Promotions- und Habilitationsprojekte bei JUST

Das Habilitationsprojekt möchte im Rahmen des JUST-Kollegs die Rolle von Schwerbehindertenvertretungen (SBV) in Betrieben untersuchen. Ziel des Projekt ist, sowohl die Institution der SBV als auch die Vertrauenspersonen schwerbehinderter Menschen und ihre Mitbestimmungsmöglichkeiten in betrieblichen Entscheidungsprozessen genauer zu erforschen.

Forschungsschwerpunkt 1

Bildung kann eine Rolle im Aushandeln von Zukunftsfragen spielen und zu Transformation beitragen (z.B. Kuhnhenn et al. 2020) und Bildung hat ebenso die Funktion der Reproduktion und Stabilisierung sozialer und politischer Ordnung, setzt Herrschaftsverhältnisse fest und soziale Ungleichheiten fort, beispielsweise die Rechtfertigung ungleicher Berufs- und Lebenschancen durch das dreigliedrige Schulsystem (Eis/Inkermann 2022).

Schulische Konzepte von Nachhaltigkeitsbildung fokussieren meist ökologische Dimensionen von Nachhaltigkeit, adressieren Herrschaftsverhältnisse zwischen einem globalen Norden und einem globalen Süden oder verfolgen instrumentelle Ziele, etwa die Vermittlung von Expert*innenwissen zu nachhaltigen Verhaltensförderungen wie individuelles Konsumverhalten (de Haan 2008). Die Thematisierung sozialer Dimensionen von Nachhaltigkeit, auch innerhalb eines globalen Nordens, die nichtnachhaltige Lebensweisen festigen und die Entwicklung nachhaltiger Lebensweisen verhindern bleibt dabei außen vor. In Forschung und Praxis wird gegenwärtig vermehrt auf die Notwendigkeit intersektionaler Konzepte von Nachhaltigkeitsbildung hingewiesen, die zum einen auf soziale Gerechtigkeit ausgerichtet sind (Hudler et al. 2019) und zum anderen die Bedeutung der Konflikthaftigkeit und Aushandlungsprozesse um die Gestaltung und Auslegung einzelner Nachhaltigkeitsziele und -dimensionen thematisiert. Auf diese Weise wird das Politische ins Zentrum von Bildungsinhalten und -konzepten gestellt und kann eine Auseinandersetzung mit der Umkämpftheit von Nachhaltigkeit ermöglichen (Butterer/Weselek 2023).

In diesem skizzierten Spannungsfeld von Nachhaltigkeitsbildung als emanzipatorisches und herrschaftsfestigendes Konzept verorte ich meinen Forschungsgegenstand. In meinem empirischen Promotionsprojekt begreife ich Nachhaltigkeitsbildung als Bildungskonzept, das auf die Gestaltung von Zukunft ausgelegt ist: „Wie wollen wir leben?" In der Bearbeitung dieser Frage interessieren mich die Perspektiven von Schüler*innen einer Hauptschule: Wie thematisieren sie individuelle und kollektive Zukunftsgestaltung, welche Ausschlüsse kommen dabei zum Ausdruck und wie werden diese verhandelt? Die Erkenntnisse sollen Aufschluss geben über die Ausgestaltung sozialer Dimensionen in schulischen Nachhaltigkeitskonzepten.

Für meine Forschung nutze ich die ethnografische Methode der teilnehmenden Beobachtung und verfolge im Rahmen der kontextuellen Möglichkeiten partizipative Forschungsansätze: In einer selbstgestalteten und -durchgeführten Nachmittags-AG einer Ganztagsschule arbeite ich mit Schüler*innen einer Abschlussklasse an einer Hauptschule zu oben genannter Fragestellung und fertige Beobachtungsprotokolle der einzelnen Sitzungen an.

 

Forschungsschwerpunkt 1

Wie kann Politische Bildung zur Überwindung gesellschaftlicher Krisen beitragen? In meinem Promotionsprojekt untersuche ich Ansätze transformativer Bildung an Pflegeschulen. Dabei nehme ich in den Blick, wie Auszubildende die Verbindung von Klimakrise und Care-Krise verhandeln. Inwiefern wirken beide Krisen in ihren Alltag hinein? Welche Handlungsperspektiven entwickeln die Pflegeschüler*innen im Sinne einer sozial-ökologischen Transformation? Diese Fragen untersuche ich anhand einer vergleichenden Fallstudie zu Pflegeschulen in Hessen und Niedersachsen. Mit teilnehmenden Beobachtungen und Interviews arbeite ich sowohl zukunftsweisende Bildungspraktiken als auch deren Hemmnisse heraus. Außerdem analysiere ich, welche Anschlussmöglichkeiten sich daraus für die Klima- und die Care-Bewegung ergeben: Wie können beide Bewegungen ihre Zusammenarbeit vertiefen?

