Interview mit unserer Gastwissenschaftlerin: Dr. Camilla S. Haake
Dr. Camilla S. Haake ist Juristin, Post-Doc-Wissenschaftlerin und Habilitandin am Ludwig Boltzmann Institut für Grund- und Menschenrechte (LBI-GMR) in Wien und zur Zeit als Gastwissenschaftlerin am Kassel Institute for Sustainability am Fachgebiet Just Transitions tätig.
Im Rahmen der Programmlinie „Nachhaltigkeit, Entwicklung, Wirtschaft, Soziales“ forscht sie vorwiegend zu gesellschaftlich relevanten Menschenrechtsthemen in den Bereichen Wirtschaft und Umwelt; ab Juli 2025 wird sie die Programmlinie leiten.
Wie ergänzt das Fachgebiet Just Transitions des Kassel Institute for Sustainability (KIS) Ihre Forschung am Ludwig Boltzmann Institut für Grund- und Menschenrechte (LBI-GMR) und umgekehrt?
Als Wissenschaftlerin am LBI-GMR forsche ich derzeit v.a. zu Schnittstellenthemen der Bereiche Menschenrechte und Wirtschaft einerseits und Menschenrechte und Umwelt andererseits; meine Habilitation beschäftigt sich mit den „Rechten der Natur“. Über dieses Thema bin ich auf die Arbeit des Fachgebiets „Just Transitions“ aufmerksam geworden; es stellte auch den Anlass für meinen Forschungsaufenthalt dar.
Durch diese geteilte Expertise kann ich in Diskussionen mit Forscher:innen des Fachgebiets Just Transitions einen Beitrag leisten – nicht zuletzt mit Blick auf die Bedeutung der Menschenrechte in einer globalisierten Welt – und profitiere im Gegenzug von einem Austausch von Perspektiven und dem hohen wissenschaftlichen Anspruch des Teams um Prof. Dr. Andreas Fischer-Lescano.
Was nehmen Sie nach Ende Ihres Forschungsaufenthalts am KIS mit zurück nach Wien?
Ich bin sehr dankbar für die Möglichkeit, drei Monate als Gastwissenschaftlerin am Fachgebiet Just Transitions des KIS zu verbringen. Im Anschluss daran werde ich viel neue Inspiration für die Forschungsarbeit meiner Programmlinie „Nachhaltigkeit, Entwicklung, Wirtschaft, Soziales“ am LBI-GMR in Wien mitnehmen. Dort befassen meine Kolleg:innen und ich uns mit menschenrechtsbezogener Forschung zu nachhaltigkeitsrelevanten Themen, die sich durch sehr komplexe rechtliche wie faktische Zusammenhänge und hohe gesellschaftliche Relevanz auszeichnen, ähnlich also wie das nachhaltigkeitsbezogene Forschungsportfolio des KIS. Zum Beispiel haben wir Anfang 2025 ein Forschungsprojekt zum Thema „Audits und Zertifizierungen im Kontext menschenrechtlicher und umweltbezogener Sorgfaltspflichten von Unternehmen“ erfolgreich abgeschlossen (mehr Informationen zum Projekt unter: gmr.lbg.ac.at/forschung/forschungsprojekt-inklusive-erstellung-einer-studie-zu-audits-und-zertifizierungen-im-kontext-menschenrechtlicher-und-umweltbezogener-sorgfaltspflichten-von-unternehmen/).
Außerdem bietet mir der Forschungsaufenthalt am KIS die Möglichkeit, mein Wissen zum Thema „Rechte der Natur“ zu erweitern und wissenschaftliche Konzepte und Thesen im Gespräch mit den anderen Wissenschaftler:innen zu überprüfen und weiterzuentwickeln.
Was fasziniert Sie an Ihrer Forschung zum Thema „Rechte der Natur“?
Die „Rechte der Natur“ faszinieren mich wegen der Vielfalt der damit zusammenhängenden und im Rahmen rechtswissenschaftlicher Forschung zu adressierenden – und teilweise dogmatisch hochrelevanten – Themen. Für und Wider subjektiver Eigenrechte, Rechtsfähigkeit und -berechtigung von nicht-menschlichen Entitäten, Formen der Stellvertretung, Chancen und Risiken der Ableitung von „Rechten der Natur“ aus bestehenden menschenrechtlichen Gewährleistungen, Fragen der Integrationsfähigkeit ökozentrischer Belange in anthropozentrisch geprägte Rechtsordnungen und der Weiterentwicklung von Recht anhand gesellschaftlicher Bedarfe sind nur einige der Problemstellungen, die im Kontext dieses komplexen Themas von Relevanz sein können. Nicht zuletzt das große Engagement diverser zivilgesellschaftlicher Organisationen für die Anerkennung der Natur als Rechtsperson und originärer „Rechte der Natur“ auch in (kontinental-)europäisch geprägten Rechtsordnungen wie Deutschland oder Österreich, aber auch die daraus resultierenden kontroversen Diskussionen zeigen den großen Forschungsbedarf in diesem Bereich. Ich freue mich über die Chance, mit meiner Forschung zu einem gehaltvollen (rechtswissenschaftlichen) Diskurs in diesem Bereich beitragen zu können.
