Soziologische Theorie

Profil des Fachgebiets

Das Fachgebiet Soziologische Theorie widmet sich der kritischen Diskussion, Weitergabe und Weiterentwicklung des breiten sozial- und gesellschaftstheoretischen Inventars der Fachdisziplin. Dabei folgt es der Überzeugung, dass ein soziologischer Theoriediskurs, der sich auf das Wechselspiel verschiedener Schulen und Paradigmen beschränkt, zu kurz greift. Vielmehr wird dieser Diskurs an aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen sowie an die Untersuchung sozialer Prozesse ihrer kollektiven und individuellen Bearbeitung rückgebunden und durch die Beteiligung an universitären Forschungszusammenhängen empirisch geerdet. Im Sinne der starken Innovations- und Transferorientierung der Universität Kassel soll die Weiterentwicklung sozialwissenschaftlicher Begriffe und Theorien als Denkwerkzeuge mit der Reflexion von Gestaltungschancen sowie der Erarbeitung neuer Lösungsansätze für gesellschaftliche Probleme auf unterschiedlichen sozialen Handlungsebenen verzahnt werden. Zu den gesellschaftlichen Herausforderungen, auf die im Fachgebiet Soziologische Theorie ein besonderes Augenmerk gelegt wird, gehören unter anderem Fragen der post-digitalen Lebensführung, der Nachhaltigkeit, der globalen Gerechtigkeit, der Digitalisierung und der Demokratie.

Aktuelles

Post-Digital Life-Politics

Mit dem Themenschwerpunkt Post-Digital Life-Politics verbindet das Fachgebiet Soziologische Theorie Fragen an der Schnittstelle von Digitalität, Sozialität und Nachhaltigkeit. Post-Digitalität bezeichnet dabei einen Zustand, an dem Digitalität und Sozialität so weit miteinander verwachsen, dass sie schwer als unterscheidbare Sphären zu trennen sind. Daraus entstehen neue Fragen für Politiken der Lebensführung und der Möglichkeiten von alternativen Praktiken und ihrer Strukturierung (angelehnt an A. Giddens' Konzept der life politics). Das Programm baut auf anthropologischen und neo-pragmatischen Theorien der zeitgenössischen französchen Philosophie auf (u.a. L. Boltanski und L. Thévenot: Über die Rechtfertigung, B. Latour: Existenzweisen, P. Descola: Jenseits von Natur und Kultur). Aus einer (politisch)-ontologischen und praxistheoretischen Perspektive wird die Frage nach alternativen Lebensformen und Kosmologien gestellt. Diese können oder sollen jenseits eines produktivistischen Naturalismus (Stichtwort: moderne Industriegesellschaft) und eines sich herausbildenden digitalen Analogismus (Stichwort: kybernetische Kontrollgesellschaft) liegen.

Das Forschungsprogramm wird in Grundzügen in folgenden Artikeln entworfen:
– Lamla, Jörn (2022): Künstliche Intelligenz als hybride Lebensform. Zur Kritik der kybernetischen Expansion. In: Friedewald, M./Roßnagel, A./Heesen, J./Krämer, N./Lamla, J. (Hg.): Auswirkungen der Künstlichen Intelligenz auf Demokratie & Privatheit. Baden-Baden: Nomos S. 77-100. [Open Access].
– Lamla, Jörn (2021): Die symbolischen Ordnungen des Konsums – und die Fallstricke produktivistischer Soziologie. In: Lenz, Sarah / Hasenfratz, Martina (Hg.): Capitalism unbound. Ökonomie, Ökologie, Kultur. Frankfurt/Main; New York: Campus, S. 283-299.

Am 16.09.2022 hat das Fachgebiet bei der Auftaktkonferenz des Kassel Institute for Sustainability mit einem Panel unter dem Titel "Negotiating Sustainability in Post-Digital Life-Politics" beigetragen. Das Abstract zum Panel und die Präsentationsfolien stehen hier zum Download bereit.

Post-Digital Life-Politics: Weiter

Workshop: Professionalisierung im Verbraucherschutz

Das Kompetenzzentrum Verbraucherforschung der Verbraucherzentrale NRW e. V. (KVF NRW), das Fachgebiet Soziologische Theorie an der Universität Kassel, das Wissenschaftliche Zentrum für Informationstechnik-Gestaltung (ITeG) an der Universität Kassel sowie das Institut für Verbraucherinformatik an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (IVI) richteten im September einen Workshop unter dem Titel „Professionalisierung im Verbraucherschutz“ aus.

Der Workshop am 13. September 2022 griff unter anderem Fragen auf, ob und – wenn ja – inwiefern der Verbraucherschutz ein professionalisierungsbedürftiges Feld ist und wie eine solche Professionalisierungsbedürftigkeit zu decken ist. Welche Ansprüche können an die Herausbildung einer Profession im Feld des Verbraucherschutzes sinnvoll formuliert werden, wie lassen sich Konsumierende sowohl individuell als auch kollektiv adressieren und welche Rolle bilden darin die sich herausbildenden Verbraucherwissenschaften als emergierendes Feld? Der Workshop spannte einen Bogen zwischen Verbraucherforschung, Verbraucherschutzpraxis und der Professionalisierungsforschung.

