Projektinformation
Projekthintergrund
In der nordhessischen Großstadt Kassel liefert ein vielseitiges Wassersversorgungsystem hochwertiges Trinkwasser an rund 200.000 Einwohner sowie zahlreiche Unternehmen. Dafür kommen verschiedene Gewinnungsverfahren zum Einsatz – von den Quellgebieten im Habichtswald und Kaufunger Wald über Tiefbrunnen in Simmers hausen, bis hin zu einer Anlage zur Grundwasseranreicherung entlang der Fulda. Dadurch kann die Wasserversorgung in Kassel besonders anpassungsfähig und zuverlässig betrieben werden.
Doch neue Herausforderungen entstehen:
- Der Klimawandel bringt längere Trockenperioden und häufigere Starkregenereignisse mit sich.
- Starkregenereignisse beeinträchtigen die Wasserqualität in Quellgebieten durch Trübstoffe – das Wasser ist zeitweise nicht nutzbar.
- Die Wasserverfügbarkeit sinkt, während der Verbrauch steigt.
Gleichzeitig verändert die Energiewende die Rahmenbedingungen:
Der steigende Anteil erneuerbarer Energien führt zu Schwankungen der Strommenge im Stromnetz. An wind- und sonnenreichen Tagen kommt es zu einem Überangebot – mit sinkenden oder sogar negativen Strompreisen.
Diese Entwicklungen bergen aber auch Chancen:
- Innovative, membranbasierte Aufbereitungstechniken erlauben inzwischen eine kostengünstige Aufbereitung von Rohwässern die bisher nicht für die Trinkwasserversorgung in Betracht gezogen wurden.
- Flexible Verbraucher, wie z. B. Pumpen und Belüfter, könnten gezielt dann betrieben werden, wenn besonders viel Strom aus erneuerbaren Quellen verfügbar ist.
- Das würde eine kosteneffiziente und klimafreundliche Wasserversorgung – bei gleichzeitiger Entlastung der Stromnetze ermöglichen.
Flexilienz setzt genau hier an:
Durch die Verknüpfung von Wasser- und Energiesystemen wird Kassels Trinkwasserversorgung robuster gegenüber den Folgen des Klimawandels – und gleichzeitig zu einem aktiven Teil der Energiewende.
Kernbausteine von Flexilienz:
- Filtrationstechnologien sorgen dafür, dass Quellwasser auch nach Starkregen nutzbar bleibt oder gezielt und zeitlich begrenzt abgeleitet wird.
- Ein Pilot-Elektrolyseur gewinnt grünen Wasserstoff aus Spülwässern – eine nachhaltige Doppelnutzung.
- Prognosemodelle koppeln den Strombedarf der Wasserversorgung an Börsenstrompreise und das erneuerbare Energieangebot.
Das Reallabor Kassel dient dabei als Testumgebung für übertragbare Lösungen, die auch in anderen Regionen eingesetzt werden können – um Ressourcen zu schonen, Emissionen zu senken und die Versorgungssicherheit zu erhöhen.
Projektschwerpunkte von Flexilienz
Flexilienz verfolgt drei zentrale Schwerpunkte, um Kassels Wasserversorgung zukunftssicher, resilient und klimafreundlich aufzustellen:
(Arbeitspaket 1)
Ziel ist es, auch unter veränderten klimatischen Bedingungen jederzeit sauberes Trinkwasser bereitzustellen. Zwei Maßnahmen stehen dabei im Fokus:
- Prognosemodell für Wasserqualität:
Mithilfe von Daten zu Volumenströmen und Trübungswerten wird ein Frühwarnsystem entwickelt. Es ermöglicht dem Wasserversorger, Verunreinigungen durch Starkregen frühzeitig zu erkennen und alternative Versorgungswege rechtzeitig zu aktivieren.
- Innovative Filtrationstechnologien:
Neue Ultrafiltrationsmodule werden getestet, die selbst feinste Trübstoffe ohne hohen Energieeinsatz entfernen. So können auch empfindliche Quellen wie die im Habichtswald dauerhaft genutzt werden.
(Arbeitspakete 2 & 3)
Das Projekt zeigt, wie die Wasserstoffproduktion intelligent mit der Wasserversorgung verknüpft werden kann:
- Pilot-Elektrolyseur im Wasserwerk:
Ein Wasserelektrolyseur soll Rückspülwasser aus der Trinkwasseraufbereitung zur Wasserstofferzeugung nutzen um Rohwasser zu sparen und Ressourcen zu schonen. - Vorwärtsosmose statt energieintensiver Entsalzung:
Ein neuartiges Membransystem soll Reinstwasser direkt im Elektrolyseur produzieren und wäre damit eine nachhaltige Alternative zu herkömmlichen Verfahren. - Kaskadennutzung der Nebenprodukte:
Der bei der Elektrolyse entstehende Sauerstoff soll zur Enteisenung des Brunnenwassers verwendet und die Abwärme zur Beheizung des Gebäudes genutzt werden. - Netzdienlichkeit:
Der Elektrolyseur soll bevorzugt mit dem Strom der wasserwerkseigenen Solaranlage oder beiniedrigen Börsenstrompreisen laufen und so zur Stabilisierung des Stromnetzes beitragen.
(Arbeitspaket 4)
In Kassel muss Wasser über große Höhenunterschiede in Hochbehälter gepumpt werden – ein energieintensiver Prozess. Durch Analyse des Speicherpotenzials der Hochbehälter wird analysiert ob diese Energieverbräuche zur Wasserförderung und Aufbereitung in Zeiträume mit günstigen Strompreisen verschoben werden können, ohne dabei die Versorgungssicherheit zu gefährden.
Zu diesem Arbeitspaket zählen:
- Erstellung eines digitalen Abbildes des Versorgungsnetzes:
In einer Pilotzone wird das gesamte Wassernetz mit Pumpen, Kompressoren, Speichern und Verbrauchsdaten virtuell modelliert. - Intelligente Lastverschiebung:
Auf Basis verfügbarer Wetter-, Förder- und Verbrauchsdaten sowie dem Börsenstrompreis wird dann ermittelt wanndie Energieverbräuche im Wasserversorgungsystem zeitlich verlagert werden können. - Strommarktgesteuerte Steuerung:
In einer Simulationsumgebung werden die Verbraucher automatisch nach Börsenstrompreisen (Day-Ahead & Intraday Market) betrieben. So entstehen tagesaktuelle Fahrpläne, mit denen sowohl Kosten gesenkt als auch das Stromnetz entlastet werden kann.