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06.03.2023 | Film- und Serienkritik

»The Fabelmans« von Steven Spielberg: Destillierte Filmmagie

von Felix Thielemann

Mit weltweiten Einnahmen von über zehn Milliarden Dollar an den Kinokassen, 22 Nominierungen bei den Oscars und absoluten Klassikern wie Jaws, Jurassic Park, Saving Private Ryan oder E.T. in seiner Filmographie ist es wohl kaum vermessen, Steven Spielberg als den wohlmöglich größten Regisseur der Filmgeschichte zu bezeichnen. Mit The Fabelmans erscheint nun sein neuster und wohl persönlichster Film, behandelt dieser doch semi-autobiographisch die Kindheit Spielbergs – im Film jedoch mit einem anderen Namen – sowie dessen Beziehung zu seiner Familie und zeichnet die Anfänge seiner Karriere nach.

Bereits nach seinem ersten Kinobesuch 1952 ist der junge Sam Fableman (Gabriel LaBelle) sofort fasziniert von den bewegten Bildern. Nachdem er dort sieht, wie ein Zug in ein Auto kracht und anschließend entgleist, kann er nicht anders, als sich bei nächster Gelegenheit selbst eine Modelleisenbahn zu wünschen und diese – gefilmt mit der Heimkamera seines Vaters – in seine Spielzeugautos fahren zu lassen und sich die Aufnahmen davon wieder und wieder anzusehen. Dementsprechend sehen auch die nächsten Jahre seiner Kindheit aus, in denen er jede Gelegenheit nutzt, um – oftmals mithilfe seiner Schwestern – jedes erdenkliche und für Kinder faszinierende Szenario nachzuspielen und auf Film festzuhalten. Mit den Jahren werden diese Filmprojekte immer größer und aus Heimfilmen entwickeln sich schnell eindrucksvolle kleine Spielfilme mit rudimentären Spezialeffekten und dutzenden Charakteren.

Doch wie es zu jeder Kindheit und damit auch jedem Coming-of-Age Film gehört, muss auch Sam sich dabei mit diversen Problemen herumschlagen. Neben wohl eher häufigen Problemen Jugendlicher, wie etwa Mobbing in der Schule, sticht bei Sam vor allem seine komplizierte Beziehung zu seiner Familie und seiner jüdischen Herkunft hervor. Seine Eltern (Michelle Williams und Paul Dano) unterstützen ihn in seiner Leidenschaft zwar stets, sei es nun durch Lob und Ermunterung, Hilfe am Set oder finanzielle Unterstützung über den Kauf von Equipment, jedoch verschlechtert sich die Beziehung zwischen den beiden über die Jahre immer mehr. Dementsprechend leidet auch Sams Beziehung zu beiden, besonders aber die zu seiner Mutter, mit der er immer wieder in Konflikt kommt. Dazu trägt bei, dass er sich immer wieder mit antisemitischen Anfeindungen auseinandersetzen muss und dementsprechend stellenweise versucht, sich von diesem Teil seines Lebens und damit auch seinen Eltern, die stolz und öffentlich mit ihrer Herkunft umgehen, zu distanzieren.

Dabei ist Spielbergs Darstellung seiner Kindheit und eben insbesondere seiner Eltern stets eine sehr faszinierende. Wo man schnell eine sehr nostalgisch verklärte und klischeehafte Handlung über einen verträumten kleinen Filmemacher, der nach den Sternen greift, vermuten könnte, bietet The Fabelmans oft eher das Gegenteil. Zwar enthält der Film einen grundsätzlich absolut positiven Grundton und natürlich zu einem gewissen Teil nostalgische Rückblicke auf seine Kindheit, mit sich selbst und seinen Eltern geht Spielberg dabei aber immer wieder sehr kritisch und hart ins Gericht. Denn die Prägung, die der jahrelange Streit und die letztendliche Scheidung seiner Eltern auf ihn und seine Persönlichkeit hatten, wird immer wieder sehr deutlich. Gleichzeitig steht auch Sams teils unfaire Wut auf seine Mutter für das Scheitern der Ehe im Mittelpunkt, die der Film aber zu keinem Zeitpunkt versucht zu beschönigen oder gar zu rechtfertigen.

Die Rolle von Sam wird dabei hervorragend durch den jungen Gabriell LaBelle verkörpert, der genau wie sämtliche Kinderschauspieler:innen des Films einen fantastischen Job macht. Michelle Williams und Paul Dano brillieren dazu in den Rollen von Sams Eltern, denen es auf unvergleichliche Weise gelingt, diese beiden vielschichtigen und sehr speziellen Charaktere zum Leben zu erwecken, wobei Williams auch berechtigterweise für den Oscar als Beste Hauptdarstellerin nominiert wurde. Denn obwohl beide Charaktere in eindeutigen Archetypen verankert sind (Sams Vater als eher rationaler und pragmatischer Ingenieur und seine Mutter als verträumte und etwas exzentrische Künstlerin) und sehr schnell in die Klischee-Richtung abrutschen hätten können, schaffen es diese Performances den beiden eine Echtheit und Nahbarkeit zu verleihen, die für die Eltern in Coming-of-Age Filmen alles andere als selbstverständlich sind.

„Movies are dreams that you never forget.“, erzählt Sams Mutter ihm, kurz vor seinem ersten Kinobesuch. Und tatsächlich, The Fabelmans erinnert einen daran, sollte man es denn überhaupt erst vergessen haben, wie magisch Filme eigentlich sein können. Sei es nun in Form der Liebe und Arbeit, die Sam in seine Filme steckt, oder in Form der fantastischen Erzählkunst die The Fabelmans selbst an den Tag legt.