In diesem Sinne widmete sich Professor Dr. Jörn Lamla im ersten Panel Herausforderungen, Möglichkeiten und Grenzen der Professionalisierung im Verbraucherschutz in Wissenschaft und Praxis und eröffnete damit nach der Begrüßung den Workshop.

Informationen zu der Dokumentation sind auf der Webseite der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen zu finden.

Jahreskonferenz des Bundesnetzwerks Verbraucherforschung

Die Corona-Pandemie und die aktuellen Probleme der Energieknappheit trugen dazu bei, dass VerbraucherInnen ihren Konsumalltag an sich schnell ändernde Bedingungen anpassen und dadurch ihre Resilienzfähigkeiten deutlich stärken mussten. Sorgen und Ängste beeinflussen während der verschiedenen Krisen eben diesen Konsumalltag und werfen in der Verbraucherforschung diverse Fragen auf, die bei der diesjährigen Jahreskonferenz des Bundesnetzwerk Verbraucherforschung in den Blick genommen wurden.

Unter dem Titel: Verbraucherresilienz: Risikofaktoren, Vulnerabilitäten und Interventionen wurden am 27. Oktober 2022 in Berlin verschiedene Perspektiven und Erkenntnisse in einem hybriden Format erörtert und diskutiert.

Der Bericht zur Jahreskonferenz kann auf der Webseite des BMUV gelesen werden.

Neuste öffentliche Vorträge und Audiobeiträge mit Jörn Lamla

Sozialwissenschaftliche Theoriewerkstatt/Lektürekreis Gesellschaftstheorie

Bei dieser gemischten Veranstaltung handelt es sich um eine dauerhafte Einrichtung der Professur für Soziologische Theorie. Die Werkstatt steht insbesondere Studierenden der Abschlusssemester (BA und MA) sowie Doktorandinnen und Doktoranden offen, die sich eine Besprechung des theoretischen Rahmens, des Forschungsdesigns oder die gemeinsame Arbeit an empirischem Material ihrer Abschlussarbeiten, Dissertationen oder Projekte wünschen. Masterstudierenden, die ihre Masterarbeit im Fachgebiet Soziologische Theorie schreiben, kann diese Veranstaltung als Masterkolloquium anerkannt werden.

50% der Sitzungen werden als gemeinsamer Lektürekreis gestaltet. Darin werden solche neueren Werke besprochen, von denen sich die Soziologie Impulse für die Weiterentwicklung der Gesellschaftstheorie erhoffen darf. Im Sommersemester 2023 lesen wir das folgende Buch (Anschaffung wird dringend empfohlen): Wright, Erik Olin (2017): Reale Utopien. Wege aus dem Kapitalismus. Berlin: Suhrkamp.

Stellungnahme der Leopoldina zu Digitalisierung und Demokratie veröffentlicht

Die Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften und der Akademie der Technikwissenschaften acatech haben gemeinsam am 16. Juni die Stellungnahme „Digitalisierung und Demokratie“ veröffentlicht. Die Stellungnahme umfasst neben einer umfassenden Analyse der Themen Plattforminfrastrukturen, Information und Kommunikation, Partizipation sowie Selbstbestimmung eine Reihe an Handlungsempfehlungen für die digitale Gesellschaft. Empfohlen werden u.a. eine veränderte Kuratierungspraxis digitaler Informations- und Kommunikationsplattformen und Maßnahmen zum demokratiefreundlichen Design digitaler Technologien und Infrastrukturen.

Die Stellungnahme wurde von einer interdisziplinär zusammengesetzten Arbeitsgruppe erstellt, an der auch Prof. Dr. Jörn Lamla vom Wissenschaftlichen Zentrum für Informationstechnik-Gestaltung an der Universität Kassel teilgenommen hat.

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Projektseite datenoekonomien.net

Das BMBF-Projekt Datenökonomien: Verbraucherverhältnisse und Geschäftsmodelle untersucht anhand zweier Beispiele datenökonomischer Plattformen, wie sich diese hinsichtlich ihrer Marktform, den Werttauschverhältnissen, der Organisationsstruktur, der Sozialität, dem Mitbestimmungsversprechen sowie der Personalisierungstechnik unterscheiden und welche Konsequenzen dies für die Selbstbestimmung auf diesen Plattformen haben kann.

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Zentrum Verantwortungsbewusste Digitalisierung

Das Zentrum verant­wortungs­­bewusste Digitalisierung bündelt die wissenschaftliche Expertise der hessischen Hochschulen zur Analyse der normativen Dimensionen des digitalen Wandels und trägt zur Gestaltung dieses Wandels bei. Einer der acht Gründungsdirektor:innen des Zentrums ist Prof. Dr. Jörn Lamla vom Fachgebiet Soziologische Theorie an der Universität Kassel. Im November 2020 startete die Projektgruppe "Verantwortungsdiffusion durch Algorithmen", in der 2021 bis 2022 Fabian Pittroff die Fachrichtung Soziologie vertrat. Von Juli 2021 bis Dezember 2022 arbeitete das Fachgebiet außerdem in der Projektgruppe "Nachhaltige Intelligenz – Intelligente Nachhaltigkeit" mit.

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