wiedemer

ROCHUS WIEDEMER: Raus aus den Hinterhöfen – Wer baut die Moscheen? Moscheebauprojekte und die Entwicklung muslimischer Institutionen in Berlin seit 1974

Vor dem Hintergrund der zahlreichen Moscheebauprojekte unterschiedlicher Bauträger in Berlin untersucht meine Arbeit die Wechselbeziehung zwischen den institutionellen und den baulichen Strukturen der Muslime in Berlin mit zwei Thesen:
1. Der Institutionalisierungsprozess der Muslime ist noch nicht abgeschlossen. Die institutionellen Strukturen verändern sich. Zwischen den einzelnen Vereinen und Verbänden besteht noch immer eine Konkurrenz, vor allem um die nicht-organisierten Muslime.
2. Die baulichen Strukturen der Vereine und Verbände stellen in dieser Konkurrenzsituation eine wichtige Ressource dar. Sie beeinflussen deren Entwicklung, Erfolg und Bedeutung. Der Bau von Moscheen macht also nicht nur die institutionellen Strukturen der Muslime sichtbar, sondern verändert diese auch. In zwei Untersuchungsschritten lassen sich die Thesen überprüfen:
Im ersten Teil werden anhand der Geschichte einzelner Moscheevereine die institutionellen und baulichen Strukturen der Muslime begriffl ich entwickelt und einzelne Wechselbeziehungen aufgezeigt. Im zweiten Teil werden die baulichen Strukturen der Muslime anhand der in Berlin seit 1974 geplanten und realisierten Moscheebauprojekte untersucht, die zu Konflikten mit der Mehrheitsgesellschaft geführt haben und denen große Bedeutung für die langfristige Entwicklung muslimischer Institutionen in Berlin zukommt. Die Untersuchung versteht die Moscheebauprojekte nicht als Ausdruck der Bedürfnisse und Erwartungen aller Muslime, sondern fragt nach den Zielen, Motiven und Möglichkeiten der jeweiligen Initiatoren der Moscheebauprojekte. Über das Scheitern bzw. die Realisierung der Projekte hinaus klärt die Untersuchung inwiefern sich die Konfl ikte auf die Initiatoren, die institutionellen Strukturen der Muslime sowie auf den Entwurf, das Programm und den Standort späterer Moscheebauprojekte auswirken. Gegenwärtige Untersuchungen zu Moscheekonflikten erklären in Einzelfallstudien lediglich die Konfliktlinien innerhalb der Mehrheitsgesellschaft. Durch einen zusammenhängenden Vergleich einzelner Projekte bezogen auf den Institutionalisierungsprozess der Muslime kann die angestrebte Arbeit klären, inwiefern sich der Neubau einer Moschee auf die institutionellen Strukturen der Muslime auswirkt. Die Untersuchung liefert Einschätzungen darüber, ob eine Moschee von einem Verein mit einer festen Gemeindestruktur gebaut und genutzt wird und bereits bestehende institutionelle Strukturen sichtbar macht oder ob der Moscheebau eines Vereins in Konkurrenz zu anderen lokalen Vereinen steht. Somit gäbe es für zukünftige Moscheebauprojekte in Berlin und in anderen Großstädten eine differenziertere Diskussionsgrundlage für die Akteure und für die Öffentlichkeit.

ROCHUS WIEDEMER geboren 1972 in Stuttgart, Studium Architektur UdK Berlin, Diplom 2002 zu Berliner Moscheekonflikten, Mitarbeit in Planungs- und Architekturbüros in Berlin, Ausstellungsbeiträge für das Projekt „Schrumpfende Städte“, seit 2005 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU-Dresden, Fakultät Architektur, Seminare zur Visualisierung von Stadtstrukturen, seit 2007 Promotion zu Moscheebauprojekten in Berlin.

 

Veröffentlichungen: »z.B. Wolfen« in: Philipp Oswalt (Hg.): Schrumpfende Städte, Band 1, Internationale Untersuchung; Ostfildern-Ruit, 2004

 

»Beleuchtete Wiesen« in: Philipp Oswalt (Hg.): Schrumpfende Städte, Band 1, Internationale Untersuchung; Ostfildern- Ruit, 2004

zurück zu Forschung