Highlights

Der "Solarcampus"

Vom Wintersemester 2005/06 bis zum Sommersemester 2007 wurden auf drei Gebäuden der Universität Photovoltaik-Anlagen zur klimafreundlichen Stromerzeugung mit einer Gesamtleistung von 66 kWprealisiert. Die Investitionskosten von zusammen fast 350.000 Euro wurden allein durch private Bürgerbeteiligungen sichergestellt. Aus den Erträgen der Anlagen werden die Darlehen über eine Laufzeit von 20 Jahren an die Investoren mit einer Verzinsung zwischen 4 % und  6% zurückbezahlt.

Treibende Kraft des Projekts waren die beteiligten Studierenden. Unter der Leitung von Prof. Dr. Klaus Vajen waren in der 1,5-jährigen Projektphase über 40 Studierende aus verschiedensten Fachrichtungen an der Planung und Umsetzung beteiligt. In den Projektteams arbeiteten Studierende aus Studiengängen Regenerative Energien und Energieeffizienz (re2), Wirtschaftsrecht, Ökologische Agrarwissenschaften, Architektur und Produkt Design eng zusammen. Die fachliche Vielfalt belebte den gesamten Prozess von den Vorplanungen bis zur endgültigen Umsetzung der Anlagen und vertiefte das Verständnis für die unterschiedliche Arbeitsweise der Fachrichtungen.

Inzwischen haben die Anlagen rund 750.000 kWh klimafreundlichen Strom ins öffentliche Netz eingespeist (Stand 08/2019). Informationen zu Erträgen sowie viele weitere Details zu den installierten PV-Anlagen können hier eingesehen werden:
SUNNY PORTAL der SMA Solar Technology AG

Durch das Projekt Solarcampuswurden Universitätsangehörige, Bürger und regionale Wirtschaftsunternehmen zusammengebracht und Kassel dadurch als attraktiver und lebendiger Standort für zukunftsweisende Umwelttechnologien und -projekte gestärkt.

Ich hatte die Möglichkeit gleich zu Beginn des Projektstudiums am Solarcampus teilzunehmen, als es um die Realisierung der damals zweitgrößten Photovoltaikanlage in Hessen auf dem Universitätsgelände ging. Durch meine Aufgabe als Koordinatorin der studentischen Gruppen zu den unterschiedlichen thematischen Schwerpunkten konnte ich bereits während meines Studiums wertvolle erste Erfahrungen in der Leitung von Gruppen sammeln, die mir bei meiner Persönlichkeitsentwicklung und meiner späteren beruflichen Orientierung sehr geholfen haben. Daher kann ich allen Studierenden, die die Möglichkeit haben am Projektstudium Solarcampus teilzunehmen, nur empfehlen diese Chance auch wahrzunehmen.“

Claudia Rose, Klimaschutzmanagerin der Landeshauptstadt Potsdam, Solarcampus WS 2006/07

 

Die Universität Kassel in Zahlen

Der Gebäudebestand der Universität Kassel verteilte sich 2010 auf insgesamt sieben Liegenschaften im Kasseler Stadtgebiet sowie zwei weitere in der Ortschaft Witzenhausen. Damals wurden rund 85 Gebäude mit einer Nettogrundfläche von knapp 300.000 m2 durch die Universität genutzt. Knapp 40 % der Gebäude bzw. rund 45 % der Gebäudeflächen waren am Standort Holländischer Platz zu finden. Es folgten der Standort Aufbau- und Verfügungszentrum (AVZ) mit etwa 20 % der Flächen sowie die ehemalige Ingenieurschule und die Kunsthochschule mit jeweils rund 10 %.

Im Rahmen einer Grobanalyse der Liegenschaften der Universität Kassel wurde der Endenergieverbrauch unterteilt nach Energieträgern ausgewertet und den einzelnen Standorten und Gebäuden zugeordnet. Darauf aufbauend wurden spezifische Verbrauchskennzahlen erstellt und mit Benchmarks verglichen. Aus den Ergebnissen wurde eine Potenzialabschätzung abgeleitet. Im Vergleich mit anderen Hochschulen zeigte sich, dass die Universität Kassel insgesamt relativ niedrige thermische und elektrische Verbrauchskennwerte aufweist, sowohl bei den flächenspezifischen als auch bei den auf die Anzahl der Studierenden bezogen Größen. Die Ursache hierfür liegt einerseits in dem relativ jungen Gebäudebestand und andererseits dem unterdurchschnittlichen Anteil von Fachrichtungen mit hohen technischen Anforderungen (Naturwissenschaften, Ingenieurwissenschaften, Medizin). Auf Gebäudeebene ergab sich für die spezifischen Energieverbrauchswerte ein sehr heterogenes Bild. Insgesamt zeigen die meisten Gebäude plausible Werte ohne Auffälligkeiten und bewegen sich in der Größenordnung typischer Referenzwerte. Dies führt zu dem Schluss, den Fokus im Rahmen weiterer Detailanalysen auf die Großverbraucher zu legen.

