Rotordynamik und Dichtungen

Hintergrund

Dampfturbinen, Flugtriebwerke, Kreiselpumpen oder Turbolader sind nur einige populäre Beispiel von Systemen, bei denen Rotoren mit kompressiblen oder inkompressiblen Fluiden interagieren. Die Energiewandlung in diesen Maschinen basiert meist auf einem Druckauf- oder abbau. Die Leckage zwischen den Volumina unterschiedlichen Drucks entlang des Rotors wird mittels Dichtungen reduziert. Berührungslose Dichtungen lassen Relativbewegung von Rotor und Gehäuse zu bei gleichzeitig minimiertem Verschleiß.

Der Rest-Leckagefluss durch die berührungslosen Dichtungen führt zu Kräften, welche die stationäre Rotorbewegung destabilisieren können, wenn gewisse Betriebsdrehzahlen überschritten werden. Die Folgen können ungewollte oder nicht tolerierbare Geräusche bzw. Vibrationen oder sogar Rotorbruch sein.

In den letzten Jahren werden unter anderem Dichtungsdesigns mit strukturellen Nachgiebigkeiten untersucht (HALO-Seal [SanAndres2015], GLAND-Seal [Messenger2015]). Durch ein nachgiebiges Design kann der Dichtspalt zwischen Rotor und Gehäuse verringert werden, wobei die Dichtung gleichzeitig  die Möglichkeit erhält Rotorbewegungen zu folgen und so einen Druckaufbau im Leckagefluss abzumildern. Dies kann die stationäre Rotorbewegung stabilisieren.

Am Fachgebiet für Technische Dynamik wird der Einfluss von Nachgiebigkeiten in Dichtungen auf die Rotordynamik theoretisch und experimentell untersucht.

Methodik und Phänomene

Zur Untersuchung der Auswirkung von Nachgiebigkeiten in Dichtungen werden verschiedene theoretische Modelle unterschiedlicher Komplexität und zugehörige Experimente aufgebaut. Es wird das lineare und nichtlineare Verhalten betrachtet. 

Die einfachste Modell-Stufe besteht aus einem Laval-Rotor, einer visko-elastisch gelagerten Dichtung und einem Leckage-Strom. Die Kraftwirkung des Leckage-Flusses wird entweder durch das Muszynska-Modell [Muszynska1988] beschrieben oder durch die Simulation der Leckage-Strömung mittels der Bulk-Flow Gleichungen bestimmt. Das System zeigt verbesserte Stabilitätseigenschaften und ein komplexes Bifurkationsverhalten, bei dem stabile und instabile periodische, synchronisierte Grenzzyklen, sowie instabile quasi-periodische Attraktoren auftreten.

Bifurkationen: Radien der periodischen und mittlere Radien der quasiperiodischen Grenzzyklen von Rotor (durchgezogen) und Dichtung (gepunktet). Rot: Stabil. Grau: Instabil. Blau: Quasiperiodisch