Kassel-Halle-Interpretationswerkstatt

Programm der Kassel-Halle-Interpretationswerkstatt
(eine Aktualisierung, November 2020)

Friederike Heinzel (Universität Kassel), Rolf-Torsten Kramer (Universität Halle)
und Hedda Bennewitz (Universität Kassel)

Die Kassel-Halle-Interpretationswerkstatt versteht sich als Instrument der Förderung von Wissenschaftler*innen in Qualifikationsphasen im Bereich qualitativer Forschungsmethoden. Sie stellt einen festen Interpretationszusammenhang für regelmäßige gemeinsame Materialinterpretationen, für Anfragen an qualitativ-interpretative Forschungszugänge und für methodologische Diskussionen bereit. Primär richtet sich diese Interpretationswerkstatt damit an Personen der Forschungs- und Qualifikationsprojekte, die an den Arbeitsbereichen von Hedda Bennewitz, Friederike Heinzel und Rolf-Torsten Kramer angesiedelt sind. Sie ist jedoch in Grenzen auch offen für Beteiligungen von außen.

Die Interpretationswerkstatt verfolgt folgende Ziele:

1. Die Absicherung von qualitativen Interpretationen durch das Korrektiv der Gruppe. Die meisten interpretativen Methoden der qualitativen Sozialforschung stimmen darin überein, dass zur Überwindung einer Engführung durch die eigene Perspektive – die individuell-biographische Standortgebundenheit – die gemeinsame Fallauswertung in der Gruppe erforderlich ist.

2. Die Möglichkeit der praktischen Einarbeitung in Interpretationsverfahren.Auch hier stimmen die meisten Interpretationsverfahren darin überein, dass die Aneignung eines interpretativen Analysezugangs nur sehr begrenzt rein theoretisch erfolgen kann, sondern im Sinn einer Kunstlehre im praktischen Vollzug und unterstützt durch eine Teilnahme von eingearbeiteten Interpreten (als Einsozialisation) erfolgen muss.

3. Die Möglichkeit übergreifender methodologischer Diskussionen.Die überreifende Diskussion, Kritik oder auch der kontrastierende Vergleich verschiedener Interpretationsverfahren (z. B. zum Verhältnis einzelner Methoden zueinander oder zu Triangulationsmöglichkeiten) erfordert einen eigenen Raum. Dazu sollen bei Bedarf Termine der Interpretationswerkstatt – z. B. 1 x pro Semester – ausdrücklich reserviert werden.

Die kompetente und sachgerechte Anwendung von Forschungsmethoden in der gemeinsamen Interpretationsarbeit setzt – besonders im Sinne einer sozialisatorischen Einführung von Wissenschaftler*innen zu Beginn ihrer Karriere – eine methodisch-methodologische Expertise in der entsprechenden Interpretationsmethode voraus. Diese ist bei den tragenden Hochschullehrer*innen der Interpretationswerkstatt für einen relevanten Ausschnitt aus dem Spektrum qualitativer Forschungsmethoden (Tiefenhermeneutik, Objektive Hermeneutik, dokumentarische Methode, narrationsstrukturelle Analyse, Ethnographie, sequenzanalytische Habitusrekonstruktion) gegeben. Diese Expertise wird ergänzt durch die methodischen Fähigkeiten und Kenntnisse der Teilnehmer*innen der Interpretationssitzungen. Zugleich sind wir uns aber unserer Grenzen auch bewusst und nehmen nicht in Anspruch, über die genannten Zugänge hinaus in gleicher Weise auch in weiteren forschungsmethodischen Zugängen beraten oder sozialisatorisch einführen zu können. Auch wenn eine Auseinandersetzung mit anderen Zugängen möglich ist, wäre diese Einschränkung zu reflektieren. Es besteht auch die Möglichkeit, punktuell und zur Absicherung der Geltung der Interpretation zusätzlich ausgewiesene Expert*innen einzubeziehen.

Um diese Ziele zu verfolgen, sind an die Konstitution der Interpretationswerkstatt bestimmte Bedingungen geknüpft:

Eine möglichst regelmäßige Teilnahme an den Interpretationssitzungen zur Etablierung einer funktionierenden Interpretationsgruppe.
Eine Gruppengröße von 10 bis 15 Personen.
Eine eigene qualitativ ausgerichtete Forschungspraxis im Rahmen des Qualifikationsvorhabens sollte gegeben oder mindestens angestrebt sein.
Die Bereitschaft, eigenes Material aus der Qualifikationsarbeit und entsprechend der dort verfolgten Fragestellung in die Interpretationswerkstatt einzubringen.Die Bereitschaft, über fertig gestellte Interpretationen und deren eventuelle Veröffentlichung zu informieren, sofern diese sich auch auf gemeinsame Analysen in der Interpretationswerkstatt beziehen.

Für die Sicherung des Ablaufes wird die Terminplanung und die Belegung der einzelnen Termine zentral und jeweils wechselnd an beiden Standorten koordiniert. Dazu ist ein Rotationsmodell vorgesehen, mit dem zu den aktuell 3 Terminen im Jahr jeweils abwechselnd ein Arbeitsbereich eines der tragenden Hochschullehrer*innen die logistische Abstimmung übernimmt. Wünsche nach Terminen und zum Vorgehen sind von den Teilnehmer*innen mit dieser Koordination möglichst langfristig abzustimmen. Die Einbringer*innen von Material (also die jeweils „aktive“ Teilnehmer*in) können in diesen Abstimmungen eigene Akzente setzen und Interessen und Wünsche artikulieren. Sie können z. B. deutlich machen, ob sie lieber Material interpretieren, die Konzeption ihrer Qualifikationsvorhaben besprechen oder eine methodologische Debatte führen wollen. Entsprechendes Material, Kurzpräsentationen oder Inputs sind mit Hinweis auf die Ausrichtung des Treffens jeweils eine Woche im Voraus mit der Einladung an alle Teilnehmer zu versenden. Die Einladung und Versendung übernimmt die zentrale Koordination in Kassel oder in Halle. Damit das oft mit Erfordernissen des Datenschutzes empfindliche Datenmaterial nicht unkontrolliert gestreut wird, ist als Modus zunächst eine verbindliche Anmeldung zur Kassel-Halle-Interpretationswerkstatt vorgesehen, sodass dann das Material spätestens eine Woche vor dem Termin von den Veranstaltern nur an die angemeldeten Teilnehmer*innen versendet werden kann.

Die Materialeinbringenden sorgen selbstständig für die Möglichkeit einer technischen Aufzeichnung der Interpretation. Sie können die anderen Teilnehmer*innen für die gemeinsame Interpretation und Diskussion zusätzlich durch ein kleines Sortiment von Gesundem und/oder Süßem motivieren. Für Kaffee, Tee und Getränke sorgen jeweils wechselnd die austragenden Standorte.

Für die einzelnen Sitzungen der Interpretationswerkstatt ist dann je nach verabredetem Vorgehen zu Beginn mehr oder weniger explizit auf die Anlage und die Fragestellungen des Qualifikationsvorhabens einzugehen. Außerdem gibt es je nach Bedarf einen kurzen Input in Bezug auf die dann anzuwendende Interpretationsmethode, bevor dann der Einstieg in das Material oder die Diskussion erfolgt.

Halle & Kassel, im November 2020

gez. Friederike Heinzel, Rolf-Torsten Kramer & Hedda Bennewitz