Campus, Kind & Karriere
Bild: Hannah EichenbergSich im Seminar konzentriert dem Lernstoff widmen und Neues lernen – was für viele Studierende selbstverständlich ist, stellt Chiharu Hiratsuka (37) vor eine besondere Herausforderung. Seit dem Sommersemester 2024 studiert sie im Masterstudiengang Geschichte und Öffentlichkeit in Kassel. Sie wusste vorher, dass es ein besonderes Studium werden würde: Als sie sich bewarb, war sie im vierten Monat schwanger. Heute ist ihr Sohn Leon acht Monate alt.
In den ersten Monaten nach der Geburt nahm sie ihn mit zu ihren Lehrveranstaltungen. Die Doppelbelastung durch Kinderbetreuung und Studienalltag war jedoch nicht einfach. Immer wieder musste sie den Seminarraum verlassen und verpasste Stoff. „Ich habe mir die Frage gestellt, wie ich das Muttersein und mein Studium besser vereinbaren kann“, erzählt Chiharu rückblickend. Über die Info-Broschüre „Studieren mit Kind“ ist sie schließlich auf den Family Welcome Service aufmerksam geworden und hat Kontakt zu Alina Lacher aufgenommen.
Wer während des Studiums schwanger wird oder schon ein Kind hat, sieht sich mit vielen offenen Fragen konfrontiert: Welche Kinderbetreuungsangebote stehen zur Verfügung? Wie lässt sich das Studium organisieren und welche Unterstützung gibt es? Auf diese Fragen gibt der Family Welcome Service der Universität Kassel Antworten. Alina Lacher, die seit Januar 2024 als Koordinatorin des Family Welcome & Dual Career Service tätig ist, unterstützt Studierende mit Kind sowie werdende Eltern bei der Vereinbarkeit von Familie mit Studium, Wissenschaft und Beruf. „Mein Ziel in jeder Beratung ist es, Studierende zu ermutigen, Familie und Studium selbstbewusst zu verbinden, und sie dabei zu unterstützen, den Studienalltag zu meistern“, betont Lacher. Genau dafür bietet die Charta „Familie in der Hochschule“ ein starkes Fundament, die die Universität 2016 unterzeichnet hat und die die Vereinbarkeit von Familie und Studium fördert.
Bild: Uni KasselInzwischen gelingt es Chiharu, ihren Studienalltag gut zu meistern. So bieten ihr die Flying Nannies eine flexible und kostenfreie Kinderbetreuung. Während ihrer Lehrveranstaltungen wird ihr Sohn stundenweise betreut, sodass sie sich voll und ganz auf ihre Seminare konzentrieren kann. Die Betreuung zu Hause übernimmt Chiharu weitgehend selbst. Ihr Mann, für den sie von Japan nach Deutschland gezogen ist, bringt sich ebenfalls ein, ist aber beruflich stark eingespannt. Damit Chiharu auch Hausarbeiten schreiben kann, wird Leon seit dem Frühjahr zwei bis drei Stunden täglich in der Kita studykidscare betreut. Die Kombination der beiden Betreuungsangebote macht sie flexibel. „Dafür bin ich sehr dankbar“, sagt Chiharu. „In meiner Heimat Japan ist es sehr untypisch, als Mutter zu studieren. Umso mehr hat es mich überrascht, dass es in Deutschland und vor allem an der Uni Kassel so viel Unterstützung gibt.“
Neben den Flying Nannies und der Kita studykidscare bietet die Universität zahlreiche weitere Angebote für studierende Eltern. So besteht die Möglichkeit, einen Nachteilsausgleich zu beantragen, sich bevorzugt in Seminare einzuwählen, um den Stundenplan flexibler zu gestalten, oder auf freiwilliger Basis auch während des Mutterschutzes Prüfungen abzulegen. Darüber hinaus stehen auf dem Campus mehrere Still- und Wickelräume sowie Eltern-Kind-Räume zur Verfügung, die Rückzugsorte zwischen den Lehrveranstaltungen schaffen. Seit diesem Jahr organisiert der Family Welcome Service mit dem autonomen Elternreferat das Format Meet & Eat. Bei einem gemeinsamen Mittagessen in der Mensa tauschen sich Eltern an jedem zweiten Dienstag im Monat aus und erhalten gleichzeitig hilfreiche Informationen rund um Studium und Familie. „Gerade studierende Eltern haben oft wenig Zeit, deshalb wollten wir etwas Nützliches mit etwas Informativem verbinden“, erläutert Lacher.
Ein weiterer Pluspunkt: Für Kinder von Studierenden unter sieben Jahren ist das Essen in der Mensa kostenlos. Neben Fragen zu Kinderbetreuung und Studienorganisation geht es für viele Eltern auch um Finanzierungsmöglichkeiten. Um hier umfassend beraten zu können, kooperiert der Family Welcome Service eng mit dem Studierendenwerk. Ein fester Bestandteil von Lachers Arbeit ist daher die gezielte Weitervermittlung, z. B. an die Sozialberatung, die über BAföG, Kindergeld oder andere Leistungen informiert.
Insgesamt ist Chiharu beeindruckt. Mutter zu sein und gleichzeitig zu studieren ist zwar mit Herausforderungen verbunden, aber durch eine gute Planung und die Unterstützung seitens der Uni ist ein erfolgreicher Studienverlauf möglich. Anderen Studierenden mit Kind empfiehlt sie, sich beim Family Welcome Service zu informieren, die Angebote zu nutzen und sich mit anderen Eltern zum Beispiel bei Meet & Eat in der Mensa zu vernetzen. Ein Kind oder eine Schwangerschaft steht einem Studium nicht im Weg. Das findet auch Lacher: „Studieren mit Kind bedeutet auf keinen Fall das Ende des Studiums, sondern kann sogar Vorteile bieten, etwa mehr Flexibilität im Vergleich zur Berufstätigkeit. Dennoch ist eine gute Organisation entscheidend, um Familie und Studium zu vereinbaren.“