Sammlung Feldhaus

Die Sammlung als Teil der Bibliothek des Landesamtes für Kulturgeschichte der Technik

Die Überreste der Bibliothek des Landesamtes für Kulturgeschichte der Technik (rund 8.000 Bände) wurden nach dem 2. Weltkrieg der Landesbibliothek Kassel übergeben und dort als Sammlung Feldhaus geführt. Die Landes- und Murhardschen Bibliothek ging 1976 an die Bibliothek der neugegründeten Universität (damals Gesamthochschule) Kassel über und die Sammlung Feldhaus wurde unter der Signatur 36 geschlossen in deren Bestand eingegliedert.

Im Rahmen des Projektes Kulturelle Überlieferung in Forschungsinformationssystemen unterstützte die Deutsche Forschungsgemeinschaft von 1999 bis 2003 die systematische bibliothekarische Erschließung der Bibliothek des Landesamtes, die so der Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht wurde.

Der Bestand ist vollständig in KARLA erfasst und kann zur Nutzung in den Lesesaal der Sondersammlungen oder über Fernleihe bestellt werden. Besonders wertvolle Stücke werden sukzessive digitalisiert und über das Onlinearchiv ORKA zugänglich gemacht.

Entstehung und Geschichte

Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert verstärkte sich in Deutschland das allgemeine Interesse an der Erforschung und musealen Präsentation der Geschichte der Naturwissenschaften und Technik. Ein Meilenstein in dieser Entwicklung war die Eröffnung des Deutschen Museums in München 1925, dessen Planung und Bau sich über nahezu ein Vierteljahrhundert hingezogen hatte.

Auch in Kassel gab es seit etwa 1926 Bestrebungen des Historisch-Physikalischen Arbeitskreises, ein Technisches Museum einzurichten. Diese Pläne nahmen jedoch erst Mitte der Dreißigerjahre weiter Gestalt an, nachdem Paul Adolf Kirchvogel unter dem Direktor Prof. Karl Luthmer als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter in den Dienst des Landesmuseums eingetreten war und bald darauf auch die Aufgaben des geschäftsführenden Bibliothekars der Gewerbehalle Kassel übernommen hatte.

Kirchvogel betreute die umfangreiche Sammlung von Globen, Uhren, Fernrohren, mathematischen und geodätischen Instrumenten des astronomisch-physikalischen Kabinetts. Damit unterstanden ihm die wohl wertvollsten Stücke der alten technischen Sammlungen der Landgrafen von Hessen-Kassel. Diese reichen bis in die Zeit des mathematisch-astronomisch außerordentlich interessierten Landgrafen Wilhelm IV. (1532-1592) zurück. An Wilhelms Hof waren hochspezialisierte Konstrukteure und Uhrmacher tätig, die den Landgrafen beim Aufbau eines der modernsten Observatorien seiner Zeit unterstützen. Auch unter Wilhelms Nachfolgern war das Interesse an naturkundlichen und technischen Fragestellungen am Kasseler Hof rege und trug zum sukzessiven Ausbau der hierauf bezogene Sammlungen bei.

Paul Adolf Kirchvogel und Karl Luthmer belebten 1936 den Arbeitskreis für Geschichte der Technik in Kurhessen neu und trieben mit Hilfe der exzellenten Verbindungen Prof. Luthmers die Planungen für ein technisches Museum in Kassel weiter voran. [1]

Franz Maria Feldhaus

Im September 1937 trat Franz Maria Feldhaus an Kirchvogel heran und bot an, dem Land unter bestimmten Voraussetzungen sein Archiv und seine Handbibliothek zu schenken. Der Forscher und Schriftsteller Feldhaus hatte über 30 Jahre lang in Berlin eines der größten privaten Archive zur Technikgeschichte zusammengetragen. Seine Bedingungen für die Schenkung waren: die Beschäftigung seiner Frau auf Lebenszeit im Archiv, und uneingeschränkten Zugang für ihn zu Archiv und Bibliothek.

Feldhaus befand sich zu dieser Zeit in einer existentiell schwierigen Lage: 1936 hatte ihm die TH Aachen auf politischen Druck hin den ihm 1924 verliehenen Ehrendoktortitel wieder aberkannt. Auch die Reichsschrifttumskammer hatte Feldhaus ausgeschlossen, was faktisch einem Berufsverbot gleichkam.

