ITeG Ringvorlesung 2023/2024
Mittwoch, 17:00 CET
via ZOOM
Nähere Informationen zu den einzelnen Vorträgen folgen in Kürze
Software-basierte Systeme unterstützen auf vielfältige Art und Weise Strukturen und Prozesse zur Regelung der Angelegenheiten von Staaten und Staatengemeinschaften. Sie werden zur Analyse, zum Vergleich oder zum Monitoring politischer Inhalte eingesetzt. Soziale Plattformen, gleichsam Software-basierte Systeme haben wesentlich den öffentlichen Diskurs und die Meinungsbildung verändert. Sowohl Informations- als auch Desinformationskampagnen sind in enormer Geschwindigkeit und Skalierung realisierbar. Zudem tragen Software-basierte Systeme inhärent Werte in sich, die im Entwurf, in der Entwicklung, in Konditionierung/Konfiguration und Betrieb ausgeprägt werden – teils bewusst, oftmals unbewusst. Auch können Software-basierte Systeme die Erreichung der Nachhaltigkeitsziele der UN wesentlich ermöglichen als auch gleichsam verhindern.
Was, wenn Software-basierte Systeme als universelle Werkzeuge so zu einer Macht des Faktischen werden? Was ist mit unserem demokratischen Grundverständnis vereinbar? Wie kann es eingehegt werden? Sind Regulierungen das Mittel der Wahl? Welche Rolle sollten Softwerker und -werkerinnen einnehmen, wenn perspektivisch Software unser Rechtssystem oder andere zentrale Prozesse unserer Gesellschaft bestimmen? In der Vorlesung werden ausgewählte Beobachtungen aufbereitet und miteinander diskutiert, auch wenn fundamentale Fragen wie oben aufgeführt nur angerissen werden können.
Ina Schieferdecker ist Honorarprofessorin der Technischen Universität Berlin zu Software-basierten Innovationen. Sie war Abteilungsleiterin für Forschung für technologische Souveränität und Innovationen im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) zu modernen Schlüsseltechnologien wie Quantentechnologien, Materialtechnologien, Mikroelektronik, Kommunikation, Software- und KI-Technologien sowie zur Zukunft der Arbeit und zur Wertschöpfung. Zuvor war Frau Schieferdecker Co-Institutsleiterin des Fraunhofer-Instituts für offene Kommunikationssysteme, Professorin für Quality Engineering offener verteilter Systeme an der Technischen Universität Berlin und Co-Gründungsdirektorin des Weizenbaum-Instituts für die Vernetzte Gesellschaft. Sie ist Mitglied der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften acatech und Ehrenmitglied des German Testing Boards.
Die nächste Gesellschaft wird eine der Anpassung sein. Konnte die (spät-)moderne Konstellation noch mit dem Versprechen auf wachsende Spielräume für die Selbstentfaltung der Einzelnen locken, treten schon heute grundsätzliche Stabilisierungsprobleme ins Zentrum der Wahrnehmung: Ob Klima, Biosphäre, soziale Ungleichheit, Demokratie oder Leiden an Selbstverwirklichungsüberforderungen – Selbsterhaltung wird zum Leitmotiv gesellschaftlicher Selbstthematisierung, Anpassung zum Imperativ individueller Lebensführung und politischer Steuerung. Digitale Technologien gewinnen in diesem Kontext eine neue gesellschaftliche Bedeutung. Sie sollen nun nicht mehr primär der Optimierung ökonomischer Prozesse dienen, sondern dabei helfen, Anpassungskonflikte erfolgreich zu entpolitisieren. Kann eine solche technokratische Sehnsucht Erfüllung finden?
Philipp Staab ist Professor für Soziologie der Zukunft der Arbeit an der Humboldt-Universität zu Berlin und am Einstein Center Digital Future. In seiner Forschung verbindet er Themen der Arbeit, Sozialstrukturanalyse, Techniksoziologie und politischen Ökonomie in gegenwartsanalytischer Absicht. Aktuell befasst er sich insbesondere mit Fragen der politischen Gestaltung des digitalen Kapitalismus, des Zusammenhangs von Digitalisierung und Nachhaltigkeit sowie der Rolle kritischer Infrastrukturen für die Zukunftsfähigkeit moderner Gesellschaften.
In der Medizin wird zunehmend das Ziel verfolgt, verschiedene Arten von Gesundheitsdaten zu verknüpfen, um die Behandlung noch genauer auf die individuellen Bedürfnisse von Patient:innen anzupassen. Dazu sollen zum Beispiel Daten aus der Krankenversorgung oder aus wissenschaftlichen Studien genutzt werden, aber auch Daten, die wir selbst mit Gesundheits-Apps oder Fitness-Armbändern erheben.
Diese Daten könnten dann in der elektronischen Patientenakte gespeichert werden, aber damit andere diese Daten nutzen können, brauchen sie eine ausdrückliche Zustimmung. Und das ist ein wichtiger Punkt, denn dabei geht es um unsere persönlichen Daten und unsere Privatsphäre.
Was bedeutet es also, wenn wir uns dazu entscheiden, unsere Daten zu teilen? Welche Konsequenzen hat das und was müssen wir dabei beachten? Diesen Fragen möchte ich in meinem Vortrag nachgehen.
Zuerst möchte ich die Herausforderungen vorstellen, die es aktuell bei der Zustimmung zur Datennutzung gibt. Danach möchte ich unseren neuen Ansatz vorstellen, der unsere Werte in den Mittelpunkt stellt, wenn es um die Entscheidung geht, unsere Daten zu teilen.
Claudia Müller-Birn ist Professorin für Human-Centered Computing an der Freien Universität Berlin. Darüber hinaus ist sie Principal Investigator am Exzellenzcluster "Matters of Activity" der Humboldt-Universität zu Berlin. Ihre Forschung fokussiert sich auf die Mensch-Computer-Interaktion mit einem Schwerpunkt auf eine sozial verantwortungsvolle Technologiegestaltung. Vor ihrer Position an der Freien Universität Berlin hat sie als Feodor Lynen-Stipendiatin der Alexander von Humboldt-Stiftung als Postdoktorandin an der der Carnegie Mellon University geforscht.
Sie leitet verschiedene interdisziplinäre Forschungsprojekte, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert werden. Der Fokus ihrer Arbeit liegt auf der Human-Computer-Collaboration. Dabei geht es ihr vor allem darum, Menschen und Algorithmen so miteinander interagieren zu lassen, dass die menschliche Entscheidungsfindung verbessert wird.
In ihrer aktuellen Forschung beschäftigt sie sich mit der Gestaltung von Interaktionsdesigns, die eine wertkongruente Entscheidungsfindung bei Datenspenden ermöglichen sowie, inwiefern kontextualisierte Erklärungen in datengetriebenen Systemen die Entscheidungsqualität erhöhen können.