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26.11.2025 | Pressemitteilung

Single? Familie? Oder Leben mit Haustier? Neue Perspektive auf Tierhaltung als Lebensform

Tierhaltung und Tierdienstleistung werden als Lebensform empfunden – genauso wie Ehe, Familie oder Alleinleben. Zu diesem Ergebnis gelangt ein Forschungsteam der Universität Kassel. Die Studie „Tiere als Gefährten“ wurde am Fachgebiet Mikrosoziologie der Universität Kassel unter Leitung von Prof. Dr. Kerstin Jürgens durchgeführt und untersucht, warum und wie Menschen mit Tieren zusammenleben. Die Ergebnisse des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projekts wurden nun in der Publikation „Leben und Arbeiten mit Tieren: Haustierhaltung und Tierdienstleistung als Lebensform“ (Campus Verlag) veröffentlicht.

Spaziergang mit dem Hund: ein Beispiel für den gemeinsamen Lebensalltag von Mensch und Tier.Bild: Adobe/bobex73.
Spaziergang mit dem Hund: ein Beispiel für den gemeinsamen Lebensalltag von Mensch und Tier.

Im Rahmen der Studie führten die Forschenden qualitative Interviews mit 63 Tierhalterinnen und 33 Tierdienstleistern, die mit rund 20 Tierarten leben oder arbeiten, darunter Hunde, Pferde, Chinchillas, Hühner, Geckos und Vogelspinnen. Die Befragten beschrieben, wie Haustiere ihren Alltag prägen und als aktive Lebensbegleiter wahrgenommen werden. Die Ergebnisse zeigen, dass Tiere eine zentrale Rolle im Leben vieler Menschen spielen. Sie werden nicht nur als Begleiter, sondern oft als Gefährten mit besonderem Status und als Familienmitglieder wahrgenommen. Allerdings entwickelt sich nicht jede Haustierhaltung zu einer innigen Gefährtenschaft; entscheidend ist die Qualität der Beziehung und das Eingehen auf die Bedürfnisse der Tiere. Tierdienstleisterinnen und Tierdienstleister unterstützen dies durch Konzepte, Therapien und Training.

Das Forschungsteam identifiziert drei Muster, die die Gefährtenschaft zwischen Menschen und Tieren auszeichnen: Gemeinschaft – geteilter Alltag und familiäre Nähe im Privatraum; Aktivität – geteilte Erlebnisse und Welterkundung; und Sorge – Pflege und Verantwortung für das Wohlergehen. Gefährtenschaft entsteht, so der Befund, wenn sich nicht nur Tiere, sondern auch die Halterinnen einlassen und anpassen, und wenn sich neue Praktiken des gemeinsamen Zusammenlebens herausbilden. Aus soziologischer Sicht entwickelt sich dann eine Lebensform, vergleichbar zum Zusammenleben als Ehepaar, Familie oder dem Alleinleben. Mit der Untersuchung der Entstehung solcher von Tier und Mensch geteilten Lebensformen weisen die Forschenden auf ein bislang erstaunlich unterbelichtetes Thema hin: „Unsere Forschung zeigt, dass das Zusammenleben mit Tieren eine eigenständige soziale Wirklichkeit darstellt“, so Jürgens. „Tiere gestalten den Alltag mit, prägen die Lebensmodelle und Lebensrealitäten von Menschen und bleiben dennoch in der amtlichen Statistik und vielen gesellschaftlichen Diskursen unsichtbar.“

Hinzu kommt, dass viele der Befragten die vorhandenen Wohnangebote als unzureichend für ein Zusammenleben mit Tieren bewerten. Auch die gesellschaftliche Infrastruktur würde hinterherhinken: Medizinische Beratung, Unterstützung bei der Versorgung oder wohnortnahe Dienstleistungen fehlen oft, besonders für seltene oder spezialisierte Tierarten. Die Forschenden regen daher an, Tierhaltung künftig stärker in gesellschaftliche Analysen einzubeziehen, etwa durch die systematische Erhebung von Daten zum Zusammenleben mit Tieren. Denn nur so ließe sich die Infrastruktur tatsächlich an den realen Lebensbedingungen von Menschen und Tieren ausrichten.

Link zur Buchpublikation: https://www.campus.de/e-books/wissenschaft/leben_und_arbeiten_mit_tieren-18759.html

 

Was bedeutet das zusammengefasst?

  • Tierhaltung ist als eine Lebensform zu verstehen, für die sich Menschen passende Rahmenbedingungen wünschen.
  • Es gibt drei Komponenten, die die Gefährtenschaft zwischen Menschen und Tieren prägen: Gemeinschaft, Aktivität und Sorge.
  • Die Forschenden empfehlen, Haustierhaltung systematisch in Statistiken, einzubeziehen, um infrastrukturelle Bedarfe besser abzubilden.