Einzelzellanalyse in neuronalen Netzwerken
Meine Forschungsgruppe „Einzelzellanalyse in neuronalen Netzwerken" gehört zum Graduiertenkolleg "Uhren" an der Universität Kassel. Wir arbeiten an einem breiten Spektrum von Projekten, die von der analytischen Chemie über die Entomologie bis hin zu den Neurowissenschaften und der Neuroethologie reichen. Dabei konzentrieren wir uns auf zwei Klassen von Botenmolekülen: Neuropeptide und biogene Amine. Beide neuroaktiven Substanzklassen werden von Neuronen freigesetzt und spielen eine Schlüsselrolle in der Zell-Zell-Kommunikation in neuronalen Netzwerken. Ihr Vorkommen, ihre strukturelle Vielfalt und ihre räumliche Lokalisation im Nervensystem spiegeln ihren Einfluss auf eine Vielzahl von physiologischen Prozessen, neuronalen Dysfunktionen und Verhaltensmustern wider. Um grundsätzliche Fragen zu ihrer Funktion in komplexen neuronalen Schaltkreisen zu untersuchen, stehen geeignete Methoden und Arbeitsabläufe zur präzisen Bestimmung und Quantifizierung dieser neuroaktiven Substanzen in Geweben, Organen, Zellpopulationen bis hin zur zellulären und subzellulären Ebene zur Verfügung und es werden ständig neue Toolsets entwickelt und optimiert. Die Forschung unserer Gruppe umfasst drei Forschungslinien:
1. Neuropeptidomics bis auf Einzelzellebene
Neuropeptidomics bezeichnet die Messung und Identifizierung der Neuropeptidzusammensetzung aus einer einzelnen Zelle, definierten Gewebeproben und Extrakten aus dem Gehirn oder neuronalem Gewebe. Offensichtlich hat die Peptidcharakterisierung eine viel längere Geschichte, aber die Fähigkeit, Listen von Hunderten von Neuropeptiden und Peptidvorläuferprodukten aus einem Gewebe oder einer einzelnen Zellprobe zu generieren, charakterisiert die neue Generation der Peptididentifikation. In unserem Team verwenden wir Omics-Methoden der nächsten Generation, die hauptsächlich auf hochauflösender Massenspektrometrie und Ultra-Performance-Flüssigkeitschromatographie gekoppelt mit Elektrospray-Ionisation basieren, um die Detektion und Quantifizierung von Neuropeptiden in ultrahoher Sensitivität von Gewebeextrakten bis hin zur Einzelzellebene zu ermöglichen, sowie auf transkriptioneller Ebene unter Verwendung von Einzelzelltranskriptomik, um das Genexpressionsniveau bestimmter GPCR- und Neuropeptid-kodierender Gene einzelner Zellen zu untersuchen. Die fortschrittlichen neuroanalytischen Werkzeuge erlauben es mir, (A) die peptiderge Ausstattung eines Organismus so vollständig wie möglich zu studieren; (B) differentielle Expressionsereignisse des Genoms zu analysieren, die die molekularen Prozesse einer Zelle beeinflussen; (C) differentielle Peptidprozessierungsereignisse innerhalb eines neuronalen Gewebes oder einer Zellpopulation aufzudecken; (D) neuroaktive Substanzen auf Einzelzellebene zu kartieren; (E) Zellheterogenität sowie (F) Ko-Lokalisationen von Signalmolekülen zu untersuchen, die von verschiedenen Genen kodiert werden. Konkrete Fragestellungen sind, welche Moleküle in bestimmten Zellen, Zellpopulationen, Geweben, Organen und Netzwerken vorhanden sind, wie sie sich verhaltens- oder medikamentenabhängig verändern und welche Funktion sie haben.
2. Physiologie von Fütterung und Schlaf in Drosophila melanogaster auf zirkadianem Timing und auf Reaktionen auf Umweltstress auf Einzelzellebene.
