Forschungsgruppe entwickelt vier Energieszenarien für Europas Klimaziele
Bild: Sonja Rode.„Europa erwärmt sich schneller als jeder andere Kontinent, rund ein Grad stärker als der globale Durchschnitt. Um das Ziel einer Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen, braucht die Europäische Union klare Orientierungspunkte und Ambitionen für die Umsetzung der Energiewende“, erklärt Hoffart, Vertretungsprofessorin für Transformational Economics am Kassel Institute for Sustainability und Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Universität Kassel. Die vier Szenarien – EU Trinity, NECP Essentials, REPowerEU++ und Go RES – sollen dafür Orientierung liefern.
Zugleich adressiert die Arbeit einen häufigen Kritikpunkt an Energieszenarien: „Szenarien werden oftmals dafür kritisiert, soziale und nicht-technische Faktoren nicht ausreichend zu berücksichtigen. Doch gerade das ist entscheidend, denn die Energiewende ist kein rein technisches Projekt, sondern in Gesellschaft und Politik eingebettet. Daher berücksichtigen wir diese Faktoren in Form von qualitativen Narrativen und übersetzen sie anschließend in konkrete Zahlen“, so Hoffart.
Auf Basis der vier Szenarien leiten die Forschenden konkrete Handlungsempfehlungen ab: Ein zentraler Hebel sei die Schaffung wirksamer finanzieller Anreize, etwa durch grüne Anleihen, um Innovationen zu beschleunigen. Harmonisierte nationale Energiepolitiken könnten die Integration europäischer Energiemärkte und die gemeinsame Infrastrukturplanung stärken. Ebenso wichtig seien verbindliche Zwischenziele über die bestehenden nationalen Energie- und Klimapläne hinaus, um Fortschritte auf dem Weg zur Klimaneutralität messbar zu machen. Gleichzeitig werde die Förderung dezentraler Energieversorgung und lokaler Initiativen als entscheidend für eine sozial gerechte und regional verankerte Energiewende angesehen.
Die Szenarien wurden mithilfe der Qualitative-to-Quantitative (Q2Q) Matrix entwickelt, die qualitative Zukunftsnarrative in quantitative Berechnungen übersetzt. So lassen sich Annahmen zu Politik, Technologie, Infrastruktur und Energieverbrauch klar vergleichen und nachvollziehen. Zusätzlich wurden zwei Szenarien, REPowerEU++ und Go RES, mit dem Energiesystemmodell GENeSYS-MOD modelliert, das Strom, Gebäude, Verkehr und Industrie abbildet.
Die entwickelten Szenarien stehen offen zur Verfügung und sollen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft ein praxisnahes Instrument bieten, um künftige Unsicherheiten und Herausforderungen besser zu verstehen und zu bewältigen. „Sich unterschiedliche Zukünfte vorstellen zu können ist eine wichtige Fähigkeit – nicht nur für Forschung und Politikberatung, sondern auch für unsere Studierenden“, ergänzt Hoffart. „Das macht die Zukunft greifbarer und hilft, aktiv Wege dorthin zu gestalten.“
Der Artikel wurde im Fachjournal Renewable and Sustainable Energy Reviews veröffentlicht: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1364032125007476?via%3Dihub.
Was bedeutet das zusammengefasst?
- Vier Zukunftsszenarien für Europas Energiewende: Ein internationales Forschungsteam unter Leitung von Dr. Franziska Hoffart (Uni Kassel) hat vier Energieszenarien – EU Trinity, NECP Essentials, REPowerEU++ und Go RES – entwickelt, die unterschiedliche Wege zu einem klimaneutralen, resilienten und gerechten Europas bis 2060 aufzeigen.
- Schlüsselmaßnahmen für Klimaneutralität: Entscheidend sind finanzielle Anreize (z. B. grüne Anleihen), koordinierte nationale Energiepolitiken, verbindliche Zwischenziele und die Förderung lokaler Energieinitiativen, um Fortschritte messbar zu machen und soziale Gerechtigkeit zu sichern.
- Innovativer Ansatz und praktische Relevanz: Die Szenarien berücksichtigen auch soziale und politische Faktoren, werden mit der Q2Q-Matrix und dem Modell GENeSYS-MOD quantitativ ausgewertet und stehen offen zur Verfügung – als Werkzeug für Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Lehre, um Europas Energiezukunft gezielt zu gestalten.
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