Forschungsschwerpunkt 2

Das geplante Vorhaben analysiert ein Spannungsfeld sozial-ökologischer Transformation zu einer nachhaltigeren Lebensweise näher, und zwar affektbasierte Barrieren gegenüber einer inklusiven Freiraumplanung, die sichtbar und somit bearbeitbar gemacht werden.

Theoretisch stützt sich dieses Projekt auf die Disability Studies, die von einem subalternen Standpunkt aus argumentierend alternatives Wissen über Behinderung generieren. Das geplante Projekt versteht den barrierefreien Zugang zu (urbanen) Freiräumen als Teilhabe- wie Nachhaltigkeitsthema. Hinterfragt werden soll insbesondere die Konstruktion eines dichotomen Gegensatzes von nicht-barrierefrei gestalteten Freiräumen als natürlich und barrierefrei gestalteten Freiräumen als unnatürlich.

Insbesondere eine Entinnerung von Differenz und sozialer Ungleichheit scheint höchst relevant für affektbasierte Barrieren gegenüber einer sozial-ökologischen Transformation. Entinnerung meint hier kein Übersehen aus Nachlässigkeit, sondern eine aktive Verweigerung der Auseinandersetzung. In den Disability Studies werden kulturwissenschaftliche, historische, soziologische und politikwissenschaftliche Erklärungen bemüht um zu erklären, wie Differenz und soziale Ungleichheit übersehen werden. Beispielsweise werden Maßnahmen zur Verbesserung der Zugänglichkeit oft als Störung der architektonischen Ästhetik von Gebäuden angesehen und in der Freiraumplanung als Bedrohung vermeintlich unberührter Natur gelesen. Weiter werden Behindertenparkplätze und andere barrierefreie Flächen häufig als Vakuum behandelt, die es zu füllen gilt – zum Beispiel, indem sie als Abstellfläche genutzt werden. Dabei bemerken nichtbehinderte Menschen vorhandene Barrieren meist nicht. Diese Vergessenheit kann sogar aufrechterhalten werden, während man z.B. Rollstuhlnutzer:innen dabei beobachtet, wie sie mit der angeblichen Barrierefreiheit zu kämpfen haben.

Barrieren in der Freiraumgestaltung haben materiale und wiederum emotionale Konsequenzen auf die Lebenswirklichkeit behinderter Menschen. Sie bedrohen dabei insbesondere ihre Teilhabe am kulturellen Leben sowie an Erholung, Freizeit und Sport, wie sie von Artikel 30 der UN-Behindertenrechtskonvention garantiert wird. Darüber hinaus macht die Konfrontation mit Barrieren in Freiräumen Emotionsarbeit notwendig, auch weil die Verantwortung für angemessene Vorkehrungen meist individualisiert wird.

In einem partizipativen ethnographischen Design soll das Projektvorhaben affektbasierte Barrieren gegenüber einer inklusiven Freiraumplanung genauer nachzeichnen.

Forschungsschwerpunkt 3

While diversity management (DM) has become a well-established practice among organisations, transferring initiatives beyond organisational borders to local suppliers can be a challenge. The dissertation studies gaps that can arise between the DM practices espoused by the focal company and those enacted by suppliers. These gaps may be influenced by contextual factors (Nishii et al., 2017) that are individual for every supplier and can occur on multiple levels (Post et al., 2021). The exploration builds on Scandinavian institutionalism (Sahlin & Wedlin, 2008). The dissertation fills a gap in research on DM practices as it moves beyond the intra-organisational perspective frequently taken by DM studies.

 

  • Nishii, L. H., Khattab, J., Shemla, M., & Paluch, B. (2017). A multi-level process model for understanding diversity practice effectiveness. Academy of Management Annals, 12(1), 37-82. doi:10.5465/AMBPP.2017.293
  • Post, C., Muzio, D., Sarala, R., Wei, L., & Faems, D. (2021). Theorizing diversity in management studies: New perspectives and future directions. Journal of Management Studies, 58(8), 2003-2023. doi:10.1111/joms.12779
  • Sahlin, K., & Wedlin, L. (2008). Circulating ideas: Imitation, translation and editing. In R. Greenwood, C. Oliver, R. Suddaby, & K. Sahlin-Andersson (Eds.), The SAGE Handbook of Organizational Institutionalism (pp. 218–242). Sage.