Ende 1938 war das Abkommen zwischen Feldhaus und dem Landeshauptmann Wilhelm Traupel perfekt, und Feldhaus siedelte mit Frau und Archiv nach Kassel um. Traupel machte Räume für das neue Landesamt für Kulturgeschichte der Technik im Kulturhaus am Königsplatz 59 frei, dem ehemaligen Palais Schlieffen.

Paul Adolf Kirchvogel brachte die Bibliothek der Gewerbehalle Kassel und ihre vollständige Sammlung aller deutschen Patentschriften in das neue Amt ein; das Landesamt für Kulturgeschichte der Technik wurde damit zugleich offizielle Auslegestelle der Patentschriften des Deutschen Reichspatentamtes. Der Haushaltsplan des Landesamtes sah zwei Personalstellen vor: Margarete Feldhaus wurde als Verwaltungsangestellte geführt, Paul Adolf Kirchvogel übernahm als Kustos die Leitung.

Eröffnung 1939

Am 3. April 1939 weihte Landeshauptmann Wilhelm Traupel das Landesamt für Kulturgeschichte der Technik ein. Zur gleichen Zeit eröffnete der Gauleiter für Kurhessen-Nassau Karl Weinrich eine Ausstellung Deutsches Wohnen in Stadt und Land im Kulturhaus, die von der Landesbauernschaft und der Handwerkerschaft gemeinsam durchgeführt wurde. Traupel und Weinrich hoben in ihren Ansprachen die Verbindung zwischen Handwerk und Technik hervor. Oberbürgermeister Gustav Lahmeyer hieß Feldhaus in Kassel willkommen und überreichte ihm als Dank für seine Schenkung die Plakette der Stadt Kassel. Traupel erhielt für die Schaffung des Kulturhauses die Plakette in Silber.

Neben Traupel, Weinrich, Lahmeyer, Feldhaus und Kirchvogel waren bei der Eröffnung auch der neue Direktor der Landesbibliothek Kassel Dr. des Coudres, Regierungspräsident v. Monbart, Landesbauernführer Seidler und Kreishandwerksmeister Stühler anwesend. Die Kurhessische Landeszeitung berichtete in ihrer Ausgabe vom 4. April ausführlich über das Ereignis.

In der Bildmitte weist Paul Adolf Kirchvogel, den Landeshauptmann (links neben ihm, halb verdeckt) und den gegenüber stehenden Gauleiter ein. Rechts daneben: Franz Maria Feldhaus, am rechten Bildrand Frau Margarete Feldhaus. In zweiter Reihe hinter Kirchvogel und Traupel sieht man den Regierungspräsidenten v. Monbart und links neben ihm Dr. des Coudres. Durch die geöffnete Tür ist im Nebenraum die Patentschriftensammlung sichtbar. Quelle: Frau Gela Fuchs, Tochter von F.M. Feldhaus.

Die Jahre unter Kirchvogel (1939 und 1940)

1940 veröffentlichte Kirchvogel in der Zeitschrift Technikgeschichte des VDI einen Beitrag zur Zielsetzung des Landesamtes und führte als Beispiele für sein bisheriges Wirken an: eine kleine Ausstellung zur Geschichte der Bühnentechnik anlässlich der Tagung der Deutschen Bühnentechnischen Gesellschaft im Staatstheater Kassel 1939 sowie eine Sammlung alter Handwerkerwappen für das Amt für Berufserziehung der Deutschen Arbeitsfront in Berlin.

Über die laufende Arbeit des Landesamtes schrieb er: "Umwelt, Zeit und Raum, das sind die drei Prüfungsfaktoren, sind die Prüfsteine, nach denen die Entwicklung der einzelnen technischen Kulturstufen untersucht werden muß. Das Ziel der Wissenschaftsbildung in der Technohistorik muß demnach die entwicklungsgeschichtliche Auflösung der Zusammenhänge technischer Gestaltungskraft in bezug auf eine gegebene 'Zeit-Raum-Umwelt' sein. Kriterien erkenntnistheoretischer, psychologischer und soziologischer Natur werden dann als sekundäre Prüfmittel dienen müssen. Zur Lösung dieser Aufgaben ist in den vergangenen Monaten im Landesamt umfangreiches Material gesammelt worden, das seinen Niederschlag in absehbarer Zeit in der Herausgabe von Zeittafeln finden wird, die auf diesen Grundsätzen aufgebaut sind und die damit auch als Lehrweiser für die zukünftige Einreihung der Technikgeschichte als Pflichtfach an den Technischen Hochschulen dienen können." [5]

