Metallische Werkstoffe

Die Gruppe Metalle konzentriert sich auf Prozess-Mikrostruktur-Eigenschafts-Beziehungen in einer großen Vielfalt von Metalllegierungen. Im Fokus der Forschung stehen Metalle, die sowohl durch additive Herstellungsverfahren (additive manufacturing, AM) als auch aus der traditionellen Zerspanung stammen. Die Charakterisierung der Mikrostruktur umfasst mehrere Längenskalen vom Mikrometerbereich bis zum Nanobereich. Für die Charakterisierung im Nanobereich wird hauptsächlich die Transmissionselektronenmikroskopie (TEM) eingesetzt, jedoch werden auch weitere Techniken wie Computertomographie, Rasterkraftmikroskopie und Atomsonden-Tomographie (APT) sowie Röntgen-, Neutronen- und Synchrotronstreuung berücksichtigt.

Die Aktivitäten auf dem Gebiet der AM unter Verwendung des selektiven Elektronenstrahlschmelzens (EBM) und des selektiven Laserschmelzens (SLM) konzentrieren sich hauptsächlich auf die Rolle der Mikrostruktur für die Eigenschaften und die Schädigungsentwicklung verschiedener Legierungen. Ti-6Al-4V, Stähle, Ni-Basis-Superlegierungen, Al-Legierungen und weitere Legierungen werden gründlich charakterisiert. Insbesondere bei Ni-Basis-Superlegierungen wie INCONEL718, Al-Si-Legierungen und Werkzeugstählen wie H13 beeinflussen Merkmale im Submikrometerbereich die endgültigen mechanischen Eigenschaften stark. Größe bzw. Aussehen dieser Merkmale auf der Nanoskala unterscheiden sich grundlegend von ihren konventionell verarbeiteten Pendants. Die Unterschiede sind hauptsächlich auf die einzigartigen Eigenschaften von AM-Prozessen zurückzuführen. AM-Komponenten werden schichtweise verarbeitet, jede Schicht ist durch unterschiedliche Merkmale gekennzeichnet. Bezogen auf die Gesamtabmessungen ist der durch die eingesetzte Strahlquelle induzierte Schmelzeseedampf sehr klein, was zu einer schnellen Erstarrung bei Ablenkung der Quelle führt. Darüber hinaus werden die Materialien intrinsisch wärmebehandelt, da die in der obersten Schicht induzierte Wärme das bereits erstarrte Material durchdringen muss. Infolgedessen sind Legierungen wie die Ni-Basis-Superlegierung INCONEL718 durch einzigartige Mikro- und Nanostrukturen gekennzeichnet, da die thermische Entwicklung ihr endgültiges Aussehen stark beeinflusst.

Abbildung 1: Aussehen von nanoskaligen ' und ''-Ausscheidungen in unterschiedlich behandelter Ni-Basis-Superlegierung INCONEL 718; C&W: gegossen und bearbeitet; SLM-Bearbeitungsbedingungen: DA: direkt ausgehärtet; SHT: lösungsgeglüht und gealtert. In jedem Zustand wurde das zweistufige Standard-Alterungsverfahren angewandt [1].
Abbildung 2: Kriechverhalten von unterschiedlich verarbeiteten Bedingungen von INCONEL 718 unter Druckbelastung [1].

Abbildung 1 zeigt die durch TEM aufgelösten Ausfällungseigenschaften auf der Nanoskala. Im unbehandelten Zustand, d.h. im nicht nachbehandelten Zustand, wird die Legierung von Versetzungszellen im Submikrometerbereich, der gleichzeitigen Absonderung von schweren Elementen und der prozessbedingten Entwicklung der schädlichen Laves-Phase dominiert. Die anschließende Wärmebehandlung nach dem Prozess führt zur Entwicklung von nanoskaligen ' und ''Ausscheidungen. Wie die APT zeigt, ähnelt die Anordnung dieser Phasen einer gestapelten Schichtfolge, wobei die ''Ausscheidungen in '' Plättchen eingebettet sind. Die einzigartigen Mikro- und Nanostrukturen führen zu überlegenen mechanischen Eigenschaften unter den verarbeiteten AM-Bedingungen, wie beispielhaft in Abbildung 2 gezeigt wird, die das Kriechverhalten der verarbeiteten und nachbehandelten INCONEL718-Legierung im Vergleich zu ihrem konventionell verarbeiteten Gegenstück hervorhebt.