Forschungsschwerpunkt 4

Unter der intersektionalen Fragestellung „Welche Möglichkeiten und Grenzen bieten das deutsche Antidiskriminierungsrecht sowie Arbeits- und Sozialrecht bei der effektiven Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Mädchen mit Behinderung?“ untersucht Karoline Riegel in ihrer Arbeit den Prozess einer gerechten und sozialen Transformation am Beispiel der Rechte von Frauen und Mädchen mit Behinderung in Deutschland.

Insbesondere soll analysiert werden wie effektiv derzeit bestehende Regelungen sind, um eine Durchsetzung von Gleichberechtigung gemessen am Maßstab der Sustainable Development Goals (SDG) und der einschlägigen Menschenrechtskonventionen zu gewährleisten.

Die Arbeit untersucht, ob gesetzliche Regelungen dazu beitragen können, bestehende Barrieren im Hinblick auf die Ziele der Agenda 2030 und der Menschenrechtskonventionen wie Zugang zu Bildung, Arbeit, Gesundheit oder Barrieren bei der Freiraumnutzung zu überwinden, um eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. Wie sollten bestehende Gesetze, die bereits Regelungen zur Gleichstellung von Frauen und Mädchen mit Behinderung beinhalten, in der Praxis umgesetzt werden, um den Bedürfnissen und Erfahrungen von Frauen und Mädchen mit Behinderung zu

entsprechen? Welche rechtlichen Rahmenbedingungen sind darüber hinaus erforderlich, um Barrieren abzubauen? Da die Formen der Beeinträchtigungen und deren Auswirkungen auf das Individuum sehr unterschiedlich sind, gilt es zu erforschen wie Rechtsnormen ausgestaltet werden müssen, um die spezifischen Belange zu berücksichtigen.

Es sollen auch die bisher noch nicht umgesetzten Forderungen aus den SDGs und den Menschenrechtskonventionen, wie beispielsweise die Einbeziehung der Bedarfe von Frauen mit Behinderung in politische Konzepte, die Förderung der Partizipation oder die Förderung der Forschung untersucht werden. Diese Forderungen wurden in der Vergangenheit im rechtswissenschaftlichen Diskurs wenig thematisiert.

Forschungsschwerpunkt 4

Die Sustainable Development Goals (SDG) als Dokument und Ausdruck gerechter und nachhaltiger Entwicklung und die Gesetzliche Rentenversicherung (GRV) als nationale Institution der Alterssicherung stehen in einem wechselseitigen Verhältnis zueinander. Einerseits ist eine belastbare, transparente und effektive Alterssicherung nicht nur Zielvorstellung, sondern auch von inhärenter Bedeutung für die gerechte und nachhaltige Gestaltung sozial-ökologischer Transformationsprozesse und mithin fester Bestandteil des Fundaments zur Erfüllung der SDG bis zum Jahr 2030.

Andererseits wirken die SDG auf die Rechtsordnung ein und ermöglichen somit in diesen Bereichen die rechtswissenschaftliche Bearbeitung. Als eine der ältesten Institutionen des sozialen Rechtsstaates hat die GRV bereits verschiedenste Transformationsprozesse durchlebt und mitgestaltet. Für die Zukunft stellt sich nunmehr ganz grundsätzlich die Frage, welche Rolle der GRV innerhalb gerechter Transformationsprozesse zukommt und welche Antworten das Recht für ihre nachhaltige Gestaltung bietet. Im Speziellen gilt es zu erarbeiten, wie eine diskriminierungsfreie Alterssicherung in dem Spannungsverhältnis zwischen den Generationen einem mehrdimensionalem Gerechtigkeitsbegriff gerecht werden kann. Dazu ist das einfache Recht der GRV (SGB VI) vor dem Hintergrund der SDG (insb. 1.2, 10.3 u. 16) sowie einem Mehrebenensystem des Alterssicherungs- und Antidiskriminierungsrechts, bestehend aus Völkerrecht (insb. UN-Sozialpakt, ILO-Übereinkommen Nr. 102, Artt. 25 ff. u. Nr. 128, Artt. 14 ff.), Unionsrecht (insb. Artt. 21 u. 25 GRC) und Verfassungsrecht (insb. Artt. 3, 6, 14, 20 u. 20a GG) zu betrachten. Auf dieser Grundlage lassen sich systeminterne und -externe Transformationsvorschläge, -möglichkeiten und -notwendigkeiten diskutieren sowie Lösungsvorschläge erarbeiten.