Karin Weng und Martina Bünger

„Das wahre Geheimnis des Erfolges ist die Begeisterung“ (Walter Percy Chrysler)

Was uns in Witzenhausen erwartete

Ein wohlwollender Empfang von älteren Semestern. Sie bereiteten kreativ und lustig die Erstsemesterwoche mit allen wichtigen Informationen und die Erstsemester-Party für uns vor. Das Studium war geprägt vom Miteinander lernen, Tutorien und Lerngruppe sowie den „Bichler-Tours“. Unsere Touren gingen zur Gemüse-, Kräuter-Saatgut Produktion in die Schweiz, zu Permakultur nach Australien und kleinbäuerlichen Gemeinschaften nach England. „Über den Wolken muss die Freiheit (äh Arbeit) wohl grenzenlos sein“. Für uns waren die Älplerszene mit Älplertreffen und den Alpsommern wichtig. Wir hatten dabei den Anspruch, dass Jede*r jede Arbeit macht und mit Jeder*m arbeitet. Die Wahrscheinlichkeit erfolgreich eine Gemeinschaft zu gründen, steigt bei Menschen, die zusammen eine Alp „überstanden“ haben.

Karin Weng (l.) - Diplom Agrarwirtschaft. Gelebt, geliebt, studiert von 1987 – 1993 Aktuell: Landwirtin, Schönhagen Motto: Ohne Firlefanz am ersten Studientag um 8 Uhr mit Bahn und Fahrrad angereist. Alles machen, können, wissen wollen. Martina Bünger (r.) - Diplom Agrarwirtschaft. Gelebt, geliebt, studiert von 1986 -1991 Aktuell: Dreschflegel-Saatgutversand, Witzenhausen Motto: Nach vier Jahren Praktika und Landwirtschaftslehre endlich Freiheit und Freizeit. Tierproduktion ade, es lebe die Gemeinschaft und der Gartenbau.

„Neben“ der Uni waren Aktivitäten wie der studentische Arbeitskreis „Ökologischer Landbau“, in dem wir verschiedene Ansätze (z.B. Fukuoka) betrachteten, unsere Theatergruppe mit dem Stück „Kuhjoslawien“ und der Kernbotschaft „You can get it, if you really want, but you must try, try and try“ wichtig. Unvergesslich sind natürlich auch die Tropenfeste, Diplomfeten, Vollmondfeste und Walpurgisnächte.

Der Golfkrieg machte uns deutlich, dass es wesentlich Wichtigeres als studieren gab. Nach wochenlanger Mahnwache startete ein Marsch mit Esel, Pferd und Kamel nach Frankfurt, um aus der Airbase eine Ährbase (Weizenaussaat auf der Airbase) zu machen. Es war die Anfangszeit der Freilandversuche von gentechnisch verändertem Saatgut bei der KWS in Northeim. Wir waren bei der Ackerbesetzung dabei und die Dringlichkeit der eigenen Saatgutvermehrung wurde immer deutlicher.

Schön, schön war die Zeit am Werrastrand, wo unsere Uni stand und Klausuren auf uns warteten.

Kuhmuhne -Gruppengründung

Was uns vereint - Frieden, Ökologie, Unabhängigkeit durch Selbstversorgung und handwerkliches Können, „Alpfieber“ und Alperfahrung, soziales Zusammenleben waren und sind unsere gemeinsamen wichtigen Themen. Uns war klar, in der Gemeinschaft miteinander Landwirtschaft und Gartenbau zu machen, erfüllt uns mehr als alleine zu wirtschaften. Unsere Politik ist, Vorbild auf der Scholle sein, Wissen weitergeben und das Gemeinwohl fördern.

Umsetzung - Nachdem wir mit der Kuhmuhne-Gruppe 1991 nach der Wende in Schönhagen unser Land gefunden hatten, gründeten wir einen gemeinnützigen Verein, der bis heute die Hofstelle und das Land an die Betriebe verpachtet.

Karin hat sich mit Anderen aus der Gemeinschaft um die Tiere und den Käse gekümmert. Daraus ist eine enge Zusammenarbeit und gegenseitige Unterstützung von Milchviehbetrieben in der Region entstanden. Die Kühe haben Schönhagen verlassen, aber der Käse blieb.

Martina hat 1990 mit sechs Anderen Dreschflegel gegründet und mit ihnen zusammen das angebaute Saatgut verkauft. Dreschflegel ist inzwischen ein Zusammenschluss von zur Zeit 16 Betrieben, die deutschlandweit verteilt Saatgut produzieren und die gesamte Betriebsführung gemeinsam abwickeln. Das heißt, auf unseren jährlich zwei Gesellschafter*innen-Treffen werden mit den ca. 25 Teilnehmer*innen alle wichtigen Beschlüsse gefasst.

Die enge Lebensgemeinschaft wurde nach zehn Jahren aufgelöst und es hat sich ein freundschaftliches und sich gegenseitig unterstützendes Miteinander entwickelt. Martinas Betrieb in Schönhagen hat inzwischen jemand übernommen und sie arbeitet heute im Versand der Dreschflegel GBR. Außerdem haben sich noch zwei weitere Saatgutbetriebe in Schönhagen angesiedelt. Die landwirtschaftlichen Flächen werden jetzt hauptsächlich mit einer Ziegenherde zur Erhaltung der Kalktrockenrasen bewirtschaftet. Seit 2003 wird mit Fördergeldern und Unterstützung von Dreschflegel der Schaugarten Schönhagen betrieben. Hier wird viel Wissen um Kulturpflanzen und Saatgutproduktion an Jung bis Alt weitergegeben.

Ausblick

Seit Corona ist restlos klar, dass es viel zu wenig Saatgutfirmen wie Dreschflegel in Deutschland gibt. Die Kunden rennen uns die Bude ein und wir konnten diese Saison schon nicht mehr alle bedienen. Die Ziegen fressen fleißig die Schlehen weg und der Einsatz tatkräftiger Vereinsmitglieder sorgen für den Erhalt zahlreicher Orchideen und Kalkmagerrasen Flora und Fauna. Die erwachsenen Kinder gehen ihrer Wege und die jungen Kinder genießen das Dorfleben.

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