zu Gast - Bahnhof Hauptzollamt

Prof. Claus Anderhalten  |  Dipl.-Ing. Lea Furbach 

Wien wird das Ziel unserer diesjährigen Exkursion; zu Gast sein Gegenstand unserer Untersuchungen vor Ort.
Zu Gast ist allgemein eine zum vorübergehenden Bleiben eingeladene oder willkommene Person, die beherbergt, bewirtet oder befördert wird.
Zu Gast sein bedeutet also Fremdsein; bedeutet auf Andere angewiesen sein.
Zu Gast sein kann aber auch bedeuten, zu explorieren; neues zu lernen.

Wie gestaltet sich also ein solches zu Gast sein im architektonischen Sinne? Öffentlicher Raum, Architekturen, Herbergen, Gastronomie, Universitäten in Wien: Wir werden zu Gast sein und diese Orte auf ihre Gast-Tauglichkeit untersuchen.
Wir gehen in diesem Semester der Frage nach wie diese Orte des Zu-Gast-Sein gesellschaftlich ausgestaltet und genutzt sind und wie sie in einem gegenwärtigen Kontext neu gedacht werden können.

Der Bahnhof Hauptzollamt in Wien wurde 1859 nach Plänen von Otto Wagner errichtet und im Rahmen der ersten Eisenbahnstrecke der Monarchie eröffnet. Trotz erheblicher Schäden durch Luftangriffe ihm Zweiten Weltkrieg wurde der Bahnhof erst in den 1960ern abgebrochen; Ersatz bot der Bahnhof Wien Mitte. Einziges Relikt des historischen Bahnhofs ist heute das Verwaltungsgebäude des Frachtenterminals in der Unteren Viaduktgasse. Das Bauwerk steht gegenwärtig leer und unter Denkmalschutz. Ziel des Entwurfsprojektes ist die Revitalisierung des Bestandes und des Grundstückes, sowie das sensible Integrieren von ergänzender Architektur in den bestehenden Kontext. Dieses Semester wird der letzte Zeitzeuge des Bahnhof Hauptzollamts im Entwurf zu neuem Leben erweckt: im Sinne des Wiener Vinzirast, soll ein integratives Konzept für ein Wohn- und Gästehaus ausgearbeitet
werden; ein Gasthaus für hungrige, müde oder interessierte Gäste; ein Wohnhaus für ehemals isolierte, wohnungslose oder geflüchtete Menschen, ein Ort an dem das Zu-Hause-Sein und das Zu-Gast-Sein fusionieren.

Bestandsaufnahmen

Bahnhof Hauptzollamt 
Der Bahnhof Hauptzollamt in Wien wurde von 1898 bis 1900 im Auftrag der Kaiserin Elisabeth-Bahn (heute Westbahn) erbaut und von dem bekannten österreichischen Architekten Otto Wagner entworfen. Der Bahnhof diente als ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt für den Güter- und Personenverkehr und war Teil des Wiener Stadtbahnnetzes, das von Wagner entworfen wurde.

 

Das Entstehungskonzept:

des Bahnhofs Hauptzollamt umfasste innovative architektonische Elemente und modernste Technik für die damalige Zeit. Wagner entwarf den Bahnhof im Stil des Jugendstils, der von organischen Formen, floralen Motiven und ornamentaler Gestaltung geprägt war. Der Bahnhof war aus Stahlbeton gefertigt und wies eine offene und lichtdurchflutete Gestaltung auf, mit großen Glasflächen und einer filigranen Dachkonstruktion Der Bahnhof Hauptzollamt war von mehreren benachbarten Gebäuden umgeben. Dazu gehörten die Markthallen, die von Wagner ebenfalls entworfen wurden und als Teil des Gesamtkonzepts der Wiener Stadtbahn dienten. Die Markthallen waren für den Verkauf von Obst, Gemüse und Fleisch vorgesehen und wurden als moderne, gut belüftete und gut beleuchtete Hallen gestaltet.