Insgesamt deutete vieles darauf hin, dass die wirtschaftlich erschließbaren Energieeinsparpotenziale sowohl beim thermischen als auch beim elektrischen Energieverbrauch signifikant sind. Auf Grundlage der endenergetischen Benchmarks wurden die wirtschaftlich erschließbaren Energieeinsparpotentiale für den gesamten Gebäudebestand der Universität Kassel mit mindestens 10 % des damaligen Verbrauchs an Fernwärme und Brennstoffen sowie mindestens 15 % des damaligen elektrischen Energieverbrauchs abgeschätzt.

Die Solarcampus Studierenden haben eine Vielzahl an technischen Effizienzmaßnahmen identifiziert und deren Umsetzung begleitet. Die größten Einsparpotentiale sind in der obenstehenden (vergrößerbaren) Tabelle dargestellt.

„Im Rahmen des Projektstudiums Solarcampus hatte unsere Gruppe den Energie- und Wasserverbrauch der Standorte der Universität Kassel analysiert, Vergleiche über Benchmarks vergleichbaren Liegenschaften durchzuführen und in Hinblick auf den Energie- und Wasserverbrauch besonders kritische Gebäude zu identifizieren. Speziell die Analyse der Energieeffizienz der Liegenschaften der Universität Kassel war der inhaltliche Grundstein für meine spätere Promotion an der Universität Kassel, während der ich viele spannende Energieeffizienzthemen im Rahmen des Solarcampus auch als Lehrender begleiten durfte. Meine erste Arbeitsstelle nach der Promotion als Energieeffizienzmanagers an der Freien Universität Berlin schloss sich inhaltlich direkt an. Auch bei meiner heutigen Tätigkeit im brandenburgischen Wirtschaftsministerium profitiere ich hin und wieder noch von meinen Solarcampus-Erfahrungen.“

Dr.-Ing. Philipp Emmerich, Referent im Ministerium für Wirtschaft und Energie des Landes Brandenburg, Solarcampus WS 2007/08 und 2009-2014

JVA Kassel

Auf Initiative der „Grünen Knastgruppe“ startete im Sommersemester 2015 ein Projekt in Zusammenarbeit mit der Justizvollzugsanstalt Kassel 1. Über insgesamt fünf Semester untersuchten Studierende den Ist-Zustand der Haftanstalt, entwickelten Effizienzmaßnahmen und untersuchten Finanzierungsmöglichkeiten für die identifizierten Maßnahmen.

Bei der JVA Kassel 1 im Stadtteil Wehlheiden handelt es sich um ein in 1873 errichtetes panoptisches Gebäude, das derzeit mit bis zu 500 Gefangenen besetzt werden kann. Aufgrund der Größe der Anlage, die auch ein Krankenhaus, eine Küche und Wäscherei sowie Werkstätten mit Arbeitsplätzen für die Gefangenen umfasst, ist die JVA einer der größten Energie- und Wasserverbraucher Kassels.

Aufgrund der nur groben Zählerstruktur lag der Fokus der ersten Semester auf der Bestandsaufnahme, der Identifikation von großen Verbrauchern und soweit möglich der Erfassung des jeweiligen Wasser- bzw. Energieverbrauches. Hierauf aufbauend wurden diverse Maßnahmen zur Wasser-, Energie-, und damit auch Kosteneinsparung entwickelt und bewertet. Dabei lag ein besonderes Augenmerk auf einer kurzen Amortisationszeit, da die JVA derzeit abschnittsweise Grundsaniert wird, was sich voraussichtlich bis Mitte der 2030er Jahre hinziehen wird, weshalb Maßnahmen mit langen Amortisationszeiten nur schwer umsetzbar sind. Aber auch Ideen, die in das Sanierungskonzept einfließen können, wurden entwickelt und präsentiert.

Unter den identifizierten Effizienzpotentialen besonders hervorzuheben sind bspw. der Austausch der Außen- und Flurbeleuchtung, die Erneuerung der 70 Jahre alten, einfach verglasten Gangfenster, Wassersparmaßnahmen in den Zellen und Duschen sowie die Optimierung der raumlufttechnischen Anlage im gefängniseigenen Krankenhaus.

Neben den technischen Maßnahmen waren aber auch Finanzierungsoptionen und Anreizmodelle zur Umsetzung der ausgearbeiteten Verbesserungsvorschläge ein wichtiger Aspekt des Solarcampus in der JVA, da es sich um eine Situation handelt, bei der niemand vor Ort in der JVA direkt von den Einsparungen profitieren würde: Die Mitarbeiter vor Ort haben einen deutlich anderen Arbeitsfokus, die Insassen haben keinen direkten Anreiz sich durch Verhaltensänderungen an einem effizienten Umgang mit Energie und Wasser zu beteiligen und Einsparungen würden nicht – auch nicht anteilig – bei der Anstaltsleitung zur freien Verwendung  in der Anstalt verbleiben.

Für die Studierenden, die in der JVA tätig waren, war es nicht nur ein spannendes Projekt aus technischer und ökonomischer Perspektive, sondern bot auch die Möglichkeit spannender sozialer Erfahrungen im laufenden Betrieb einer Haftanstalt.

