonstrationsaufgabe nicht mehr ausreichend, und es wurde an gleicher Stelle ein neues, größeres Haus errichtet. Etwa 640 m² Grundfläche, eingeteilt in ein Tropenhaus, ein temperiertes Haus und zwei Warmhäuser, standen damit für die tropische Pflanzensammlung der Kolonialschule zur Verfügung. Während des Zweiten Weltkrieges, im Jahr 1944 stellte die Deutsche Kolonialschule ihren Lehrbetrieb ein. Durch Granaten der amerikanischen Streitkräfte wurden 1945 die Glasscheiben des Gewächshauses zerstört, und der größte Teil der tropischen Nutzpflanzen erfror im Winter 1945/46.

1957 wurde dann unter der Trägerschaft des Deutschen Instituts für Tropische und Subtropische Landwirtschaft GmbH (DITSL), der Nachfolgeeinrichtung der ehemaligen Kolonialschule, die Lehranstalt für Tropische und Subtropische Landwirtschaft gegründet. Sie bot in den Räumlichkeiten der ehemaligen Kolonialschule ein einjähriges Aufbaustudium für künftige Tropenlandwirte an. Im Rahmen des Aufbaustudienganges der Lehranstalt spielte der tropische Pflanzenbau - und damit auch das Gewächshaus - wieder eine besondere Rolle.

Im Oktober 1964 fiel die Entscheidung, unter der Regie von Bund und Land, aus dem Angebot der Lehranstalt einen sechssemestrigen Ingenieurstudiengang für tropische und subtropische Landwirtschaft zu entwickeln. Auch in dem neuen Studiengang sollte die praktische Unterweisung der Studierenden eine Rolle spielen und somit blieb die Nutzpflanzensammlung erhalten; bzw. sie wurde weiter ausgebaut. Eine Renovierung der Gewächshausanlage von 1937 erschien unwirtschaftlich, so daß die Errichtung eines neuen Gebäudes beschlossen wurde. Der Standort der Häuser von 1902 und 1937 war für einen größeren Bau ungeeignet, so daß eine Verlegung auf die gegenüberliegende Geländeseite an der Fährgasse notwendig wurde. Die Baukosten von ca. 500.000,- DM trugen das Deutsche Institut für Tropische und Subtropische Landwirtschaft und die Ministerien für Landwirtschaft und Entwicklungshilfe. Zur praktischen und theoretischen Unterweisung der Studierenden mietete die Ingenieurschule 1966 das neue Gewächshaus vom DITSL an.

Die Pflanzensammlung bestand wie schon in den Jahren davor aus tropischen und subtropischen Nutzpflanzen und diversen Zierpflanzenarten, die man für die Innen- und Außenbepflanzung der Ingenieurschule anzog.

1971 wurde die Ingenieurschule für Ausländische Landwirtschaft als Organisationseinheit Internationale Agrarwirtschaft Teil der neu gegründeten Universität Gesamthochschule Kassel.

Die Tropengewächshäuser in Witzenhausen

1902Bau des ersten Gewächshauses im Domänengarten an der ehemaligen Klosterstraße
1937Bau eines größeren Gewächshauses an gleicher Stelle (640 m²)
1945Teilweise Zerstörung der Glasscheiben durch amerikanische Truppen
1965Errichtung des heutigen Gewächshauses an der Fährgasse (1200 m²)
1987Anbau an der Südostseite - Seminarraum/Lager- und Sozialräume (300m²)
1995Errichtung eines Forschungsbereiches (150 m²) mit Klimakammern 

Die Nutzung der Gewächshäuser

1902 - 1943Deutsche Kolonialschule GmbH
1945 - 1957Privatpächter (Erhaltung durch ehemalige Angestellte der Kolonialschule)
1957 - 1966Lehranstalt für Tropische und Subtropische Landwirtschaft
1966 - 1971Deutsche Ingenieurschule für Ausländische Landwirtschaft
seit 1971Universität Gesamthochschule Kassel (GhK) - ab 1994 Universität Kassel