Zoologie

Einblicke in den " Superkleber " der Stummelfüßler

Der biologische " Superkleber " von Stummelfüßler (Abb. 1) gibt Anregungen für die zirkuläre Verarbeitung von modernen Polymeren (Baer et al. 2019a, 2019b). In der Natur verwenden Stummelfüßler zur Jagd und Verteidigung ein flüssiges, proteinreiches Sekret, das sich schnell zu steifen Fasern formt (Abb. 1). Der Flüssigkeit-Faser-Übergang findet außerhalb des Körpers ohne Regulierung statt, was darauf hinweist, dass die "Anweisungen" für den Zusammenbau in die Proteinbausteine einprogrammiert sind. Elektrostatische Wechselwirkungen zwischen entgegengesetzt geladenen Proteindomänen und freien Ionen treiben die Proteinfaltung, Selbstorganisation (Koazervierung) und Stabilisierung der Bausteine zu Nanotropfen an (Baer et al. 2019b, 2019c). Nanotropfen können jedoch durch einfachen mechanischen Reiz sofort umgewandelt werden, wenn sich Proteine teilweise entfalten, miteinander verschmelzen und ein starkes Netzwerk bilden, das sich zu einer Faser verfestigt. Der Mechanismus beruht auf grundlegenden physikalisch-chemischen Prinzipien. So können durch die Extraktion dieser Prinzipien neue Methoden zur Synthese nachhaltiger Materialien auf Polymerbasis entwickelt werden.

Abbildung 1: Fotografien der Stummelfüßler Euperipatoides rowelli (oben) und Principapillatus hitoyensis (unten). Beachten Sie die beiden Schleimstrahlen, die von P. hitoyensis ausgestoßen werden. Modifiziert von Baer et al. (2019b).

Röntgenaufnahme eines Wasserbären

Abbildung 2: Das Bärtierchen Hypsibius exemplaris. (A) Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme. Seitenansicht; anterior ist links. (B-D) 3D-Darstellungen von Röntgen-NanoCT-Daten, die den gesamten Körper und alle segmentierten Organe in dorsaler (B), lateraler (C) und ventraler (D) Ansicht zeigen. Anterior ist oben. Abkürzungen: br, Gehirn; bt, Mundschleimhautröhre; cg, Kratzdrüsen; cl, Kloake; es, Speiseröhre; he, Kopf; le1-le4, Beine eins bis vier; mg, Mitteldarm; mt, Malpighische Tubuli; oc, äußere Konnektive; ov, Eierstock; ph, Rachen; sg, Speicheldrüsen; sc, Speicherzellen; tg, Stammganglion. Maßstabsbalken: 20 μm (in D für B-D).

Bärtierchen (Wasserbären: Abb. 2A) sind miniaturisierte wirbellose Tiere (Gross et al. 2019a), deren Anatomie mit traditionellen Techniken gut untersucht wurde, aber eine umfassende dreidimensionale Rekonstruktion wurde nie durchgeführt. Um diese Lücke zu schließen, haben wir die Röntgen-Computertomographie (CT) eingesetzt, eine Technik, die in der Zoologie immer beliebter wird, um hochauflösende, dreidimensionale (3D) Scans ganzer Exemplare zu erstellen. Die CT wird zwar schon seit langem für das Scannen größerer Proben verwendet, doch kann ihre Anwendung bei einigen mikroskopisch kleinen Tieren problematisch sein, da diese für die konventionelle CT oft zu klein, für die hochauflösende, auf Optik basierende weiche Röntgenmikroskopie jedoch zu groß sind. Dieser Größenunterschied wird mit dem technischen Fortschritt immer weiter verringert, so dass hochauflösende Bildgebung jetzt sowohl mit großen Synchrotrongeräten als auch in jüngerer Zeit mit laborgestützten Instrumenten möglich ist. Wir haben daher einen kürzlich entwickelten Prototyp eines laborbasierten Nano-Computertomographen verwendet, um ein 152 μm langes Bärtierchen mit hoher Auflösung (200-270 nm Pixelgröße) abzubilden (Gross et al. 2019b). Der resultierende Datensatz ermöglichte es uns, die Anatomie der Bärtierchen in 3D zu visualisieren und die räumlichen Beziehungen der inneren Strukturen zu analysieren. Die Segmentierung der Hauptstrukturen des Körpers ermöglichte die direkte Messung ihrer jeweiligen Volumina. Darüber hinaus segmentierten wir jede Speicherzelle einzeln und quantifizierten ihre Volumenverteilung. Unsere Daten belegen den Nutzen der CT-Bildgebung als leistungsfähiges ergänzendes Werkzeug für Studien der Anatomie von Bärtierchen, insbesondere für quantitative Volumenmessungen. Diese NanoCT-Studie stellt das kleinste jemals mit CT abgebildete vollständige Tier dar und bietet neue 3D-Einsichten in die räumlichen Beziehungen der inneren Organe von Wasserbären.

Referenzen

Baer, A., Schmidt, S., Mayer, G. & Harrington, M.J. (2019a): Fibers on the fly: Multiscale mechanisms of fiber formation in the capture slime of velvet worms. Integrative and Comparative Biology. In press.

Baer, A., Oliveira, I.S., Schmidt, S., Harrington, M.J. & Mayer, G. (2019b): Mechanismen der Natur als Vorbild für nachhaltige Biomaterialien: Einblicke in den „Sekundenkleber“ der Stummelfüßer. Biologie in unserer Zeit. In press.

Baer, A., Horbelt, N., Nijemeisland, M., Garcia, S.J., Fratzl, P., Schmidt, S., Mayer, G. & Harrington, M.J. (2019c): Shear-induced β-crystallite unfolding in condensed phase nanodroplets promotes fiber formation in a biological adhesive. ACS Nano 13:4992–5001.

Gross, V.*, Treffkorn, S.*, Reichelt, J., Epple, L., Lüter, C., & Mayer, G. (2019a): Miniaturization of tardigrades (water bears): Morphological and genomic perspectives. Arthropod Structure and Development 48:12–19. *Equal contribution.

Gross, V.*, Müller, M.*, Hehn, L., Ferstl, S., Allner, S., Dierolf, M., Achterhold, K., Mayer, G.**, & Pfeiffer, F.** (2019b): X-ray imaging of a water bear offers a new look at tardigrade internal anatomy. Zoological Letters 5:14. * and ** equal contributions.


Prof. Dr. Georg Mayer

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