Blumenstein-etal-2016: OSCAR: Produktionsökonomische Implikationen von Zwischenfrucht- und Mulchsystemen - Eine interdiszipliär fundierte Anwendung von Monte-Carlo-Simulationen
GeWiSoLa 2016, 28.-30.09.2016 Bonn
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OSCAR: Produktionsökonomische Implikationen von Zwischenfrucht- und Mulchsystemen – Eine interdisziplinär fundierte Anwendung von Monte-Carlo-Simulationen
Benjamin Blumenstein1, Maria R. Finckh2, Detlev Möller1, Jan-Hendrik Schmict2, Raphael Wittwer3
Key words: Produktionsökonomie, Interdisziplinäre Modellierung, Monte-Carlo-Simulation
Zusammenfassung
Zwischenfrucht- und Mulchsysteme sowie reduzierte Bodenbearbeitung können vielfältige positive ökologische Effekte bedingen, welche Resilienz und Ertragsstabilität von Marktfrüchten sowohl im ökologischen als auch konventionellen Landbau erhöhen. Im vorliegenden Beitrag wird eine produktionsökonomische Bewertung entsprechender Fruchtfolgen mit Berücksichtigung von Ertragseffekten mittels stochastischer Risikoanalyse anhand empirischer Forschungsergebnisse vorgenommen. Eine zeitliche Erweiterung des Betrachtungshorizonts (Langzeiteffekte) könnte das risikosenkende Potenzial verdeutlichen.
1 Einleitung
Insbesondere in ökologischen Anbausystemen muss angesichts der beschränkten Möglichkeiten, kurzfristig wirkende Produktionsmittel (Düngung, Pflanzenschutz) einzusetzen, besonderer Wert auf eine prophylaktische Sicherstellung ertragsstabilisierender und womöglich –erhöhender Rahmenbedingungen durch entsprechend konfigurierte Produktionsverfahren gelegt werden. Vielfach diskutierte Möglichkeiten bestehen in der Etablierung von Mischkulturen im Sinne von Zwischenfrucht- und Mulchsystemen (HARTWIG UND AMMON 2002) oder reduzierten Bodenbearbeitungssystemen (z.B. PITTELKOW ET AL. 2015) mit unterschiedlichen ökologischen, aber eben auch ökonomischen Wirkungen. Eine betriebswirtschaftliche, unternehmerisch ausgerichtete Bewertung ist dabei auf eine enge Zusammenarbeit mit experimentell arbeitenden Arbeitsgruppen angewiesen. Besonders die starke Abhängigkeit von lokalen, standortspezifischen Bedingungen, die weite Spanne der Ergebnisse aus Feldexperimenten mit einer hohen Abhängigkeit von Jahreseffekten erschwert die Definition einer robusten, deterministisch abgeleiteten Handlungsempfehlung. Einer expliziten Berücksichtigung von stochastischen Effekten mittels Monte-Carlo-Simulation wird im vorgestellten Ansatz das Potential zugesprochen, wissenschaftlich und praktisch realistischer argumentieren zu können. Systemtheoretische Überlegungen helfen, im inter-, aber auch transdisziplinären Kontext eine Kommunikationsebene zwischen den Akteuren herzustellen und damit eine starke Fundierung der betriebswirtschaftlichen Analyse zu erreichen.
2 Material und Methoden
Grundlage der hier vorgestellten ökonomischen Aspekte bilden empirische Datenerhebungen zum Einsatz von Zwischenfrucht-/Mulchsystemen unter konventioneller (KB) und reduzierter (RB) Bodenbearbeitung in zweijährigen Fruchtfolgen (EU-Projekt OSCAR: Optimising Subsidiary Crop Applications in Rotations; 2012-2016). Berücksichtigt sind im vorliegenden Beitrag die Versuche der Standorte Universität Kassel (D) (ÖKO: Winterweizen-Kartoffel) und Agroscope Zürich (CH) (KONV: Winterweizen-Körnermais). Grundlage der Risikosimulation der Fruchtfolgesysteme ist die Berechnung der Direkt- und Arbeitserledigungskostenfreien Leistung (DAKL) basierend auf KTBL-Standard-Daten. Mit Hilfe von @RISK (PALISADE 2010) wurden aus den zugrundeliegenden Feldexperimenten Wahrscheinlichkeitsfunktionen für Ertragsparameter von Marktfrüchten und Stroh (ART; KU) sowie Ernte- und Lagerverluste (KU) geschätzt und auf der Grundlage der χ²-Statistik selektiert (ART je acht Datensätze; KU je 16 Datensätze; je nach Datensatz Weibull-, Gamma-, Beta-General-, Pearson- oder LogLogistic-Verteilung), um in die Monte Carlo-Simulation zur Darstellung von Wahrscheinlichkeitsverteilungen der DAKL einzufließen.
