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23.08.2023 | Pressemitteilung

Künstliche Intelligenz ermöglicht Simulation von Millionen Atomen unter Laseranregung

Forscher der Universität Kassel haben eine neue Methode entwickelt, mit der der Einfluss von ultrakurzen Laserpulsen auf Materialien simuliert werden kann. Dabei wird die Bewegung der Atome von künstlicher Intelligenz vorhergesagt. Dank der erhöhten Recheneffizienz lassen sich dadurch Systeme aus Millionen von Atomen simulieren – Dimensionen, die mit quantenmechanischen Methoden wie der Dichtefunktionaltheorie unerreichbar sind.

Bild: Uni Kassel.
Schematische Darstellung.

Ultrakurze Laserpulse mit einer Pulsdauer von wenigen Femtosekunden (1 Femtosekunde = 10-15 Sekunden) sind in vielen Bereichen der Forschung und Industrie ein essenzielles Werkzeug: Neben der experimentellen Beobachtung ultraschneller physikalischer Phänomene im Labor finden diese Laser auch Anwendung in der Chirurgie sowie bei der hochpräzisen Materialverarbeitung in der Mikroelektronik- oder Photovoltaikindustrie. Zur Entwicklung und Unterstützung von Experimenten und praktischen Anwendungen sind umfangreiche, atomare Simulationen solcher Vorgänge unerlässlich. Physikalische Simulationen unter Berücksichtigung der Quantenmechanik erfordern jedoch einen enormen Rechenaufwand und sind auf eine maximale Anzahl von etwa 1000 Atomen beschränkt – zu wenig für die relevanten Längenskalen.

Neuronale Netze lernen, die Bewegungen der Atome vorherzusagen

Moderne Ansätze des maschinellen Lernens ermöglichen es, komplizierte Zusammenhänge aus großen Datensätzen zu erlernen und verlässlich vorherzusagen. Ergebnisse aus physikalischen Simulationen können beispielsweise verwendet werden, um neuronale Netze darauf zu trainieren, die Bewegungen von Atomen basierend auf den Positionen ihrer Nachbaratome vorherzusagen. Forschern der Universität Kassel aus der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Martin Garcia ist es gelungen, diese Methode nun auch auf die Simulation laserangeregter Materialien zu erweitern. Der entscheidende Punkt dabei ist die Berücksichtigung der elektronischen Temperatur, die von der Stärke des Laserpulses abhängt. Die Pulsdauer ist nämlich so kurz, dass zunächst nur die leichten Elektronen vom Femtosekundenlaser beeinflusst werden, während die schwereren Atomrümpfe „kalt“ bleiben. Neuronale Netze, die neben den Positionen der Nachbaratome die elektronische Temperatur als zusätzlichen Parameter für die Vorhersage der Atombewegungen miteinbeziehen, können dazu verwendet werden, die Laseranregung von Materialien in großem Maßstab und mit geringem Rechenaufwand präzise zu simulieren.

Einsatz von KI ermöglicht ultragroße Simulationen von Laserprozessen

In ihrer Veröffentlichung zeigen die Forscher, dass viele wichtige physikalische Eigenschaften von der künstlichen Intelligenz mit hoher Genauigkeit reproduziert werden können. Das Potenzial des neuen Modells demonstrieren sie beispielhaft an einem dünnen Silizium-Film: Eine Simulation von mehr als hunderttausend Atomen zeigt, dass Oberflächenverunreinigungen mit Hilfe von Femtosekundenlasern entfernt werden können. „Aufgrund der hohen Recheneffizienz des Modells sind sogar Simulationen mit Millionen Atomen oder mehr möglich, was mit rein physikalischen Methoden undenkbar wäre.“, erklärt Pascal Plettenberg, einer der Autoren der Veröffentlichung. „Die Methode lässt sich außerdem leicht auf andere Materialien übertragen und könnte in Zukunft bei der Erforschung der Effekte von ultrakurzen Laserpulsen eine wichtige Rolle spielen.“

Dritter Autor der Studie ist Dr. Bernd Bauerhenne. Das Projekt wurde unterstützt von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) durch die Förderung GA 465/27-1.

 

Mehr Informationen:

Der Artikel Neural network interatomic potential for laser-excited materials wurde jetzt im Journal Communications Materials veröffentlicht:

https://www.nature.com/articles/s43246-023-00389-w

 

Kontakt:

Prof. Dr. Martin E. Garcia
Universität Kassel
Fachbereich Mathematik und Naturwissenschaften
Fachgebiet Festkörper und Ultrakurzzeitphysik
Telefon: +49 561 804-4480
E-Mail: garcia[at]physik.uni-kassel[dot]de