2016 Schweden
11.-17. September 2016 Schweden: Stockholm
(Organisation und Leitung: Marvin Erfurth, Ellen Christoforatou, Edith Glaser, Bernd Overwien)
The Education System in Sweden – eine Studienreise nach Stockholm
Nach dem PISA-Schock vor mehr als zehn Jahren begann in Deutschland eine Debatte über die Qualität der deutschen Schulbildung und deutsche Bildungsforscher schauten neidisch auf die guten Ergebnisse der skandinavischen Länder wie etwa Finnland und Schweden. Was funktioniert in diesen Schulsystemen besser und was können hiesige Lehrer von den Lehrern aus diesen Ländern lernen und somit in Zukunft besser machen?
Um dieser Frage nachzugehen begaben sich Ellen Christoforatou (ZLB), Marvin Erfurth (ZLB) und Edith Glaser (FB 01-IfE) im September für eine Woche auf Exkursion nach Stockholm. Begleitet wurden sie von 20 Lehramtsstudenten, die sich im vorhergehenden Sommersemester in Vorbereitung auf das Erleben des schwedischen Schulsystems mit Themen wie Inklusion, ganztägiger Unterricht, Unterrichtsqualität oder der Arbeitsbelastung von Lehrern beschäftigt hatten.
Als Einstieg in unsere Exkursion wurden wir im nationalen Schulamt (Skolverket) empfangen, wo wir eine generelle Einführung in das schwedische Schulsystem bekamen. Besonders interessant sind die Unterschiede zu Deutschland wie etwa die neun Schuljahre, die alle schwedischen Schüler gemeinsam verbringen oder der Einfluss der Kommunen auf die lokalen Schulen. So verhandeln zum einen die Lehrer ihr Gehalt selbst, und zum anderen können schwedische Schüler selbst wählen, welche Schule sie besuchen möchten. Durch diesen Wettbewerb der Schule um die Schüler soll eine höhere Bildungsqualität erreicht werden. Auch der Durchführung und Auswertung nationaler Leistungstest kommt in Schweden eine größere Bedeutung zu als in Deutschland.
Nach kurzer Mittagspause empfing uns einer der großen Lehrerverbände (Lärarnas Riksförbund) und schilderte uns den Standpunkt zur Funktionsweise des Schulsystems aus Lehrersicht. Es wird deutlich, dass die Lehrerschaft der weitgehenden lokalen Selbstverwaltung der Schulen sehr kritisch gegenübersteht und lieber mehr nationalen Einfluss auf die Schulen hätte, um gleiche Unterrichtsbedingungen schaffen zu können.
Um uns selbst ein Bild machen zu können, besuchten wir verschiedene Schulen vor Ort. So wurden zwei Grundschulen, die Kämpetorpsskolan und die Solbergaskolan sowie zwei weiterführende Schulen, das Psykologigymnasiet und das St. Martins Gymnasium besucht. Während das Psykologigymnasiet als freie gegründete Schule einen besonderen Fokus auf die Ausbildung psycho-sozialer Fähigkeiten unter häufigem Einsatz von darstellendem Spiel legt, werden im St. Martins Gymnasium als berufliche Schule praktische Kurse für angehende Friseure, Maurer oder Schreiner angeboten.
Die Sichtweise der Politik in Bildungsfragen wurde uns auf Einladung zweier sozialdemokratischer Abgeordneter im schwedischen Reichstag näher gebracht. Als drängendstes Problem wurde hier der große Lehrermangel identifiziert.
Als weiterer Programmpunkt folge eine Einladung des Department of Mathematics and Science Education der Universität Stockholm. Hier wurde uns die schwedische Lehrerausbildung erläutert. Eine Besonderheit dieses recht jungen Fachbereichs ist, dass die Vorlesungen und Seminare von Lehrern gehalten werden, um eine möglichst große Praxisnähe zu erreichen. Die Zusammenarbeit mit Professoren der Fachwissenschaften stellt die entsprechende wissenschaftliche Grundlage hierfür sicher. Hervorzuheben ist auch, dass die Studenten bereits im ersten Semester eins von insgesamt vier Schulpraktika absolvieren. Auch wurde mehreren Exkursionsteilnehmern ermöglicht ein solches fachdidaktisches Seminar im Fach Mathematik zu besuchen, wo ersichtlich wurde, dass die Unterschiede zu vergleichbaren Veranstaltungen an der Universität Kassel gar nicht so groß sind.
Auch in den zweiten Bildungsweg der Erwachsenenbildung gewährte uns unsere Exkursion Einblick, indem wir einer Einladung der Röda Korsets Folkhögskola folgten. In dieser Volkshochschule, die Teil des schwedischen Bildungssystems ist und vom Roten Kreuz betrieben wird, kann der Schulabschluss nachgeholt werden oder auch praktische Kurse belegt werden.
Als Abschluss als Beispiel für einen außerschulischen Lernort besuchten wir das Forum for Living History, wo uns Marcel Radstrom erläuterte wie er mit Schulklassen einen Workshop über das Leben der Anne Frank und das Thema der eigenen Identität durchführt.
Für alle Beteiligten war unsere Exkursion ein tolles Erlebnis mit vielen neuen Eindrücken. Genauso wie eine ähnliche Fahrt nach Israel vor rund zwei Jahren wurde ersichtlicht, dass die Lehrerbildung in Deutschland von internationalem Austausch und dem Kennenlernen anderer Schulsysteme profitieren kann. Die Lehramtsstudenten der Universität Kassel freuen sich schon auf die nächste Exkursion dieser Art.
Christian Büddefeld