Forschungsprofil des FB 02
Forschungsprofil des Fachbereichs Geistes- und Kulturwissenschaften
Die sehr differenzierte geisteswissenschaftliche Fächerkultur des Fachbereichs hat zu einer vielfältigen Forschungslandschaft geführt. In dieser Breite der Themen und Methoden, die keinesfalls auf wenige Leitbegriffe reduzierbar ist, sehen wir ein Profilmerkmal unserer Forschungskultur.
Charakteristisch sind dabei agile Formate des Forschungsdesigns. Im Gegensatz zu engmaschig vorgeplanten und deswegen fremdbestimmt anmutenden Großprojekten oder hochkomplexen und somit trägen Verbundforschungsapparaten beruhen sie auf individuell überschaubaren, nahezu unhierarchischen und daher schnell reaktionsfähigen Strukturen. Solche für das fortgeschrittene 21. Jahrhundert zeitgemäß schlanken Architekturen gewährleisten, dass die Forschungskapazitäten des FB 02 nicht durch umfangreiche Antrags-, Koordinations- oder Berichtsaufgaben blockiert werden, sondern nahezu ungeschmälert dem wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritt zugutekommen. Moderne Prinzipien wie u.a. schonender Umgang mit den gegebenen Forschungsressourcen, strikt problemorientierte Interdisziplinarität oder binnenstrukturelle Sparsamkeit sind leitend für die zielgenaue und daher effektive Forschungskultur des Fachbereichs Geistes- und Kulturwissenschaften.
Gleichwohl ist der Fachbereich auch in zwei hochschulweite Forschungsschwerpunkte eingebunden, in denen mehrere seiner Fachgebiete fachbereichsübergreifend und interdisziplinär zusammenarbeiten: in der Kultur- und Geschlechterforschung sowie in der Empirischen Bildungsforschung. Weitere Schwerpunktsetzungen ergeben sich unter den Oberbegriffen „Textwissenschaft und Textkompetenz“, „Mehrsprachigkeitsforschung“ sowie in der Forschung zum Werk und Wirken der Brüder Grimm.
Forschungsschwerpunkte am FB 02
Veröffentlichungen des Fachbereichs
Kleffmann, Tom: Der Römerbrief des Paulus. Eine Interpretation in systematisch-theologischer Absicht. Tübingen: Mohr Siebeck 2022.
Das vorliegende Werk unterscheidet sich von der Fülle der exegetischen Kommentare dadurch, dass es eine systematisch orientierte Interpretation versucht. Das heißt, es werden schwerpunktmäßig die grundlegenden Verständnisprobleme des christlichen Glaubens diskutiert, die der Römerbrief entfaltet. Dazu gehören die Fragen: Was ist Sünde und inwiefern ist sie allgemein? Was bedeuten Gesetz, Gericht und Gerechtigkeit Gottes? Was besagt die Rechtfertigung des Sünders aus Gnade
und im Glauben an Christus? Wie stellt sich das neue Leben des Gerechtfertigten in der Christusgemeinschaft dar und was besagt es für das Zusammenleben der Gemeinde? Ein durchlaufendes Thema ist auch das Verständnis der Heilsgeschichte und der Bedeutung Israels darin.
Mirja Kutzer / Peter Walter (2022): Maria in Geschichte und Gegenwart. Befreiende Perspektiven auf die Mutter Jesu. Freiburg i.Br.: Herder 2022.
Eine befreite Sicht auf Maria
Gläubige Vorstellungen von Maria sind vielfach befrachtet mit Legenden und Idealen, mit Wundererwartungen und Frömmigkeitspraktiken. Längst sind auch die Ambivalenzen ihrer Stilisierung zum jungfräulichen und demütigen Vorbild, insbesondere für Frauen, deutlich. Peter Walter und Mirja Kutzer legen eine kritische, zeitgemäße Mariologie vor. Sie unterziehen die vielfältigen, an die Gestalt der Mutter Jesu angelagerten Vorstellungen einer grundlegenden Revision und eröffnen so eine befreite und befreiende Sicht auf Maria. Inspirierende Impulse für eine heutige Mariologie und ein wichtiger Beitrag zur Diskussion um die Rolle der Frau in der Kirche.
Nils Lehnert / Ina Schenker / Andreas Wicke (Hg.): Gehörte Geschichten. Phänomene des Auditiven. Berlin/Boston: de Gruyter 2022.
Mit Beiträgen an dem Band beteiligt sind aus Kassel außerdem Stefan Greif, Jan Sinning und Martin Maurach sowie ein ehemaliger Kasseler, Florian Rietz.
