Hintergrund und Konzept

Experten stimmen weltweit überein, dass der Hochschullehrerberuf einem schnellen Bedingungswandel unterliegt und sich ständig neu zu orientieren hat. Die wachsende Bedeutung systematischen Wissens in der Gesellschaft erweitert die Ressourcen für wissenschaftliche Arbeit, führt aber zu einem Exklusivitätsverlust für die Lehrenden und Forschenden an Hochschulen. Die damit wachsenden Erwartungen, dass die Hochschulen sich mehr als zuvor gesellschaftlich relevant erweisen, schafft einerseits neue Gestaltungsspielräume, andererseits wird dies als Einschränkung der beruflichen Selbstbestimmung und als Druck wahrgenommen, sich an den herrschenden Zeitgeist populärer Anforderungen anzupassen.

Die Zunahme von Evaluationsverfahren, die Stärkung des Hochschulmanagements und die wachsende Zahl von Anreiz- und Sanktionsmechanismen bieten Potentiale zur Qualitätssteigerung der wissenschaftlichen Arbeit, aber scheinen unkonventionelle Lösungen zu entmutigen. Die Einheit von Forschung und Lehre – das am stärksten Identität stiftende Merkmal dieses Berufs – gewinnt keineswegs automatisch an Selbstverständlichkeit: Zunehmende Spezialisierung in der Forschung erschwert die Abstimmung von Forschungs- und Lehrtätigkeit, und die zunehmende vertikale Rangstufung der Hochschulen scheint den Anteil der Lehrenden und Forschenden zu verringern, die erfolgreich nach einer Balance von Forschung und Lehre streben können.

Ständig ändern sich die Rahmenbedingungen für wissenschaftliche Tätigkeit, sei es durch Internationalisierung, durch neue Technologien und durch veränderte Vorgaben für wissenschaftliche Karrieren: Tore zu Reformen werden aufgestoßen, aber die Notwendigkeit zu Umstellungen ohne die dafür erforderlichen Ressourcen werden als Belastung empfunden. Die Entscheidung für Wissenschaft als Beruf scheint unter diesen Umständen für Viele nicht nur eine Chance, sondern auch etwas zu riskantes und ambivalentes. Die Anforderungen an die „Professionalisierung“ des Hochschullehrerberufs scheinen zuzunehmen, ebenso entsprechende Qualifizierungsangebote. Folglich wächst die Sorge, dass Forschung und Lehre unter der Fülle wachsender Aufgaben zu kurz kommt. Insgesamt wird der Hochschullehrerberuf heute mehr als zuvor als ambivalent in Chancen und Belastungen dargestellt.

Es gibt vielerlei Behauptungen, wie Professorinnen und Professoren und jüngere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Situation einschätzen und sich verhalten. In jüngster Zeit wurden einige international vergleichende Analysen durchgeführt, die dazu einen besseren Informationsstand versprechen. Innerhalb Deutschlands wurden zudem Analysen durchgeführt, die besser als zuvor zeigen, wie der Hochschullehrerberuf die neuen Herausforderungen einschätzt und mit ihnen umgeht.

Die Internationale Konferenz „Changing Conditions and Changing Approaches of Academic Work“ soll die Möglichkeit bieten, die zentralen Ergebnisse international vergleichender Studien zum Hochschullehrerberuf bekannt zu machen und ihren Stellenwert in einem großen Kreis wissenschaftlicher und praktischer Expertise zu diskutieren. Auch sollen die Ergebnisse der Forschung zur deutschen Situation international bekannt gemacht und vergleichend eingeordnet werden.

Das Internationale Zentrum für Hochschulforschung der Universität Kassel (INCHER-Kassel) lädt – mit Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) – zu dieser internationalen Tagung ein. Erwartet wird, dass ein solcher Informa-tionsaustausch zu einem besseren Verständnis der Werte, Einschätzungen und Verhal-tensweisen dieses Schlüsselberufs von Hochschulen beiträgt und damit ein wichtiger Schritt zu einem effektiven Dialog zwischen Wissenschaft, Politik und Praxis hinsichtlich der Zukunft der Hochschulen sein wird.

Fünf Themenbereiche bzw. Informationsquellen sind in dem Programm aufgenommen:

  • Die wichtigsten Ergebnisse der bisher größten Studie (19 Länder) zu Berufswegen, Vorstellungen und Verhaltensweisen von Hochschullehrern „The Changing Academic Profession“ (CAP) werden von den Projektpartnern vorgestellt. Dabei geht es auch um den Stellenwert von veränderten Rahmenbedingungen: Die Erwartung zunehmender „Relevanz“, Internationalisierung und die wachsende Stärke das Managements.
  • Erstmals werden die Ergebnisse des analogen Projektes „The Academic Profession in Europe“ (EUROAC) präsentiert. Beide Studien zusammen bieten einen Überblick zum Wandel des Hochschullehrerberufs aus 12 europäischen Ländern.
  • Dargestellt werden die Erträge von Projekten, die sich – im Rahmen der BMBF-Förderlinie „Professionalisierung der Hochschullehre“ – eingehend mit Qualifizierung und Wandel der Berufsrolle des Hochschullehrerberufs befasst haben.
  • Erstmals aufgezeigt werden die Ergebnisse des Projekts: „Wandel von Lehre und Studium an deutschen Hochschulen“ (LESSI), das von INCHER-Kassel in Kooperation mit der HRK und mit Unterstützung seitens des BMBF durchgeführt worden ist: Die Sicht der Lehrenden auf jüngste Studienreformen in Deutschland.
  • Analysen zum Wandel der Rolle von Hochschulprofessionen (Studienberater, Qualitätsmanager, Career Officer u.a.m.) werden ausgewertet, um zu prüfen, wie der Hochschullehrerberuf vom Wachstum dieser Berufsgruppe tangiert wird.

Zusätzlich werden bekannte Vertreter(innen) der Hochschulforschung zu Wort kommen und den Stellenwert der bisherigen Analysen zur Einschätzung zukünftiger Entwicklungslinien der Hochschullehrerberuf erörtern. Als Referentinnen und Referenten haben u.a. bereits zugesagt bzw. sind angefragt: Timo Aarrevaara (Helsinki, Finnland), Akira Aromoto (Hiroshima, Japan), John Brennan (London, Großbritannien), William Cummings (Washington, USA), Jürgen Enders (Enschede, Niederlande), Martin Finkelstein (Seton Hall, USA), Jesus Galaz-Fontez (Baja California, Mexiko) Gaelle Goastellec (Lausanne, Schweiz), Barbara Kehm (Kassel, Deutschland), Georg Krücken (Kassel, Deutschland) Marek Kwiek (Poznan, Polen), Monica Marquina (Buenos Aires, Argentinien), Lynn Meek (Melbourne, Australien), Christine Musselin (Paris, Frankreich) Hans Pechar (Wien, Österreich), Michele Rostan (Pavia, Italien), Hong Shen (Wuhan, China), Jung Cheol Shin (Seoul, Korea), Ulrich Teichler (Kassel, Deutschland), Jussi Välimaa (Jyväskylä, Finnland).

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