Funktionale dünne Schichten & Physik mit Synchrotonstrahlung

Ionenbeschuss induzierte magnetische Modifikationen von magnetischen Dünnschichten:

Magnetische Dünnschichtsysteme sind die Basis für magnetische Speichertechnik oder für Sensoren, molekulare Wagen oder für den magnetischen Partikelantrieb in Lab-on-a-Chip-Geräten. Der Licht-Ionen-Beschuss von magnetischen Dünnschichten wurde von der Ehresmann-Gruppe zu einem vielseitigen Werkzeug entwickelt, um die magnetischen Eigenschaften von Schichten und Schichtsystemen maßzuschneidern und - entweder durch Ionenstrahl-Schreiben oder in Kombination mit Lithographie - nahezu beliebige künstliche Domänenstrukturen mit zugehörigen Magnetfeldlandschaften zu erzeugen. Im Berichtszeitraum konnten wir erstmals die Möglichkeit zeigen, komplexe zweidimensionale in-plane magnetisierte Domänenmuster in Exchange-Bias-Schichtsystemen zu erzeugen [1] und wir haben erstmals ein He+-Ionenmikroskop zum Domänen-Schreiben mit He+-Ionen eingesetzt [4]. Weitere Experimente und theoretische Überlegungen zum Einfluss des Licht-Ionen-Beschusses auf magnetische Dünnschichten konnten zeigen, dass nicht nur die magnetische Anisotropie durch die Ionen verändert wird, sondern auch die Sättigungsmagnetisierung und wir beobachteten eine Quellung der Dünnschichten [2]. Außerdem konnte gezeigt werden, dass die Ionen nicht alle Anisotropen in gleicher Weise beeinflussen, sondern dass die rotatorische magnetische Anisotropie in den untersuchten polykristallinen Schichtsystemen am stärksten betroffen ist, ein eher überraschendes Ergebnis [3].

Abbildung 1: Unterschiedliche Domänenbilder, die durch Licht-Ionen-Beschuss auf polykristallinen, austauschvorgespannten Dünnschichten erzeugt werden. Visualisiert mittels Kerr-Mikroskopie bei verschiedenen äußeren Magnetfeldern. [5]

Transportstrategien von magnetischen Kolloiden über konstruierte Magnetfeld-Landschaften:

Konstruierte magnetische Domänen bieten gestaltete Streufeld-Landschaften, die als definierte Positionierungsorte für magnetisches Material wie kolloidale Partikel dienen. Durch Überlagerung mit externen Magnetfeldimpulsen sub-mT kann die magnetische potentielle Energielandschaft der Partikel dynamisch umgeformt werden. Dies ermöglicht einen gerichteten Transport der Partikel in einer flüssigen Umgebung in einer [6], zwei [7] oder sogar drei [8] Dimensionen. Abhängig von der Größe und dem Steigungsgrad der Streufeld-Landschaft über dem magnetisch strukturierten Exchange-Bias-Substrat, der Stärke und Frequenz des externen Magnetfeldes sowie den magnetischen und elektrostatischen Eigenschaften der Partikel und des umgebenden Fluids kann nicht nur die Transportrichtung, sondern auch die Geschwindigkeit der Partikel angepasst werden. Die Arbeitsgruppe von Prof. Arno Ehresmann hat sich intensiv mit der theoretischen Analyse verschiedener Transportstrategien [6,9] sowie deren Einsatz in konkreten Anwendungen beschäftigt, wie z. B. dem Transfer von biofunktionalisierten Partikeln durch physiologische Medien für zukünftige medizinische Analysesysteme am Point-of-Care oder der Herstellung von schaltbaren optischen Gittersystemen [10].