3 Ergebnisse und Diskussion
Abhängig vom Bodenbearbeitungssystem variiert die Vorzüglichkeit der CH Zwischenfruchtsysteme (Zottelwicke, Ölrettich, Erdklee, Kontrolle ohne ZF) im Vergleich. Bei KB dominiert die Kontrolle nahezu alle anderen Verfahren, aber nicht vollständig, weshalb hier lediglich eine Stochastische Dominanz Zweiten Grades (SDZ) vorliegt. Bei RB dominiert das Anbausystem Zottelwicke alle anderen Systeme vollständig, es liegt also Stochastische Dominanz Ersten Grades (SDE) vor. Im Direktsaatsystem zeigt das Anbausystem Zottelwicke SDZ und wäre somit aus der objektiven Sicht der Ergebnisse der Risikoanalyse den anderen Systemen vorzuziehen. Wird die subjektive Risikoeinstellung von Entscheidern mit einbezogen, wäre Zottelwicke auch aus Sicht von risikoneutralen oder –aversen Entscheidern vorzuziehen. Wird allerdings das Erwartungswert-Varianz-(μ,σ)-Prinzip berücksichtigt, würde sich ein risikoaffinerEntscheider möglicherweise für Kontrolle entscheiden, da dieses System in 22 % der Fälle ein besseres ökonomisches Ergebnis als Zottelwicke verspricht. Am Standort D dominieren die KB-Systeme ihre jeweiligen RB-Mulch- oder Zwischenfruchtsysteme hinsichtlich ihrer Erwartungs- bzw. Maximalwerte. Allerdings ist die Streuung der Werte bei den RB-Systemen geringer, einhergehend mit höherer Ertragsstabilität und niedrigerem Risikopotential. Sowohl in konv. als auch in ökol. OSCAR-Anbausystemen sind die Zottelwicke-Systeme dominant. Während in ökologisch bewirtschafteten Systemen die RBniedrigere Ertragsschwankungen mit tendenziell geringerem Risikopotenzial aufweist, zeigt sich in konventionell bewirtschafteten Systemen mit RB ein höheres Risikopotenzial. Die Streuung der DAKL-Werte ist bei den Ökovarianten höher als bei den konventionellen (Grund: Marktfrucht Kartoffel mit grundsätzlich größerem Risikopotential).
4 Schlussfolgerungen
Abschließende Aussagen über die ökonomische Vorteilhaftigkeit einzelner
Bodenbearbeitungs- oder Zwischenfrucht-/Mulchsysteme sind derzeit noch schwierig abzuleiten, da Rentabilität und Risikoportfolio jeweils im Kontext der einzelnen sehr unterschiedlichen OSCAR Versuchsstandorte zu sehen sind. In zukünftigen Forschungsarbeiten wird neben den stochastischen Effekten auch zunehmend der zeitliche Betrachtungshorizont berücksichtigt werden müssen, weil Zielkonflikte zwischen kurzfristigen und mittel- und langfristigen Effekten für praktische Entscheider eine hohe Relevanz haben und mögliche win-win-Situationen identifiziert werden müssen (vgl. WEINER, 2003). Die Berücksichtigung von Langzeiteffekten (Nährstoffverfügbarkeit, Bodenfruchtbarkeit) von RB und Zwischenfrucht-/Mulchsystemen könnte längerfristig die Rentabilität erhöhen und durch ertragsstabilisierende Effekte zu einer Senkung des Risikopotenzials führen.
Literatur
HARTWIG, N.L. UND AMMON, H.U. (2002): Cover crops and living mulches. Weed Science 50 (6): 688-699
PALISADE (2010): User manual for @RISK 5.7, risk and simulation add-in for Excel. Palisade Corporation. Ithaca, NY, USA
PITTELKOW, C.M. et al. (2015): Productivity limits and potentials of the principles of conservation agriculture. Nature 517: 365–368
WEINER, J. (2003): Ecology – the science of agriculture in the 21st century. The Journal of Agricultural Science 141 (3–4): 371
[1]Universität Kassel, Fachbereich Ökologische Agrarwissenschaften, Fachgebiet Betriebswirtschaft, Steinstr. 19, D-37213 Witzenhausen, blumenst@uni-kassel.de, www.uni-kassel.de/agrar/bwl
[2]Universität Kassel, Fachbereich Ökologische Agrarwissenschaften, Fachgebiet Ökologischer Pflanzenschutz, Nordbahnhofstr. 1a, D-37213 Witzenhausen
[3]Agroscope, Zürich, Schweiz, Institut für Nachhaltigkeitswissenschaften, Gruppe Pflanze-Boden-Interaktion