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14.04.2022 | Literaturkritik

»Zu den Elefanten« von Peter Karoshi: „Wollte ich also damals, vor wenigen Tagen nur in Wirklichkeit, die Zeit anhalten?“ Von einem Vater-Sohn-Abenteuer, Erinnerungen und der Reise zu sich selbst

von Sabrina Siebert

Bild: Britta Sommer

„Ich bin Theo, und alles was gekommen ist, ich habe es einfach immer angenommen.“
Mit diesen Worten beginnt die 2021 erschienene Novelle „Zu den Elefanten“ des in Wien lebenden Historikers Peter Karoshi. Es ist nach seinem 2009 erschienenen Debütroman „Grünes, grünes Gras“ das erste Werk, das er seit zwölf Jahren veröffentlicht hat und es gelang ihm, damit sogleich auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises zu gelangen. Mit einer Novelle, welche die Leser*innen auf eine doppelte Reise mitnimmt: die Reise eines Vaters mit seinem Sohn durch die Alpen – und eine Reise in das Innenleben des Protagonisten.

Theo, ein Geisteswissenschaftler mittleren Alters, hinterfragt die Gänge des Lebens, und ist auf der Suche nach sich selbst: „Ich war erwachsen und alles war ein rasender Strudel geworden“. Sein Familien- und Berufsleben scheint aus der Bahn gerückt, als er sich gemeinsam mit seinem Sohn Moritz auf ein Abenteuer begibt, welche die Reise des Kaisers Maximilian II. mit seinem Elefanten Soliman zum historischen Vorbild hat. Das Vater-Sohn- Gespann startet seine Reise in Salzburg und nach einem holprigen Start, viel fehlender Planung und einigen teils wundersamen Begegnungen verschwindet der neunjährige Moritz und Theo folgt seiner Spur quer durch die Alpen. Bei seiner Wanderung schweift er wieder und wieder in sein Innerstes, hinterfragt seine Ehe, seine Entscheidungen, während sich um ihn herum die Ereignisse immer weiter überschlagen und gar ins Surreale abgleiten.

Peter Karoshi entwirft in seiner Novelle einen nur schwer greifbaren Handlungsrahmen rund um die Reise der beiden Figuren, welcher Melancholie auslöst. Durch die abenteuerlichen und realitätsfernen Wendungen der Geschichte fällt es als Leser*in sehr schwer, sich in die Erlebnisse und Empfindungen der Figuren einzufühlen. Der Elefant, welcher sowohl namensgebend für das Werk war als auch die Inspiration für das Abenteuer von Vater und Sohn gegeben hat, verleiht den Geschehnissen etwas Magisches, leider tritt er nach Beginn der Novelle schnell in den Hintergrund und gerät in Vergessenheit. In den Fokus rückt stattdessen ein Protagonist, der sich auf der Suche nach sich selbst mental aufreibt und in kürzester Zeit in diverse Situationen gerät, die nahezu als fantastisch oder traumhaft beschrieben werden können. Sei es ein wilder Abend in einer Hotelbar mit anschließendem Mordverdacht oder eine irrationale Flucht, die in einem Busunglück endet – man verliert schnell die Verbindung zu den Geschehnissen. Es ist, als läge ein Schleier über dem Plot der Novelle - das Überspitzte, Wahnwitzige und Unwirkliche lässt die Leser:innen mit einem diffusen Gefühl zurück, mitten in einem Strudel aus Gedächtnissplittern und Erinnerung. Peter Karoshis „Zu den Elefanten“ hat einen experimentellen Charakter, man findet nur wenige Antworten auf die Rätsel des Textes und bleibt zurück mit der Frage: War alles nur ein Traum?