Ein zweites wichtiges Forschungsthema in der Gruppe Metalle sind Formgedächtnislegierungen (SMAs). Basierend auf einer vollständig reversiblen Festkörper-Festkörper-Phasenumwandlung von einer austenitischen Phase bei hoher Temperatur in eine martensitische Phase bei niedriger Temperatur können SMAs nach einer Verformung, die je nach Anwendungstemperatur entweder durch Wärme oder mechanische Spannung ausgelöst wird, ihre ursprüngliche Form vollständig wiedererlangen. Es ist bekannt, dass SMAs stark von der Entwicklung der chemischen Zusammensetzung und der Gitterdefektanordnung auf der Nanoskala beeinflusst werden. Der Schwerpunkt der SMA-Forschung in der Gruppe Niendorf liegt auf neuartigen Hochtemperatur-SMAs und SMAs auf Fe-Basis. Für die Etablierung eines guten Formgedächtnisverhaltens bzw. Pseudoelastizität in den meisten neuartigen SMAs ist das Vorhandensein nanoskaliger Ausfällungen von entscheidender Bedeutung. Abbildung 3 zeigt das Auftreten B2-geordneter Ausfällungen in Fe-Mn-Al-Ni-SMAs nach einer Alterungsbehandlung bei 200 °C. Nur in Gegenwart dieser Ausfällungen zeigt der Werkstoff eine thermoelastische martensitische Umwandlung. Gleichzeitig wird jedoch die Verschlechterung des funktionellen Verhaltens der Legierung durch diese Ausscheidungen stark begünstigt. Ein signifikanter Anstieg der Versetzungsdichte wird bei der Entzinnung des Martensits beobachtet und scheint stark durch die Ausfällungen beeinflusst zu werden (Abbildung 4).

Abbildung 3: Nanoskaliger β-Phasen-Niederschlag in Fe-Mn-Ni-Al-SMA bei einer Alterung von 3 h bei 200 °C [2].

Ähnliche Beobachtungen wurden im Fall von SMA vom Typ Co-Ni-Ga Heusler gemacht. Die Alterung bei 350 °C fördert die Bildung von nanoskaligen kohärenten ' L12-geordneten Ausfällungen. Wie im Falle des SMA auf Fe-Basis weisen diese Präzipitate eine Größe von etwa 10 nm auf. Eine mechanische In-situ-Charakterisierung mittels optischer Mikroskopie, Rasterkraftmikroskopie (AFM/MFM; in Zusammenarbeit mit der Ehresmann-Gruppe) sowie Neutronenbeugung ergab, dass die Anwesenheit dieser Ausscheidungen die Auswahl der Martensit-Variante, die magnetische Domänenstruktur und schließlich die mechanische Reaktion stark verändert. Darüber hinaus werden die Energiedissipation pro Zyklus und die funktionelle Ermüdung stark beeinflusst.

Die Ergebnisse zeigten, dass in allen neuartigen SMA-Systemen die Etablierung von Präzipitaten einer bestimmten Größe zwischen 5 und 15 nm sehr vorteilhaft für die funktionellen Eigenschaften zu sein scheint. Zu große Ausfällungen verschlechtern jedoch vor allem die Funktionsstabilität, indem sie die Versetzungsentwicklung und damit die plastizitätsinduzierte Stabilisierung des Martensits fördern und die Rücktransformation behindern (vgl. Abbildung 4). Studien, die sich auf die Natur von Martensit-Versetzungs-Wechselwirkungen konzentrieren, stehen derzeit im Mittelpunkt und werden durch In-situ-Neutronen- und Synchrotronbeugungsanalyse sowie TEM weiter untersucht werden.

Abbildung 4: Elementare Verformungsmechanismen, die zur funktionellen Ermüdung von Fe-Mn-Al-Ni SMA beitragen [2].

Referenzen

[1] M. Pröbstle, S. Neumeier, J. Hopfenmüller, L.P. Freund, T. Niendorf, D. Schwarze, M. Göken: Superior creep strength of a nickel-based superalloy produced by selective laser melting, Mater. Sci. Eng. A674, 2016, 299-307.

[2] M. Vollmer, M.J. Kriegel, P. Krooß, S. Martin, V. Klemm, A. Weidner, Y. Chumlyakov, H. Biermann, D. Rafaja, T. Niendorf: Cyclic degradation behavior of 〈001〉-oriented Fe-Mn-Al-Ni single crystals in tension, Shape Memory and Superelasticity 3, 2017, 335-346.


Prof. Dr. Thomas Niendorf

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