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Telefonbeziehungen. Das Telefonieren als medialisierte Form intimer Kommunikation des 20. Jahrhunderts

Historische Aufnahme, Paar telefoniert, "es bleibt dabei, wir treffen uns Sonntag", ca. 1915 – imageBROKER / Alamy Stock Foto, Fotograf: Rosseforp, Aufnahmedatum: 15 Dezember 2008.

Dr. Clelia Caruso

Die Markteinführung des Telefons in zahlreichen Industrieländern zum Ende des 19. Jahrhunderts fiel zusammen mit der Wahrnehmung einer Kommunikationskrise. Die Krisenwahrnehmung bezog sich im Besonderen auf intime Kommunikation. Diese wurde vorgestellt als eine spezielle Form interpersoneller Kommunikation, die von großer persönlicher Nähe und Vertrautheit zwischen den Kommunikationspartnern bestimmt war. Industrialisierung, Urbanisierung und Migration schienen intime Kommunikation in hohem Maße zu behindern und so persönliche Bindungen zu gefährden. Neuartigen Praktiken medialisierter intimer Kommunikation, vor allem dem Telefonieren, das persönliche Nähe über die Distanz suggerierte, wurde nun das Potenzial beziehungssichernder Gefühlspraktiken zugeschrieben. Intimitätserwartungen erstreckten sich aber auch auf nicht persönliche Telefonkommunikation. Generell schien gerade diese neuartige intime Distanzkommunikation ‚echte‘ persönliche Nähe auch gefährden zu können, mit potenziell negativen Auswirkungen für persönliche Bindungen. Die Wahrnehmung einer Krise intimer Kommunikation ging also einher mit einem grundsätzlichen Wandel im Stellenwert medialisierter intimer Kommunikation.

Entsprechende Repräsentationen, die das Telefon als Medium intimer oder intimisierter Kommunikation reflektieren, kamen in einigen westlichen Gesellschaften schon zum Ende des 19. Jahrhunderts auf. Sie begleiteten die Etablierung und weitere Verbreitung der Praxis des Telefonierens den größten Teil des 20. Jahrhunderts hindurch. Mit den 1980er Jahren schließlich kann das Telefon als Medium intimer Kommunikation als etabliert gelten vor allem in jenen Ländern, in denen es früh eingeführt wurde, wie etwa in Westdeutschland und den USA. In beiden Ländern war zeitnah zur Einführung des Telefons eine medienbasierte Massenkultur entstanden. Beide Gesellschaften entwickelten sich zu Mediengesellschaften, die sich durch transnationale Verflechtungen im Bereich von Technologieentwicklung und medialen Strukturen sowie den Transfer von Medieninhalten auszeichnete. Dies ermöglichte eine frühe und anhaltende transnationale massenmediale Repräsentation, die langfristig die Veralltäglichung des Telefonierens als Form intimer Kommunikation bewirkte.

Das Projekt fokussiert nun auf massenmedialen Repräsentationen des Telefonierens als Form intimer Kommunikation in den USA und (West-)Deutschland von den 1890er Jahren bis in die 1980er Jahre. Die USA und (West-)Deutschland werden dabei als Vergleichsfälle und zentrale Schauplätze einer transatlantisch verflochtenen Mediengeschichte gesetzt. Das Projekt fragt aus kommunikations- und emotionshistorischer Perspektive erstens danach, wie sich Vorstellungen vom Telefonieren als intimer und intimisierender kommunikativer Praxis entwickelt und etabliert haben. Zweitens untersucht es die Möglichkeit eines damit einhergehenden fortgesetzten Wandels des Stellenwertes von medialisierter intimer Kommunikation. Drittens nimmt es Auswirkungen dieses Prozesses auf Vorstellungen zu Formen und Bedeutung von intimer Kommunikation allgemein, auch von Anwesenheitskommunikation, in den Blick und fragt also viertens letztlich danach, wie sich die Veralltäglichung des Telefonierens als Form intimer Kommunikation im Verlauf des 20. Jahrhunderts auf verbreitete Konzeptionen von Intimität ausgewirkt hat.