„Auditive Texte haben Konjunktur: Hörspiele, Lesungen, Podcasts, Audioguides und elektroakustische Experimente zeigen die Vielfalt gehörter Geschichten. Die Beiträge systematisieren die unterschiedlichen Gegenstände hinsichtlich der Genrefrage oder modellieren theoretisch-methodische Zugänge, die in konkreten Analysen medienspezifisch exemplifiziert werden. Semiotische Zugänge stehen dabei neben kulturwissenschaftlichen und didaktischen Perspektiven.“
Christine Ansari / Caroline Frank (Hg.): Narrative der Flucht. Medienwissenschaftliche und didaktische Perspektiven. Berlin: Peter Lang 2022.
„Der Band gliedert sich in die Rubriken Flucht und Theater, Flucht und Romane/Erzählungen, Flucht und Spiel-/Dokumentarfilm sowie Flucht und Comic/Graphic Novel. Er führt Forschungsbeiträge zusammen, die an der Schnittstelle zwischen Literatur-/Medienwissenschaft und Literatur-/Mediendidaktik zu verorten sind. Der Fokus der Beiträge liegt auf der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit aktuellen Narrativen zum Thema Flucht und Vertreibung, die in den letzten circa 20 Jahren erschienen sind und sich im Besonderen mit Fluchtbewegungen in europäische Länder befassen. Es werden aber auch diachrone Perspektiven eröffnet, um Fluchtbewegungen der Gegenwart in einen weiteren historischen Rahmen einordnen zu können. Während einige Beiträge explizite Vorschläge zur Anwendung im (Schul-)Unterricht machen, liefern andere durch ihre wissenschaftlichen Zugangsweisen implizite Anregungen für eine Didaktisierung.“
Briefwechsel der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm mit Johann Martin Lappenberg, Friedrich Lisch und Georg Waitz. Hrsg. von Berthold Friemel, Vinzenz Hoppe, Philip Kraut, Holger Ehrhardt und Roman A. Barton. Stuttgart: Hirzel 2022.
„Dieser Band dokumentiert Jacob und Wilhelm Grimms Kooperation mit drei der bedeutendsten Historiker ihrer Zeit: Johann Martin Lappenberg, Friedrich Lisch und Georg Waitz. Lappenberg, Hamburger Stadtarchivar, galt als einer der besten Spezialisten für die Geschichte der Hanse und die frühe Geschichte Englands. Wie Waitz leistete er große und bedeutende Beiträge zur Sammlung und Herausgabe der mittelalterlichen europäischen Geschichtsquellen. Lisch, Archivar in Schwerin und mecklenburgischer Altertumsforscher, korrespondierte mit den Brüdern Grimm vor allem über Vorgeschichte, Archäologie und mittelalterliche Handschriften. Spätere disziplinäre Differenzierung hat in Vergessenheit geraten lassen, in welchem Ausmaß die Brüder Grimm auch bei den damaligen Historikern anerkannt und in deren Kreis eingebunden waren, was auch in politischer Hinsicht gilt. Jacob Grimms Briefwechsel mit Waitz dokumentiert einen wesentlichen Wandel seiner politischen Meinung nach den Erfahrungen von 1848 (beide waren Abgeordnete der Nationalversammlung). Die bisher nahezu unveröffentlichten Briefwechsel werden durch detaillierte Sachkommentare erschlossen.“
Klumbies, Paul-Gerhard: Neutestamentliche Debatten von 1900 bis zur Gegenwart. Tübingen: Mohr Siebeck 2022.
„Die neutestamentlichen Debatten der zurückliegenden 125 Jahre umfassen drei Themenschwerpunkte: Sie diskutieren das Verhältnis zwischen dem antiken Weltbild und der aufgeklärten Weltsicht der Gegenwart; sie behandeln die Beziehung zwischen Jesus als historischer Persönlichkeit und der auf ihn bezogenen Christologie; und sie ringen um die Relation zwischen Judentum und Christentum.
Angesichts der Vielfalt exegetischer Detailforschung zeichnet Paul-Gerhard Klumbies die übergreifenden Gesprächsfäden in der neutestamentlichen Wissenschaft seit dem Jahr 1900 nach. Seine Rückschau zeigt, wie Denkbewegungen unter veränderten zeitgeschichtlichen Umständen fortentwickelt und in Neuformulierungen alte Themen weitergeführt worden sind. Die Auswahl der Stimmen orientiert sich daran, inwieweit die Beiträge unter theologischem Gesichtspunkt Bedeutung für die Wissenschaft vom Neuen Testament besitzen.“