Abbildung 2: Numerische Simulation der magnetischen potentiellen Energielandschaft eines superparamagnetischen kugelförmigen Teilchens über einem parallelen, magnetstreifenartig gemusterten Austausch-Bias-Substrat in Abhängigkeit von den angelegten äußeren Magnetfeldern Hx und Hz. [6]

Design von dreidimensionalen kolloidalen magnetischen Strukturen:

Funktionsfähige magnetische Partikeln mit variablen Magnet- und Oberflächeneigenschaften sowie Formen sind ein vielversprechendes Werkzeug für den Transport von Gütern in flüssigen Umgebungen. Aufgrund ihrer einzigartigen Eigenschaften kann der Transport der multifunktionalen Partikeln auf ein spezifisches Ziel ausgerichtet werden, was sie besonders für biomedizinische Anwendungen geeignet macht. In Zusammenarbeit mit der Gruppe von Prof. Hartmut Hillmer (INA) haben sich Herstellungsmethoden auf Basis der Nano-Imprint-Lithographie als erfolgreiches Werkzeug erwiesen, um Partikel mit beliebigen Formen herzustellen. Durch das Einbringen von magnetischem Material in die Partikel oder die nachträgliche Beschichtung mit einem Austausch-Bias-Schichtsystem können die magnetischen Eigenschaften gezielt eingestellt werden [11]. Darüber hinaus beschäftigte sich die Gruppe von Prof. Arno Ehresmann mit der Herstellung von kugelförmigen Janus-Partikeln, die eine chemisch funktionalisierbare Siliziumdioxidkugel und eine magnetische Kappe aus einem Austausch-Bias-Schichtsystem aufweisen. Die theoretische Beschreibung, Charakterisierung, Anordnung sowie das Transportverhalten über magnetischen Streufeld-Landschaften beider Partikeltypen war einer der Hauptforschungsschwerpunkte der letzten Jahre.

Abbildung 3: Raster-Elektronenmikroskopische Aufnahmen von quaderförmigen (a) und dreieckförmigen (b) magnetischen Partikeln, die durch Nanoimprint-Lithographie hergestellt wurden, sowie von magnetischen Janus-Partikeln (c).

Referenzen

[1] Gaul et al. (2016): A. Gaul, S. Hankemeier, D. Holzinger, N.D. Müglich, P. Staeck, R. Frömter, H.P. Oepen, A. Ehresmann, J. Appl. Phys. 120, 033902 (2016)

[2] Huckfeldt et al. (2017): H. Huckfeldt, A. Gaul, N. D. Müglich, D. Holzinger, D. Nissen, M. Albrecht, D. Emmrich, A. Beyer, A. Gölzhäuser, A. Ehresmann, J. Phys.: Condens. Matter 29 (2017)

[3] Müglich et al. (2018): N. D. Müglich, M. Merkel, A. Gaul, M. Meyl, G. Götz, G. Reiss, T. Kuschel, A. Ehresmann, New J. Phys. 20 (2018)

[4] Gaul et al. (2018): A. Gaul, D. Emmrich, T. Ueltzhöffer, H. Huckfeldt, H. Doğanay, J. Hackl, M. Imtiaz Khan, D.M. Gottlob, G. Hartmann, A. Beyer, D. Holzinger, S. Nemšák, C.M. Schneider, A. Gölzhäuser, G. Reiss, A. Ehresmann, Beilstein J. Nanotechnol. 9 (2018)

[5] Gaul (2017): A. Gaul, Dissertation – Universität Kassel (2017)

[6] Holzinger et al. (2015): D. Holzinger, I. Koch, S. Burgard, A. Ehresmann, ACS Nano 9 (2015)

[7] Urbaniak et al. (2018): M. Urbaniak, D. Holzinger, A. Ehresmann, F. Stobiecki, Biomicrofluidics 12 (2018)

[8] Ueltzhöffer et al. (2016): T. Ueltzhöffer, R. Streubel, I. Koch, D. Holzinger, D. Makarov, O.G.
Schmidt, A. Ehresmann, ACS Nano 10 (2016)

[9] Loehr et al. (2018): J. Loehr, D. de las Heras, A. Jarosz, M. Urbaniak, F. Stobiecki, A.
Tomita, R. Huhnstock, I. Koch, A. Ehresmann, D. Holzinger, T.M. Fischer, Comm. Phys. 1 (2018)

[10] Koch et al. (2018): I. Koch, T. Granath, S. Hess, T. Ueltzhöffer, S. Deumel, C. I. Jauregui Caballero, A. Ehresmann, D. Holzinger, K. Mandel, Advanced Optical Materials 6 (2018)

[11] Ha et al. (2018): Ha, U.-M., Kaban, B., Tomita, A.-I., Krekic, K., Klintuch, D., Pietschnig, R., Ehresmann, A., Holzinger, D., Hillmer, H., Applied Nanoscience, 1– (2018)


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