12.06.2025 | Porträts und Geschichten

Aus Fans werden Fachleute

Wie die Uni die Fanarbeit im deutschen Fußball stärkt

Fußball ist ein fesselndes, oft hitziges Spiel, das Emotionen hervorruft und gesellschaftliche Bedeutung hat. Für viele Fans ist ihr Verein ein Stück Heimat und gelebte Tradition – ein fester Anker, der ihnen Beständigkeit und Zugehörigkeit im Alltag bietet. An Spieltagen verwandeln sich die Stadien in brodelnde Kessel: Begeisterung und Enttäuschung liegen hier oft nah beieinander. Während auf den Rängen tausende Anhänger ihre Mannschaft anfeuern, sorgen hinter den Kulissen Sicherheitskräfte und Klubangestellte dafür, dass alles geordnet abläuft. Doch genau hier prallen oft Welten aufeinander: zwischen den euphorischen Fans, die ihre Freiheiten ausleben wollen, und den Verantwortlichen, die für Sicherheit und Ordnung sorgen wollen. Emotionen und Regeln stehen hierbei in einem stetigen Spannungsverhältnis, das nicht selten zu Konflikten führt. Um diese Brücke zwischen Fans und Vereinen zu schlagen, braucht es Vermittler mit Fingerspitzengefühl, Kommunikationsstärke und Fachwissen: die Fanbeauftragten. Sie agieren als kommunikative Schnittstelle zwischen den oft gegensätzlichen Interessen der Fans und der Vereine. Dabei hören sie den Anhängern aufmerksam zu, schlichten Konflikte und fördern einen respektvollen Dialog mit der Klubführung. Sie tragen zu Sicherheit und Friedfertigkeit bei, besonders bei Auswärtsspielen. Trotz dieser zentralen Funktion fehlte bislang eine Grundlage für ihren Job. Das Zertifikatsstudium „Fan- und Zuschauermanagement“ der Fachhochschule Potsdam und der Universität Kassel, in Zusammenarbeit mit der UNIKIMS, der Management School der Uni Kassel, setzt genau an dieser Stelle an. Ziel des Programms ist es, Fanbeauftragten sowohl theoretische Grundlagen als auch praxisnahe Lösungen für ihre Arbeit im Fußballumfeld zu vermitteln.

Bild: Andreas Fischer
Im Stadion kochen die Emotionen hoch. Es gehört zu den Aufgaben von Fanbeauftragten, zu einer friedlichen Atmosphäre beizutragen, aber auch die Interessen der Fans zu vertreten. Hier ein Eindruck aus dem Kasseler Auestadion (der KSV nimmt bislang freilich mangels hauptamtlicher Fanbeauftragter nicht an dem Programm teil).

Warum eine Weiterbildung für Fanbeauftragte? 
Zwischen der Universität Kassel und der Deutschen Fußball Liga (DFL) bestand bereits durch frühere Forschungskooperationen eine Verbindung. Die Idee für das Zertifikatsstudium ergab sich schließlich aus einer klaren Notwendigkeit. „Thomas Schneider, der scheidende Leiter Fanangelegenheiten der DFL, kam auf uns zu und sagte: ‚Wir müssen etwas für Fanbeauftragte machen‘“, erinnert sich Dr. Martin Seip, Studiengangsmanager und erfahrener Coach für Konfliktmanagement und Kommunikation. Schneider hatte erkannt, dass Fanbeauftragte eine fundierte Ausbildung benötigen, um die komplexen Anforderungen ihres Berufs, vor allem in schwierigen Situationen wie Abstieg oder größeren Konflikten, zu meistern. „Wir wurden angesprochen, weil es notwendig war, den Fanbeauftragten etwas Handfestes mit auf den Weg zu geben, das ihnen hilft, ihre Aufgaben nicht nur in der täglichen Arbeit, sondern auch im Falle außergewöhnlicher Herausforderungen zu bewältigen“, so Seip. Früher kamen Fanbeauftragte meist aus der Fanszene selbst oder waren ehemalige Spieler – eben Persönlichkeiten mit enger Verbindung zum Verein. Heute ist die Gruppe vielfältiger: Immer mehr akademisch ausgebildete Personen sowie Quereinsteiger aus anderen Berufen übernehmen eine solche Rolle. Dennoch bleibt die Position oft prekär: Es gibt keine tarifliche Absicherung, und die Gehälter variieren deutlich in Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Lage der Vereine – oft sind sie niedrig. Zudem hängt die berufliche Perspektive stark von der sportlichen Entwicklung des Klubs ab. Ein Abstieg oder sportliche Misserfolge können direkte Auswirkungen auf die Zukunft der Fanbeauftragten haben. Überdies ist ein Wechsel des Vereins in dieser Rolle nahezu ausgeschlossen, da Authentizität und Loyalität für die Fanarbeit essenziell sind.

