16.06.2025 | Porträts und Geschichten

Was mich antreibt: Denksport und Drosophila

Kasseler Promovierende und ihre Themen | Benedikt Drebes

Portraitfoto von Benedikt DrebesBild: Vanessa Laspe

In der frühen Embryonalentwicklung vieler Insekten, darunter der Taufliege Drosophila melanogaster, durchläuft die befruchtete Eizelle eine besondere Phase: Der Zellkern teilt sich mehrfach – ohne dass sich neue Zellmembranen bilden. Das Ergebnis ist ein sogenanntes Syncytium, eine riesige Zelle mit tausen-den Zellkernen. Bei Drosophila entstehen so in kurzer Zeit rund 6.000 Zellkerne mit identischer DNA. Erst dann startet die Zellularisierung: Die Zellmembranen falten synchron ein und umschließen die einzelnen Zellkerne. So entstehen auf einen Schlag 6.000 neue Zellen.

In meiner Doktorarbeit untersuche ich genau diesen entscheidenden Moment der Zelltrennung. Mein Projekt ist Teil des Graduiertenkollegs „Multiscale Clocks“, das sich mit biologischen Zeitgebern beschäftigt. Wir erforschen, wie verschiedene „innere Zeitgeber“ – zum Beispiel der Zellzyklus – aufeinander abgestimmt sind. Die Synchronisation ist notwendig, damit Zellen zur richtigen Zeit gebildet werden, sich teilen oder sich für ihre Funktion im Organismus spezialisieren.

Im Zentrum meiner Forschung steht das Protein „Drop out“, eine sogenannte MAST-Kinase. Dieses Protein spielt eine Schlüsselrolle bei der Zellteilung, indem es das Motorprotein Dynein aktiviert. Dynein transportiert Zellbestandteile und hilft dabei, die Zellmembranen korrekt um die Zellkerne zu positionieren. Fehlt Drop out, ist die Zellularisierung gestört – es können keine individuellen Zellen gebildet werden, und der Embryo kann sich nicht normal weiterentwickeln.

Auch menschliche Zellen besitzen MAST-Kinasen, die mit dem der Taufliege vergleichbar sind. Mutationen in diesen Proteinen werden mit verschiedenen Krebsarten wie Brust- oder Lungenkrebs in Verbindung gebracht. Die Grundlagenforschung an der Taufliege kann also wichtige Hinweise darauf geben, wo in Zukunft mögliche neue Medikamente gegen Krebs ansetzen können – das motiviert mich besonders.

Mit der Taufliege Drosophila arbeite ich schon seit meinem Biologiestudium im Fachgebiet Entwicklungsgenetik. In diesem Modellorganismus kann ich mit genetischen Werkzeugen gezielt Gene an- oder ausschalten. Die Auswirkungen kann ich quasi in Echtzeit unter dem Mikroskop beobachten, wenn sich zum Beispiel die Flügelform oder die Augenfarbe im Vergleich zum natürlichen Wildtyp verändert. Für mich ist das Wissenschafts-Denksport – ein bisschen wie ein lebendiges Puzzle aus Genetik, Zellbiologie und Biochemie.

 

Dieser Beitrag erschien im Universitäts-Magazin publik 2025/2. Protokoll: Vanessa Laspe