Auflösung

"Der Kriegsbeginn ließ die erfolgreich begonnenen Arbeiten nicht zum Tragen kommen. Im Dezember 1945 löste der damalige Landeshauptmann aus, wie es hieß, nachkriegsbedingten Gründen das Landesamt auf." - so sollte Kirchvogel viele Jahre später resigniert die siebenjährige Tätigkeit des Landesamtes zusammenfassen. [7]

Nach Ende des Krieges war Landeshauptmann Häring angesichts der Zerstörung des Kulturhauses entschlossen, das Landesamt als solches trotz der erhaltenen gebliebenen Bestände aufzulösen; nach Kirchvogels Erinnerung hielt Häring damals "alle kulturellen Einrichtungen für fehl am Platz der Landesverwaltung." Dann beschlagnahmte ein Kommando der US-Armee im August 1945 die Patentschriftensammlung. Franz Maria Feldhaus holte sich über die Militäradministration die Karteien des Landesamtes zurück, und die Reste der Bibliothek kehrten heim nach Kassel und wurden einstweilen im Keller der Staatlichen Kunstsammlung untergebracht. [8]

Franz Maria Feldhaus siedelte 1947 mit seiner Frau nach Wilhelmshaven über und begann in den 50er Jahren erneut zu publizieren. Nach seinem Tod im Jahre 1957 führte die Witwe das Archiv eine Zeit lang weiter. Ab 1966 befand sich das Feldhaus-Archiv in der Obhut der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und ist jetzt Bestandteil des Historischen Archivs im Deutschen Technik-Museum Berlin. [9]

Paul Adolf Kirchvogel kehrte zum astronomisch-physikalischen Kabinett des Landesmuseums zurück, das er durch Ausstellungen und wissenschaftliche Arbeiten bekannt machte. Zum 1. April 1971 ging Kirchvogel in den Ruhestand, sollte jedoch die Leitung des Kabinetts noch weitere vier Jahre wahrnehmen. Der Verein Deutscher Ingenieure verlieh ihm in Anerkennung seiner technikgeschichtlichen Arbeiten 1973 die Ehrenplakette. Bis 1981 befasste Kirchvogel sich noch mit Technikgeschichte und erteilte Auskünfte bei Nachfragen an das Landesmuseum; dann übergab er seine gesammelten Unterlagen an das Hessische Staatsarchiv in Marburg.

[1] P. A. Kirchvogel: Die Jahre 1935 - 1945 im Hessischen Landesmuseum, Kunst in Hessen und am Mittelrhein, 28.1988, S. 129-131
[2] Einwohnerbuch Stadt und Landkreis Kassel 1940
[3] Kurhessische Landeszeitung vom 7. März 1939
[4] P. A. Kirchvogel: Historisch-technische Kulturpflege: aus dem Aufgabenkreis des Landesamtes für Kulturgeschichte der Technik, Hessische Heimat 1939/40, Heft 1, S. 16 ff.; vgl. auch eine Berichtigung im darauf folgenden Heft.
[5] P. A. Kirchvogel: Das Landesamt für Kulturgeschichte der Technik in Kassel, Technikgeschichte, 29.1940, S. 165-166.
[6] 400 Jahre Landesbibliothek, Kassel, 1980, S. 46.
[7] P. A. Kirchvogel: Auskunftsstelle für Technik und Naturwissenschaften: Übernahme der "Sammlung Kirchvogel" durch das Hessische Staatsarchiv Marburg, Mitteilungen aus den hessischen Staatsarchiven, 14.1982, S. 7-8.
Die hier genannte "Sammlung Kirchvogel" im Hessischen Staatsarchiv Marburg (Archivkennung 340 Kirchvogel) enthält vielfältiges Material zum Thema.
[8] Jahrbuch der deutschen Bibliotheken 34.1950.
[9] Der Essay von Hans-Erhard Lessing: Franz Maria Feldhaus - kann man von Technikgeschichte leben?, in: Pioniere aus Technik und Wirtschaft in Heidelberg, hrsg. von Peter Blum. Aachen: Shaker, 2000, S. 80 ff., gibt einen kurzen Einblick in Feldhaus' Leben und Wirken.