Marie Woeste

Aufbau einer Solidarischen und regenerativen Landwirtschaft

Marie Woeste - BSc Ökologische Landwirtschaft, Abschluss 2020.

Aktuell: Betriebsleiterin der Gärtnerei Hof Woeste, Lüdenscheid

Mein Hintergrund

Mein Weg nach Witzenhausen startete ziemlich unökologisch: Als Erntehelferin stach ich einen Monat lang konventionellen Spargel in Western Australia. Allerdings prägte mich die Erfahrung ein Lebensmittel wachsen zu sehen, es zu ernten, zu sortieren, zu verpacken und es mit nach Hause zu nehmen, um es dort zuzubereiten. Dafür stand ich morgens gerne auf, konnte die Natur und das Vogelgezwitscher genießen. Nach einer kurzen Recherche kam für mich als Studienort nur Witzenhausen in Frage. Wenn wollte ich die umweltverträglichste Art der Landnutzung kennenlernen. Aber auf die Frage, was ich mit dem Studium machen möchte, hatte ich noch keine Antwort. Meinen elterlichen Betrieb wiederbeleben und dort etwas anbauen, das klang für mich nach einer Bauernhof-Idylle. Aber damit Geld verdienen? Nach außen beantwortete ich die Frage oft damit, dass ich mit meinem Bachelor auch ins Amt gehen oder Beraterin werden kann. Das klang vernünftig.

Mein Studium

Nach den ersten Semestern wurde mir klar, dass mein Herz besonders bei dem Thema Naturschutz und Landwirtschaft höher schlug. Der Gedanke mit Landwirtschaft nicht nur Menschen zu ernähren, sondern auch vielfältig andere Ökosystemdienstleistungen zu erfüllen, ließ mich engagierter und tiefer studieren. Besonders weiter gebracht haben mich dabei viele Möglichkeiten der Interaktion mit anderen Studierenden. Und genau das ist mir bis heute als eine der wertvollsten Erfahrungen hängen geblieben: Gemeinsam schaffen wir die Welt Stück für Stück nachhaltig zu verändern.

Dank der studentisch organisierten Gruppe „regenerative Landwirtschaft“ durfte ich an einem Abend in der Woche etwas über neue Wege der Landwirtschaft erfahren. Und auch, dass diese neuen Wege eigentlich schon von der Menschheit Jahrhunderte lang praktiziert wurden, wir sie in unseren festen Strukturen nur meist außer Reichweite sehen.

Darauf folgte, dass ich Teil des Organisationsteams der Witzenhäuser Konferenz wurde. Unser Thema, so grundlegend wie es ist, konnte alle unsere Interessen vereinen. „Der letzte Dreck: Bodenschutz in Politik und Praxis“ ließ uns alle thematisch ineinandergreifen. Das Wissen und die Begeisterung etwas für andere Menschen zu organisieren halten bis heute an.

In dieser Zeit wurde etwas in meinem Kopf ganz klar. Ich sollte keinen bürokratischen Beruf ausüben, nur weil er sicherer zu sein scheint. Die Veränderung beginnt bei mir. Die letzten Semester und meine Bachelorarbeit richtete ich also nun auf meinen elterlichen Betrieb aus. Wie kann ich dort am leichtesten Fuß fassen? Wie kann ich am meisten Menschen auf meinem Weg mitnehmen?

Mein Beruflicher Werdegang

Ein halbes Jahr vor meinem Abschluss war die Entscheidung gefallen. Ich und mein Partner bauen eine Gemüsegärtnerei mit einer solidarischen Landwirtschaft auf. Unser erster Informationsabend war ein voller Erfolg. Über 100 Menschen wollten uns zuhören und einige von ihnen schlossen sich unserem Kernteam an. Ein Jahr danach haben wir den Verein Solidarische Landwirtschaft Lüdenscheid gegründet. Unser gemeinnütziger Verein ist schon über 110 Mitglieder stark und soll sowohl Landwirt*innen in unserer Region vernetzen, als auch Naturschutz und Umweltbildung verwirklichen. Also eine umweltverträgliche Landwirtschaft direkt vor Ort möglich machen. Unser Weg mit den anstehenden Investitionen umzugehen war der Start einer Crowdfunding Kampagne, dank der wir unser Ziel mehr als erreichten.

Wir können nun im nächsten Jahr anfangen, auf unserer halben Hektar großen Gärtnerei Gemüse für etwa 100 Haushalte anzubauen. Ein erster Schritt uns und unsere Mitglieder von der Landwirtschaft zu ernähren. Unsere Vision geht allerdings noch weiter. Wir pflanzen im nächsten Jahr weitere Dauerkulturen, Sträucher und Bäume auf mehreren Flächen des Hofes. Unser Land soll uns Menschen genauso ernähren wie unsere Natur – dafür legen wir eine essbare Landschaft an. Mehrjährige Kulturen erlauben uns einen intakten Boden und langlebige Strukturen, von denen wir ernten und welche gleichzeitig Habitat bilden. Wir wollen einen Weg gehen, der zeigt, dass es auch anders geht und damit weitere Optionen für die zukünftige Landwirtschaft schaffen.

Rückblick auf Witzenhausen

Witzenhausen, mit seinen vielen Angeboten und Möglichkeiten, hat mir das grundlegende Verständnis geschenkt, Landwirtschaft als einen Prozess zu betrachten, und mir die Werkzeuge an die Hand gegeben meinen Weg umzusetzen. Ich bin sehr dankbar für meine Zeit dort, denn es hat mich zu der Frau gemacht, die ich heute sein darf und wird unserem Hof zu etwas Besonderem machen.

Kommentar

Maren Busch: Welch ein schöner Artikel und spannender Einblick in euer aktuelles Projekt. Ich drücke weiterhin fest die Daumen, dass ihr eure Vorhaben auf dem elterlichen Hof erfolgreich realisieren könnt.

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