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09.12.2025 | Pressemitteilung

Kasseler Team entwickelt Leitlinien für die EU-Naturschutzverordnung

Wie lassen sich Europas Agrarlandschaften so wiederherstellen, dass sowohl Ökosysteme als auch Gesellschaft profitieren? Ein Forschungsteam der Universität Kassel zeigt in einem aktuellen Beitrag der Fachzeitschrift Restoration Ecology, dass eine stärkere Verbindung zwischen Menschen und ihrer Umwelt zentral für den Erfolg der neuen EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur ist. Unter der Leitung von Prof. Dr. Tobias Plieninger, Fachgebietsleiter „Sozial-ökologische Interaktionen in Agrarsystemen“ an den Universitäten Kassel und Göttingen, formuliert das Team gemeinsam mit Doktorand Abul Bashar Polas sowie internationalen Partnern Empfehlungen für eine sozial inklusive Umsetzung.

Die Etablierung von Bäumen und Sträuchern auf Agrarflächen (Agroforstwirtschaft), wie sie hier auf dem Hof Werragut in Eschwege zu sehen ist, bietet die Möglichkeit, verarmte Agrarlandschaften zu renaturieren und gleichzeitig die landwirtschaftliche Produktion fortzuführen und zu diversifizieren.Bild: Tobias Plieninger.
Die Etablierung von Bäumen und Sträuchern auf Agrarflächen (Agroforstwirtschaft), wie sie hier auf dem Hof Werragut in Eschwege zu sehen ist, bietet die Möglichkeit, verarmte Agrarlandschaften zu renaturieren und gleichzeitig die landwirtschaftliche Produktion fortzuführen und zu diversifizieren.

Die Verordnung verpflichtet alle EU-Mitgliedstaaten, 20 Prozent der geschädigten Ökosysteme wie Wälder, Moore oder Agrarlandschaften bis 2030 wiederherzustellen. Wissenschaftlich gilt dies als entscheidender Schritt im Naturschutz, gesellschaftlich und politisch stößt das Vorhaben jedoch auf Vorbehalte. Um diese Hürden zu verringern, identifizieren die Forschenden fünf sozial-ökologische Dimensionen, die für Akzeptanz und Wirksamkeit maßgeblich sind: Landschaften als Lernorte nutzen; Ländliches und landwirtschaftliches Kulturerbe einbeziehen; Landnutzer:innen zu eigenverantwortlichem Handeln befähigen; multifunktionale Landnutzung unterstützen und partizipative, kooperative Vorgehensweisen verankern. „Durch gesellschaftliche Trends wie Agrarstrukturwandel, Urbanisierung und Digitalisierung sind viele Verbindungen zwischen Menschen und Natur verloren gegangen. Vielfältige Möglichkeiten, die Natur zu erleben, sind aber entscheidend für eine dauerhaft erfolgreiche und gesellschaftlich akzeptierte Wiederherstellung der Biodiversität in unseren Agrarlandschaften“, erklärt der Erstautor Abul Polas. 

Anhand von Beispielen aus Deutschland zeigt das Forschungsteam, wie sozial-ökologische Ansätze die Akzeptanz und Umsetzung von Renaturierungsprojekten verbessern können. So könnten Renaturierungsmaßnahmen durch verbesserte Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft, Naturschutz, Verwaltung und Forschung – etwa über lokale „Restoration Councils“ oder Landschaftspflegeverbände – umgesetzt werden. Die Multifunktionalität renaturierter Flächen könnte durch Abbau politischer Hürden für Agroforstsysteme oder Paludikultur gefördert werden. Auch könnten kulturell bedeutsame Landschaftselemente (beispielsweise Streuobstwiesen), traditionelle Nutzungspraktiken (wie z.B. Schafhaltung) oder regional erzeugte Lebensmittel systematisch geschützt, sichtbar gemacht und in Restaurierungsprogramme eingebunden werden. 

„Die EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur bietet eine große Chance. Damit sie in Zeiten vielfacher ökologischer und gesellschaftlicher Krisen ein Erfolg wird, müssen soziale und ökologische Aspekte zusammen gedacht werden“, betont Plieninger.

Zum Policy-Artikel: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/rec.70278

 

Was bedeutet das zusammengefasst?

  • EU-Verordnung: 20 % der geschädigten Ökosysteme bis 2030 renaturieren (Wälder, Moore, Agrarlandschaften).
  • Erfolg hängt von der Verbindung zwischen Menschen und Natur ab.
  • Fünf Leitlinien: Lernen in Landschaften, Kulturerbe einbeziehen, Landnutzer:innen stärken, multifunktionale Nutzung fördern, partizipative Umsetzung sichern.
  • Praxisbeispiele zeigen: Kooperationen, kulturelle Elemente und traditionelle Nutzung erhöhen Akzeptanz und Wirkung.

 

Kontakt:
Prof. Dr. Tobias Plieninger
E-Mail: plieninger[at]uni-kassel[dot]de

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