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06.10.2021 | Vortrag

Sektion "Zukunftswissen und Religion. Konkurrierende Praktiken und Diskurse von Zeit und Zeitlichkeit (1700-1900)" auf dem Historikertag 2021

Die Offenheit der Zukunft und die damit verbundene Gestaltungsfreiheit zukünftiger Zeiten gelten als Privileg der Moderne. Angesichts konkurrierender Deutungsmuster scheinen Freiheit und Optimismus der Zukunftsgestaltung gegenwärtig jedoch an ihre Grenzen zu gelangen. Während sich die Zukunft zugespitzt formuliert einerseits als eine technologische Fortschrittsvision zu transformieren beginnt, wird sie andererseits aufgrund von Umweltschäden und der Klimakatastrophe als apokalyptisches Untergangszenario imaginiert. Gleichgültig, ob unter positiven oder negativen Vorzeichen, unter dem Zeitregime der bedrohten Zukunft scheint diese immer mehr zu schrumpfen. Unversehens kommt die derart verkürzte Zukunft der bereits überwunden geglaubten Naherwartung des Göttlichen Endgerichts bemerkenswert nahe. Wird doch hier wie dort der Mensch als Beschleuniger einer „eigentlich“ noch verbleibenden Zeit adressiert. Damit lässt sich aber auch das Denken und Handeln in einer vorherbestimmten Zukunft nicht mehr ohne weiteres auf die ‚Vormoderne’ mit ihren traditionell religiös geprägten Zeitmodellen begrenzen. Angesichts dieser widerstrebenden Handhabungen von Zeit und Zeitlichkeit fragt die Sektion epochenübergreifend nach konkurrierenden Herstellungsweisen von Zukunft durch die vielschichtigen Verschränkungen von Zeitwissen und Religion. Ist es nach dem Standardnarrativ doch erst die Säkularisierung der Zukunft, die im Zuge der Aufklärung einen einschneidenden Wandel von Zeitwissen und damit auch die Entwicklung einer offenen, handlungsorientierten Zukunft ermöglicht hat Konsequenterweise erscheint Religion in der gestaltbaren Zukunft nicht bzw. nicht mehr als Faktor. Während in der historischen Zukunftsforschung mittlerweile Konsens darüber besteht, dass die Gestaltung zukünftiger Zeiten nicht als Privileg der Moderne gelten kann, bildet die Frage nach der Bedeutung von Religion für die Herstellung von Zukunft nach wie vor eine Leerstelle. Dieses Desiderat greifen die in der Sektion versammelten Vertreter und Vertreterinnen der Religionssoziologie und der Geschichte auf und fragen nach der Bedeutung von Religion für die Modellierung von Zukunft zwischen 1700 und 1900.