Es gab auch Verwaltungsgebäude in unmittelbarer Nähe des Bahnhofs Hauptzollamt, die für die Verwaltung und Organisation des Bahnhofs und der Markthallen genutzt wurden. Diese Gebäude waren typisch für den Jugendstil mit ihren dekorativen Fassaden, kunstvollen Details und innovativen architektonischen Elementen. Der Bahnhof Hauptzollamt war ein bedeutendes Bauwerk in der Entwicklung der modernen Architektur in Wien und ist heute als Teil des kulturellen Erbes der Stadt anerkannt. Obwohl der Bahnhof 2012 geschlossen wurde, bleibt sein architektonisches Erbe erhalten, und einige Teile des Gebäudes werden heute für andere Zwecke genutzt.

 

Funktion: 

Die Wiener Stadtbahn war ein Verkehrssystem für den Personen und Güterverkehr. Sie bestand aus mehreren Linien, die das Stadtzentrum von Wien mit den Vororten und den umliegenden Gebieten verbanden. Die Bahnhöfe waren wichtige Verkehrsknotenpunkte und dienten sowohl dem regionalen als auch dem überregionalen Verkehr. Niedergang und Erhalt: In den 1960er Jahren wurde der Betrieb der Wiener Stadtbahn eingestellt und durch moderne U-Bahn-Linien ersetzt. Ein Teil der Stadtbahnstrecken wurde abgerissen oder umgebaut, aber einige Bahnhöfe und Streckenabschnitte blieben erhalten und wurden unter Denkmalschutz gestellt. Heute sind sie ein wichtiger Teil des kulturellen Erbes von Wien und werden als historische Gebäude und Denkmäler geschätzt. Die Wiener Stadtbahn war ein bedeutsames Verkehrssystem und ein wichtiger Beitrag zur architektonischen und technischen Entwicklung Wiens im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert. Sie bleibt ein bemerkenswertes Beispiel für die Innovationen im öffentlichen Verkehr und der Architektur in dieser Zeit

 

Otto Wagner (1841-1918):

war ein österreichischer Architekt und einer der bekanntesten Vertreter des  Jugendstils und der Wiener Moderne. Er gilt als einer der prägenden Architekten seiner Zeit und hat das  Stadtbild von Wien nachhaltig geprägt.

 

Architektonischer Stil:
Wagner war ein Vorreiter des Jugendstils in Österreich und ein Wegbereiter der modernen Architektur. Er entwickelte einen eigenständigen Stil, der sich durch klare Linien, funktionale Ästhetik und den Einsatz moderner Materialien auszeichnete


Bedeutung für die Wiener Moderne:
Wagner war eine zentrale Figur in der Bewegung der Wiener Moderne, die Ende des 19. Jahrhunderts und zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Wien stattfand. Er war ein führender Vertreter der Architektenvereinigung "Secession" und setzte sich für die Erneuerung der architektonischen und künstlerischen Traditionen ein.


Bedeutende Bauwerke:
Wagner entwarf und realisierte zahlreiche Bauwerke in Wien, darunter öffentliche Gebäude, Wohnhäuser, Brücken und Bahnhöfe. Einige seiner bekanntesten Werke sind die Postsparkasse, die Kirche am Steinhof und die Wiener Stadtbahn, ein wegweisendes Verkehrsprojekt, bei dem er als Architekt und Gestalter der Bahnhöfe fungierte.


Innovatives Denken: 
Wagner war bekannt für sein innovatives Denken und seine avantgardistischen Ideen. Er war ein Vorreiter in der Verwendung von modernen Materialien wie Eisen, Glas und Beton in der Architektur und setzte sich für funktionale und ästhetische Reformen ein.


Einfluss auf die Architekturgeschichte: 
Otto Wagner hatte einen großen Einfluss auf die Entwicklung der Architekturgeschichte, nicht nur in Wien, sondern auch international. Seine Werke wurden als wegweisend und stilprägend angesehen und beeinflussten viele nachfolgende Architekten und Designer. Insgesamt war Otto Wagner ein visionärer Architekt und eine Schlüsselfigur der Wiener Moderne, der mit seinem innovativen Denken, seinem eigenständigen Stil und seiner künstlerischen Herangehensweise die Architekturgeschichte maßgeblich beeinflusst hat. Sein Erbe lebt bis heute fort und seine Bauwerke sind nach wie vor bedeutende architektonische Meisterwerke