Die tagaktive adulte Fruchtfliege Drosophila melanogaster weist zirkadiane und ultradiane Rhythmen von Ruhe (Schlaf) und Aktivität (Fortbewegung und Fütterung) auf, mit Aktivitätsspitzen in der Abend- und Morgendämmerung. Neuropeptide und biogene Amine spielen eine Schlüsselrolle bei der zeitlichen Steuerung der Zell-Zell-Kommunikation in neuronalen Netzwerken, die z.B. Fütterung und Schlaf regulieren. Ein gewisses Gleichgewicht zwischen zirkadianen und ultradianen Rhythmen von Ruhe (Schlaf) und Aktivität, die durch Neuropeptide und biogene Amine koordiniert werden, ist wichtig für die Verfeinerung der Gehirnschaltungen. Anstatt sich hauptsächlich auf genetische Techniken zu stützen, nähern wir uns dieser Forschungsfrage mit einem anderen biochemischen Werkzeugsatz. Um neue Erkenntnisse über die Rolle von Neuropeptiden und biogenen Aminen bei der Kontrolle von Fütterungs- und Schlafverhalten zu gewinnen, konzentrieren wir unsere Forschung auf die bioanalytische Analyse einzelner Neuronen. Dies beinhaltet die Identifizierung von Freisetzungsstellen unter Verwendung verschiedener MS -basierter Werkzeuge, um die Menge der verarbeiteten und/oder gespeicherten Signalmoleküle aufzudecken, einschließlich Sequenz- und Strukturanalyse, posttranslationale Peptidmodifikationen, Ko-Lokalisationen und differentielle Verarbeitungsereignisse innerhalb einzelner Neuronen. Neben der Analyse der qualitativen Signalgebung konzentriert sich unsere Forschung auch auf die quantitative Auswertung dieser Moleküle auf Einzelzellebene. Unsere neuen neurochemischen Erkenntnisse aus Einzelzellstudien in Fliegen und deren Regulation durch endogene Rhythmen und Umweltstress werden dazu beitragen, die zellulären und molekularen Mechanismen von Ruhe und Aktivität auch bei Wirbeltieren zu verstehen und damit die Entwicklung pharmakologischer Behandlungen zu unterstützen.
3. Einzelzellanalyse: Entwicklung und Optimierung von massenspektrometriebasierten Werkzeugen für die neurowissenschaftliche Forschung
Ein Neuron kann sowohl Neuropeptide als auch klassische Neurotransmitter (z.B. biogene Amine) enthalten. Neuropeptid-Profiling mittels MALDI-TOF MS aus einzelnen Zellen ist mittlerweile ein beliebtes eingesetztes Werkzeug in der Neurobiologie, die Analyse biogener Amine aus einzelnen Zellen mit MS-basierten Werkzeugen, insbesondere mit MALDI-TOF MS, ist jedoch erst der Anfang. Biogene Amine sind Desaminationsprodukte von Aminosäuren und wurden mit vielen physiologischen und verhaltensbezogenen Prozessen in Verbindung gebracht. Um die funktionelle Rolle von Aminen in neuronalen Schaltkreisen genauer zu verstehen, ist der Bedarf an Methodenentwicklung und -optimierung offensichtlich, um neue neurochemische Einblicke in neuronale Schaltkreise, physiologische Prozesse und Verhaltensmuster von Organismen zu erhalten. Die ständig wachsenden Anforderungen in der neurowissenschaftlichen Forschung, volumenbegrenzte Proben wie Einzelzellen oder subzelluläre Bereiche möglichst vollständig zu messen, erfordern die kontinuierliche Entwicklung neuartiger Ansätze mit höherem Durchsatz und größerer Sensitivität. Daher habe ich mich in meiner Forschung auf die Entwicklung und Optimierung MS-basierter Strategien konzentriert, hauptsächlich auf Matrix-assisted Laser Desorption/Ionization (MALDI) Time-of-Flight (TOF) MS und Probenvorbereitungsprotokolle, die die Identifizierung, Quantifizierung und die Analyse der Auswertung von koexistierenden Ereignissen von Neuropeptiden und biogenen Aminen aus einzelnen Insektenneuronen, einschließlich ihrer Freisetzungsstellen, ermöglichen. Insbesondere fehlen noch Messungen von neuronalen Freisetzungsstellen innerhalb neuronaler Schaltkreise. Mit der bildgebenden Massenspektrometrie, einem Werkzeug zur Untersuchung der räumlichen Verteilung der interessierenden Moleküle im gesamten Gewebeschnitt, haben wir den großen Vorteil, die Verteilung neuroaktiver Substanzen nicht nur am Soma, sondern auch im Axon und an der Freisetzungsstelle zu untersuchen.
Während die Technologie und die Ansätze anhand von Insektenmodellsystemen entwickelt wurden, ist der technologische Fortschritt, der sich aus unserer Forschung ergibt, weithin anwendbar für die groß angelegte Analyse von Peptiden und biogenen Aminen in vielen biologischen Systemen, einschließlich denen von Säugetieren und Menschen, um zelluläre und molekulare Prozesse in der Embryogenese, Regeneration und der Organisation neuronaler Netzwerke zu verstehen. Das Verständnis der Rolle einzelner Zellen in der Ätiologie und Entwicklung von Krankheiten kann für die Entwicklung von pharmakologischen Behandlungen für eine Vielzahl von Krankheiten, einschließlich Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, psychische Erkrankungen, Schlaganfall und Krebs, wesentlich sein.
PD Dr. Susanne Neupert
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