Das "Schülerhilfe-Projekt"

In dem Schülerhilfe-Projekt sollten[1] Studierende ein Jahr lang ein schwieriges oder bedürftiges Kind in Schule, Alltag und Familienwelt begleiten und unterstützen. Die Studies lernten dabei Kindheitswelten kennen, die meilenweit von ihren eigenen Erfahrungen und Vorstellungen entfernt sind, sie erlebten Schule und Unterricht von unten, d.h. aus der Perspektive ihrer Schützlinge, und sie beurteilten Theorien auf ihre Tauglichkeit. Dieses Projekt wurde ein Fundus für Forschungen: u.a. über Entwicklungsprozesse von Kindern, über die Wirkung von Lehrveranstaltungen und  berufliche Qualifizierungsprozesse. Es schärfte den Blick für komplexe Zusammenhänge von sozialer Benachteiligung, Familiensituation und (mangelndem) Lernerfolg von  Kindern.


Die tragende Idee in der Verfolgung dieses Projektes war es, eine „subjektsensible Pädagogik“ – auch eine entsprechende Schul- und Unterrichtskonzeption -  zu entwickeln, die weg von dem Schematismus führte, dass alle Kinder einer Jahrgangsklasse undifferenziert nach Lehrplan unterrichtet werden, ohne Ansehen spezifischer Voraussetzungen, Vorlieben, Kenntnisse. Der Blick auf das einzelne Kind, sein Umfeld, seine Alltagserfahrungen sollte einmal praktisch erfahren werden. Erst dann können daraus auch Ideen für Schule und Unterricht entstehen.


Meine darüber hinausgehende Vorstellung war, dass Entwicklungen in einer Langzeitperspektive und ganzheitlich betrachtet werden sollten (nicht nur als Leistung in einer einzelnen Stunde und in den Lernfächern, auch im sozialen Rahmen). Erst dann werden Veränderungen sichtbar und begreifbar. Der hohe persönliche Einsatz der Projekt-Studenten, was Stundenaufwand, Energie und Konfliktfähigkeit anbelangte, brachte sie manchmal an Grenzen ihrer Belastbarkeit. Das verstand ich als notwendigen Reifungsprozess. Die Mitarbeit im Schülerhilfe-Projekt war eine Unterstützung der Persönlichkeits-Entwicklung von Kindern und Studierenden – die neben der verpflichtenden universitären Ausbildung einher lief. Sie war eine Ergänzung zur fachlichen und fachdidaktischen Ausbildung (die überdies zusätzlich und freiwillig auch in der Grundschulwerkstatt stattfand).




[1]Es hatte bald eine relativ große Ausstrahlung. Studenten und Studentinnen bekamen zur Unterstützung ihrer praktischen Tätigkeit drei verschiedene Begleitveranstaltungen: Sie arbeiteten jeweils zu zweit mit Kindern aus einer Klasse, konnten im geschützten Rahmen einer 6er-Gruppe ihre Erfahrungen und Probleme austauschen,  waren zur Teilnahme in einer Supervisionsgruppe verpflichtet und erhielten 3x im Semester Kompaktseminare mit auswärtigen Wissenschaftlern, in denen ihre „Fälle“ unter theoretischen Gesichtspunkten erneut reflektiert und weiter beraten wurden. Die Teilnahme am Projekt erforderte eine persönliche Bewerbung mit einer Darstellung der Wünsche, Ziele und Realisierungserwartungen. Heute wird das Projekt unter dem Label „Patenschafts-Projekt“ weitergeführt. Es wurde zum 20jährigen Bestehen mit einer Forschungstagung geehrt, zu der Vertreter vergleichbarer Projekte aus der ganzen Bundesrepublik eingeladen waren.