Forschungsschwerpunkte
Die Forschungsschwerpunkte des Fachgebiets Bürgerliches Recht und Arbeitsrecht in der digitalen Gesellschaft liegen vor allem in den Bereichen Gleichstellung in der Privatwirtschaft, Wandel von Kollektivierungsprozessen in der Erwerbsarbeit sowie digitale Arbeit.
Der Forschungsschwerpunkt setzt an den Schnittstellen von Recht, Nachhaltigkeit und Gleichstellung an. Unter Berücksichtigung des Zusammenwirkens von Recht und Geschlechterverhältnissen, wie sie die Legal Gender Studies in den Blick nehmen, werden bestehende gesetzliche Rahmenbedingungen und Unternehmenskulturen u. a. zum Thema Arbeitszeit, Zugang zu Arbeitsmärkten und Entgeltgleichheit kritisch analysiert und Schutzlücken sowie Reformbedarfe aufgezeigt. Besonderes Augenmerk gilt dabei der effektiven Umsetzung der europäischen Entgelttransparenzrichtlinie durch den deutschen Gesetzgeber. Dazu entwickelt das Fachgebiet gemeinsam mit INES Analytics GmbH das digitale Tool Zert_Equal, das die Überprüfung der vorgesehenen Berichtspflichten für Unternehmen auf Richtigkeit und Vollständigkeit ermöglicht.
Gemeinsam mit Kolleg:innen der Kommission Arbeits-, Gleichstellungs- und Wirtschaftsrecht des Deutschen Juristinnenbundes haben Mitglieder des Fachgebietes zudem eine Konzeption für ein Gleichstellungsgesetz in der Privatwirtschaft entwickelt, die neben einem konkreten Gesetzesvorschlag auch praktische Handlungshinweise für Interessenvertreterinnen und Unternehmen enthält. Über regulierte Selbstregulierung sollen Unternehmen zur Entwicklung und Umsetzung wirkungsvoller Gleichstellungsstrategien verpflichtet werden.
In diesem Sinne sind auch die Sorgfaltspflichten der Lieferkettenregulierung auf die Sicherung geschlechtergerechter Lieferketten auszurichten. Die durch den europäischen Gesetzgeber angestoßene Nachhaltigkeitsregulierung zeigt bereits das Potential des Gesellschaftsrechts für soziale Belange wie die der Geschlechtergerechtigkeit. Weil Nachhaltigkeit und Geschlechtergerechtigkeit untrennbar miteinander verknüpft sind, müssen geschlechtergerechte Regulierungen des Unternehmensrechts mitgedacht und ausgeschöpft werden.
Die Restrukturierung der Arbeitsorganisation und Arbeitsbeziehungen sowie die damit einhergehende zeitliche sowie örtliche Mobilität stellen die Gewerkschaften und betrieblichen Interessensvertretungen vor neue Herausforderungen. Dabei wird Flexibilität oft einseitig arbeitgeber:innenseitig bestimmt, so dass es einer starken Arbeitnehmer:innenvertretung bedarf.
Die Herausforderungen zeigen sich in extremer Form in der Plattformarbeit. Sie ist geprägt von hoher Personalfluktuation, Grenzüberschreitung sowie ortsungebundener Tätigkeit. Hiermit einher geht auch das Problem der Vereinzelung von Arbeitnehmer:innen: Anonymisierung, fehlende Kenntnis von den eigenen Rechten und mangelnde Kontinuität erschweren nicht selten die Herausbildung gemeinsamer Interessen und das Organisieren in den klassischen Repräsentationsformen wie der Gewerkschafts- oder Betriebsratsarbeit. Als Reaktion auf die neue arbeitsrechtliche Wirklichkeit scheinen sich jedoch neue Formen der Interessensvertretung und „digitaler Solidarität“ zu entwickeln. Beispielhaft ist das Gorillas Workers Collective zu nennen, das gewerkschaftsunabhängig Arbeitskämpfe von Kurierfahrer:innen organisiert und damit die Debatte über die Voraussetzungen des Streikrechts in Deutschland neu entfacht.
Gewerkschaften suchen daneben zunehmend neue Wege, um die transnationale Beschäftigungsrealität mitzugestalten. Neue Aufgaben für Gewerkschaften scheint auch der Gesetzgeber, beispielsweise mit der besonderen Prozessstandschaft im Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz oder in der Entgelttransparenzrichtlinie, vorzusehen.
Die Digitalisierung hat die Art und Weise des Arbeitens grundlegend verändert. Für Unternehmen und Beschäftigte sind damit neue Möglichkeiten und Gestaltungsräume der Arbeitsorganisation entstanden. Paradigmatisch dafür ist die sog. Plattformarbeit, bei der die Arbeit über Plattformen koordiniert wird.
Aber auch innerhalb von Betrieben verändern sich Arbeitsprozesse. Sie werden agiler und mobiler, was sich etwa an der Arbeit im Homeoffice zeigt. Die digitale Transformation kann aber auch zu Belastungen beispielsweise durch Arbeitsverdichtung und Flexibilisierungsdruck führen. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz und die Veränderung von Beschäftigungsverhältnissen stellen bewährte Rechtsschutzkonzepte in Frage und führen zu neuen rechtlichen Fragestellungen insbesondere in Bezug auf den Diskriminierungs- und Datenschutz.
All dies erfordert eine kritische Auseinandersetzung mit der Rechtslage und neuen Regulierungsvorhaben wie etwa der Plattformrichtlinie oder der KI-Verordnung. Auch die Effektivität der betrieblichen Mitbestimmung und die Rolle der Gewerkschaften müssen vor dem Hintergrund der digitalen Transformation gesichert werden, damit die Bedingungen für gute digitale Arbeit von den Beschäftigten selbst mitgestaltet werden können.
In der zusammen mit Dr. Ernesto Klengel, wissenschaftlicher Geschäftsführer des HSI, neu gegründeten Zeitschrift für Digitales Arbeits- und Sozialrecht, kurz DIAS, bietet das Fachgebiet von Prof. Dr. Isabell Hensel ein Diskussionsforum für solche auch fachübergreifenden Debatten um digitale Arbeit.