Bernhard Leuboldt

Kurzexposé zum Promotionsvorhaben von Bernhard Leubolt:

Transformation von Ungleichheitsregimes: Gleichheitsorientierte Politik in Brasilien und Südafrika

Die Arbeit widmet sich dem Thema soziale Ungleichheit und möglichen Strategien ihrer Bekämpfung. Im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen zwei Staaten, die einerseits zu den aufstrebenden Ländern der Semi-Peripherie zählen und andererseits über Regierungen verfügen, die sich der Reduktion sozialer Ungleichheiten explizit verschrieben haben: Brasilien und Südafrika.

Besonderes Augenmerk wird auf den relationalen Charakter der Ungleichheit gelegt. Daher gilt die Aufmerksamkeit nicht bloß der Armutsbekämpfung, sondern auch den Formen von Politik, die sich auf Reichtum und Herrschaftsverhältnisse beziehen. Auf Basis von Theorien zu Ungleichheit und gleichheitsorientierter Politik werden die zentralen Theorien vorgestellt: Strategisch-relationale Staatstheorie in der Nachfolge Gramscis und Poulantzas‘, Regulationstheorie und Zugänge zum peri-pheren Staat dienen als Grundlage für einen strategisch-relationalen Institutionalismus, der in der Arbeit herausgearbeitet wird. Die hier vorgestellten zentralen Analysekonzepte sind Konjunkturanalyse, Hegemonieprojekte, Ungleichheitsregime und Selektivitäten staatlicher Macht.

Brasilien gilt das Hauptaugenmerk der empirischen Betrachtung, da es bislang weniger intensiv im Hinblick auf die hier relevante Fragestellung beforscht wurde. Eine historische Analyse weist auf die weite Verbreitung der Sklaverei und ihre lange Dauer hin, die zur Etablierung informeller Herr-schaftsverhältnisse führte. Soziale Exklusion betraf große Gruppen der Bevölkerung, politische und soziale Inklusion wurde während des 20. Jahrhunderts aber nur wenigen Gruppen zugestanden. Als während der 1950er und 1960er Jahre gleichheitsorientierte Politik radikalisiert wurde, beendeten ein Militärputsch und eine zwanzigjährige Militärdiktatur diese Bestrebungen. Seit der Demokratisierung Mitte der 1980er Jahre wurden bis zur Wahl von Lula zum Präsidenten sowohl gleichheits- als auch ungleichheitsorientierte Impulse gesetzt: Während der Einfluss sozialer Bewegungen auf die Verfassungserstellung zur Universalisierung von Sozialpolitik und dem Ausbau von Armutsbekämpfung führte, konterkarierten neoliberale wirtschaftspolitische Reformen den gleichheitsorientierten Kurs. Nach dem Amtsantritt Lulas kam es zu einer schrittweisen und langsamen Abkehr vom Neoliberalismus und zu einer beträchtlichen Reduktion der Einkommensungleichheiten.

Danach wird die Entwicklung des südafrikanischen Ungleichheitsregimes betrachtet. Im Gegensatz zu Brasilien etablierte sich eine weitaus formellere ungleichheitsgenerierende Politik, die anhand ethni-scher und rassistischer Kriterien die afrikanische Bevölkerungsmehrheit diskriminierte. Zwischen 1948 und 1994 wurde diese Politik vom Apartheid-Regime radikalisiert. Dagegen formierte sich Widerstand, der vordergründig anti-rassistisch motiviert war, aber auch Klassen- und Geschlechterverhältnisse betraf. Nach der Demokratisierung 1994 etablierte sich mit dem ANC die wichtigste Wider-standsbewegung zur zentralen politischen Kraft, die die rassistischen gesetzlichen Bestimmungen beseitigte, aber dennoch wenig Erfolge in der Reduktion von Einkommensungleichheit erzielen konnte. Der Fokus gleichheitsorientierter Politik liegt in Südafrika besonders bei Affirmative Action Maßnahmen, die auf eine Besserstellung von früher benachteiligten Gruppen abzielen.

In den Schlussfolgerungen werden die Ergebnisse des empirischen Vergleichs mit Hilfe der eingangs dargestellten Theorien reflektiert. Besonders herausgearbeitet wird der historische Einfluss der Un-gleichheitsregimes sowie der dominanten politischen Projekte auf aktuelle Gleichheitsorientierung der sozial-reformistischen Regierungen.