Die technischen und ökonomischen Ergebnisse des Projektstudiums waren nicht nur für den Anstaltsleiter Herrn Meister sehr interessant, sondern riefen auch auf politischer Seite großes Interesse hervor. So hatten die Studierenden die Möglichkeit die Ergebnisse im Rahmen einer kurzen Präsentation auch der damaligen Justizministerin des Landes Hessen Eva Kühne-Herrmann und der Grünen Landtagsabgeordneten Karin Müller vorzustellen.

"Ich entschied mich für das Projektstudium Solarcampus, da es mir eigenständiges Arbeiten mit Praxisbezug schon während des Studiums ermöglichte. In einer Kleingruppe konnten wir Effizienzpotentiale im Strom- und Wasserverbrauch, sowie bei den Heizsystemen aufzeigen. Neben dieser fachlichen Ebene waren unsere Erfahrungen vor Allem zwischenmenschlicher Natur. Der Umgang mit unseren Ansprechpartnern in der JVA aber besonders mit den Häftlingen war besonders interessant."

Weena Bergsträßer, Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Kassel, Solarcampus WS 2015/16

Die Klimakampagne des BALI-Kinos

Aufbauend auf vorangehenden Semesterarbeiten hat das Solarcampus-Projektteam im Sommersemester 2018 gemeinsam mit den Filmladen Kassel e.V., bestehend aus den Kinos Filmladen, Gloria und BALi, eine Klimakampagne durchgeführt. Diese fand im BALi-Kino statt und zielte darauf ab, die Kinogruppe bei dem Ziel zu unterstützen langfristig ein CO2-neutrales Kinoerlebnis anzubieten zu können. Dabei wurden insbesondere die KinobesucherInnen in das Vorhaben miteinbezogen.

Die Kampagne fand vom 23. August bis zum 12. September 2018 im BALi-Kino am Kassler Hauptbahnhof statt. Zu dieser Zeit liefen dort die Filme „BlacKkKlansman“, „Grüner wird´s nicht“ und „Egal was kommt“. In einem Informationsflyer wurden alle wichtigen Informationen über die Kampagne dargestellt. Selbstverständlich war die Teilnahme freiwillig und anonym.

Studierende der Solarcampusgruppe und MitarbeiterInnen der Universität, die das Solarcampusteam bei der Durchführung der Kampagne unterstützt haben, standen bereit um die Teilnehmenden um die Beantwortung eines Fragebogens zu bitten. Folgende sechs Fragen wurden gestellt: Wie oft im Jahr gehen Sie ungefähr in die Kinos Filmladen, BALi, Gloria inkl. des Open Airs? Wie sind Sie heute Abend hierhergekommen? Mit wie vielen Personen, ohne Sie selbst, sind Sie heute Abend hierhergekommen und was ist Ihre Beziehung zu diesen Personen? Wie ernst denken Sie ist das Problem des Klimawandels auf einer Skala von 1 (überhaupt nicht ernst) bis 5 (extrem ernst)? Wie lautet Ihre Postleitzahl? Was ist Ihr Geburtsjahr? Zudem wurde das Geschlecht notiert.

Nach der Beantwortung der Fragen erklärte der/die MitarbeiterIn, dass Beiträge gesammelt werden, die helfen sollen, dass die Kinogruppe langfristig klimaneutral wird. Weiterhin wurde erläutert, dass die Kinogruppe seine CO2-Emissionen senken möchte, beispielsweise durch den vermehrten Einsatz von sauberen Technologien. Alle BesucherInnen wurden dann gefragt, ob sie einen Beitrag zur Erreichung des Klimaneutralitätsziels leisten möchten.

Die Klimakampagne wurde von den KinobesucherInnen gut angenommen. 938 Personen nahmen an der Kampagne teil und spendeten insgesamt 3150,91 €, um das Ziel der Klimaneutralität der Kinogruppe zu unterstützen. Die TeilnehmerInnen waren zu 48 % männlich und zu 52 % weiblich. Das Durchschnittsalter lag bei 48 Jahren. Die weiteren Ergebnisse werden in der Abbildung "Ergebnisse der Klimakampagne" zusammengefasst.

„Das Arbeiten in der Solarcampus Veranstaltung war zeitgleich fördernd und fordernd. In intensiver Abstimmung mit den BetreuerInnen haben wir als Team eine Befragung von Kinobesucherinnen und Kinobesucher konzipiert, vorbereitet und schlussendlich mit etwa 900 Teilnehmenden durchgeführt. Neben der gewonnenen Erfahrung habe ich insbesondere davon profitiert, dass ich die erhobenen Daten im Rahmen meiner Masterarbeit auswerten konnte. Somit hat sich die Solarcampus Veranstaltung in vieler Hinsicht positiv auf meine Ausbildung und meinen Studienabschluss ausgewirkt.“

Sina Haas, Studierende im Master Nachhaltiges Wirtschaften, Solarcampus SS 2018