Von Fankultur bis Polizeirecht
2015 / 2016 wurde schließlich der erste Kurs für das Zertifikatsstudium „Fan- und Zuschauermanagement“ ins Leben gerufen. Das Programm ist in neun Module aufgeteilt. Neben Fankultur, Projektmanagement und Kommunikation stehen auch Crowdmanagement, Polizeirecht und Sicherheit sowie juristisches Wissen auf dem Lehrplan. Weitere Schwerpunkte sind Konfliktmanagement, strategische Planung und Führungskompetenzen. In einer Abschlusspräsentation verteidigen die Teilnehmenden eine Projektarbeit. Die Kosten des Studiums betragen 9.750 Euro pro Teilnehmerin oder Teilnehmer, werden aber in der Regel von den Vereinen übernommen. Jedes Modul ist so strukturiert, dass es sich mit der Berufstätigkeit vereinbaren lässt: Alle drei Monate findet eine dreitägige Lehrveranstaltung statt. Sebastian Friedrich, Fanbeauftragter von Bayer 04 Leverkusen und Teilnehmer des diesjährigen Zertifikationsprogramms, beschreibt den Mehrwert: „Schlagfertigkeit und Kommunikation sind das A und O in unserem Job. Zwar gibt es über die Saison hinweg verschiedene Fortbildungsangebote der DFL, aber so ein Studienlehrgang ist dann nochmal was Intensiveres.“ Als besonders wichtig erachtet Friedrich auch den Austausch mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Vereinen: „Hier bekommt man zahlreiche Werkzeuge an die Hand, die den Berufsalltag erleichtern und neue Perspektiven eröffnen.“ 

Wird die Weiterbildung zur Pflicht? 
Die Fanarbeit in der Bundesliga steht vor einer Transformation. Aktuell empfiehlt die DFL in jedem Bundesligateam zertifizierte Fanbeauftragte. Eine Lizenzauflage gibt es jedoch noch nicht. Sollte sich das Zertifikatsstudium als Branchenstandard etablieren, könnte dies langfristig zu einer verpflichtenden Weiterbildung für Fanbeauftragte führen. Für Seip ist eines klar: Eine fundierte Ausbildung verbessert die Kommunikation zwischen Fans und Vereinen erheblich. „Fanbeauftragte müssen reflektiert, organisationsstark und professionell agieren. Wer seine persönlichen Antipathien in den Vordergrund stellt, kann diesen Job nicht professionell ausüben. Das sind genau die Dinge, die wir in unserem Programm vermitteln.“

UNIKIMS

Die UNIKIMS (University of Kassel – International Management School) ist die Management School der Universität Kassel. Sie spezialisiert sich auf wirtschafts- und managementorientierte Aus- und Weiterbildungen und bietet Programme, die Fach- und Führungskräfte auf komplexe berufliche Herausforderungen vorbereiten. Als Teil der Universität Kassel fließen aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse direkt in die Lehre ein.

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Dieser Beitrag erschien im Universitäts-Magazin publik 2025/2. Text: Bastian Puchmüller