Ulrike Heitholt

Zucht und Ordnung. Die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft, ihre Ausstellungen und die Rinder in Deutschland (1885-1914)

Tierschauen und mit ihnen Prämierungen wurden im 19. Jahrhundert in Europa zu einem beliebten Mittel in der Förderung der landwirtschaftlichen Tierzucht, es gab sie von der lokalen Ebene bis hinauf auf die internationale Ebene. Rinder standen auf diesen Schauen oft im Mittelpunkt des Interesses, sie waren die landwirtschaftlich bedeutsamsten Tiere. Ein wichtiges Kriterium bei der Klassifizierung und Prämierung der Tiere war vielfach die Rasse. Sie wurde zentral für die Ordnung der Rinder auf den Schauen, sie wurde zentral für die Zucht der Rinder. Allein, in Deutschland gab es kein einheitliches Verständnis der verschiedenen Rassen und Schläge, es gab keine Festlegung ihrer Merkmale, es gab keine verbindlichen Rasse-Standards. Auch auf den verschiedenen Tierschauen und landwirtschaftlichen Ausstellungen fehlte es an Einheitlichkeit, in den Bewertungskriterien, in den Schauordnungen oder in den Veranstaltungszeiten. Das änderte sich mit den Ausstellungen der 1885 gegründeten Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (D.L.G.). Das Dissertationsprojekt zeichnet nach, wie sich die D.L.G. als Zusammenschluss der landwirtschaftlichen Elite an die Neustrukturierung des Ausstellungswesens machte und dabei insbesondere auf die Rinderzucht maßgeblichen Einfluss nehmen wollte. Über die Schauordnung und flankierende Maßnahmen wollte die D.L.G. verbindliche Rassestandards schaffen und letztendlich eine auch hierarchisch geprägte Rasse-Ordnung für die Rinder in Deutschland etablieren, so die These. Rassen sind somit weniger durch biologische Merkmale gekennzeichnet als durch menschliche Zuschreibungen konstruiert. Im sich etablierenden Zuchtsystem schuf die D.L.G. über ihre Ausstellungen einen Rahmen für die Rinderzucht, der, so die These weiter, nicht nur Auswirkungen auf die Existenz und Verbreitung von Rinderrassen hatte, sondern auch auf Mensch-Rind-Beziehungen. So nimmt das Projekt nicht zuletzt die mit der Rinderzucht verbundenen Akteure sowie die sozialen und kulturellen Phänomene in den Blick.

 

Zur Person:

Ulrike Heitholt ist nach einem Umweg über die Literaturwissenschaften und Medienwissenschaften schließlich doch in der Geschichte gelandet und hat zuletzt als Wissenschaftliche Mitarbeiterin im LOEWE-Projekt "Tier-Mensch-Gesellschaft" gearbeitet.