Lehre

Lehrveranstaltungen im Sommersemester 2023

Das Anthropozän, also das Zeitalter der Menschheit, ist ein Begriff, der die aktuelle geologische Ära beschreibt, die durch den menschlichen Einfluss auf die Erde gekennzeichnet ist. Es beginnt, der Definition des niederländischen Physikers Paul Crutzen nach, etwa im 18. Jahrhundert mit der Industrialisierung und dem Anstieg der menschlichen Bevölkerung. Als Folgen dieses Einflusses werden unter anderem Klimaveränderungen, der Verlust an biologischer Vielfalt, Bodenerosion und der Anstieg von Schadstoffen im Boden, Wasser und in der Luft ausgemacht.  Ferner wird ein Massensterben der Arten attestiert, das dem Anthropozän auch einen weiteren Namen einbrachte, es sei das „Age of Extinction“. Was bedeutet aber die Ausrufung dieses neuen Zeitalters für Historiker:innen? Wie stellt sich das Anthropozän zu unserer geläufigeren Epochenunterteilungen?

In diesem Seminar werden wir Antworten auf diese Fragen aus umwelt- und tiergeschichtlicher Perspektive beleuchten. Beide Disziplinen beschäftigen sich interdisziplinär mit den Wechselbeziehungen zwischen Menschen und ihrer Umwelt. Sie untersuchen die Veränderungen der (animalen) Natur im Laufe der Geschichte und wie diese Veränderungen den Menschen und ihre Kulturen beeinflusst haben. Während die Tiergeschichte jedoch stark individualisiert und relational verankert auf interspezifische Verhältnisse blickt, ist für die Umweltgeschichte ein Blick auf größere Ökosysteme und Ökologien relevant.

Ziel des Seminars ist es, ein Verständnis für die gegenwärtige Diskussion innerhalb des Faches um das Anthropozän und seiner verschiedenen Definitionen von Temporalität zu bekommen, es für eine historische Analyse nutzbar zu machen bzw. es als in sich selbst schon historisch zu begreifen und Fragen nach den Tieren und Umwelt als auch von geschichtswissenschaftlichem Interesse zu verstehen. Dafür werden Einblicke in die unterschiedlichen Forschungsmethoden und Perspektiven gezeigt, die Tier- und Umweltgeschichte bestimmen. Studierende sollen sich mit diesem theoretischen Rüstzeug im Gepäck Gedanken dazu machen, was es heißt, Geschichte im Anthropozän zu schreiben. 

2017 fragte die englische Frühneuzeithistorikerin Erica Fudge, wie es wohl sei, eine Kuh zu sein bzw. welcher Fertigkeiten und Fähigkeiten es eigentlich bedürfe, die Geschichte von Kühen zu schreiben. Sie griff damit eine Frage auf, die der amerikanische Philosoph Thomas Nagel bereits Mitte der 1970er in Bezug auf Fledermäuse gestellt hatte. Neu an Fudges Vorgehen war jedoch, dass sie sich auf Erkenntnisse eines wachsenden Feldes von Forscher*innen berufen konnte, die die Frage nach der Tierperspektive in Tier-Mensch-Beziehungen seither kritisch, produktiv und interdisziplinär angegangen sind. Dieses Feld, die sogenannten Human-Animal Studies, versucht dabei unter anderem die Repräsentation von Tieren in Kunst, Medien und Literatur sowie die Frage nach der kulturell-symbolischen Bedeutung von Tieren zu erforschen. Die Rolle von Tieren und Tierbildern in Denksystemen und der Ideengeschichte westlicher Gesellschaften, Interaktionen zwischen Menschen und Tieren sowie Untersuchungen der tierbezogenen Praktiken bzw. der Behandlung von Tieren in verschiedenen gesellschaftlichen Feldern wie u.a. Wissenschaft, Ökonomie, Landwirtschaft stellen weitere Themen dar, die in den Human-Animal Studies behandelt werden. Dieses Seminar ist eine Einführung in die historischen Human-Animal Studies, die mit Fokus auf die historische Dimension der Wirkmächtigkeit von Tieren auch einfach >Tiergeschichte< genannt wird. Entsprechend wollen wir uns mit den neuen Konzeptionen von Tiergeschichte beschäftigen und debattieren, wie sich der >Animal Turn< in der Geschichtswissenschaft niedergeschlagen hat.

Themen, die in diesem Seminar diskutiert werden sollen, reichen von theoretischen konzeptionen tier-menschlicher Annäherungen bis zu methodisch-handwerklichen Umsetzungen des Forschungsprogrammes der Human-Animal-Studies. Wir fragen: Sind Tiere (historische) Akteure und wie können wir das adäquat wiedergeben ? Oder sind sie doch bloß Repräsentationsfiguren außerhalb menschlicher Historiographie und ihren Zugriffen ? Anhand von empirischen Arbeiten zur Haus- und Nutztierhaltung  und der Geschichte der Zoos werden wir zu eruieren versuchen, wie die Tiergeschichte mit diesen Fragen umgeht.

Ziel des Seminars ist es, grundlegende Aspekte der Human-Animal Studies und der Tiergeschichte zu rekapitulieren und anwenden zu können. Die Teilnehmer*innen sollen darüber hinaus in die Lage versetzt werden, die Relevanz theoretischer Konzepte für die Geschichtsschreibung zu erkennen.

Der Nationalsozialismus war deutlich geschlechtsspezifisch organisiert. Das betraf nicht nur Felder beruflichen und öffentlichen Daseins, sondern auch ideologischer Zuschreibungen.  Aber nicht nur der Nationalsozialismus war geschlechtlich codiert, genauso hat die Erinnerungsarbeit bestimmte Tropen verstärkt, zementiert. Ziel des Seminars ist deshalb sowohl das forschende Erarbeiten und die Analyse von geschlechtlichen Konstruktionen von Opfer- und Täter:innenschaft in der nationalsozialistischen Ideologie und Praxis als auch wie an sie erinnert wird. Exemplarisch soll dies anhand des Frauenkonzentrationslagers Ravensbrück gezeigt werden, in dem die vergeschlechtliche Kategorisierung scheinbar sehr klar hervortrat. Begleitet durch die Mitarbeiter:innen der Gedenkstätte Ravensbrück, sollen deshalb nicht nur die Lager (Frauenkonzentrationslager Ravensbrück und Jugendkonzentrationslager Uckermark) selbst besucht werden, sondern auch die Orte, an denen die Forschung zu ihnen stattfindet, wie das Archiv der Gedenkstätte. Ziel ist es hierbei sowohl der Geschichte selbst als auch der Erinnerung an die Geschichte analytisch begegnen zu lernen. 

Das forschende Lernen vor Ort besteht deshalb aus zwei Ebenen. Zum einen soll vertieft werden, wie bestimmte Gruppen (Gefangene, Aufseherinnen, SS-Wächter) vergeschlechtlich wurden und wie wiederum die Behandlung der Gefangenen von ihrer vergeschlechtlichen Position abhing (etwa Unterschiede zwischen Jüdinnen, Widerstandskämpferinnen, sogenannten Asozialen, Prostituierten und Kriminellen, Sintizza und Romnja, Lesben)..Dazu werden auch gezielt Archivalien und Selbstzeugnisse ausgewertet. Zum anderen soll danach gefragt werden, wie sich die vergeschlechtliche Zuordnung heute in der Gedenkstätte darstellt, wie sie aufgegriffen wird bzw. wurde. Die Gegenstände, an denen sie diese Forschungsfrage richtet, können die angebotenen Führungen, die zur Verfügung gestellten Materialien und Filme, Ausstellungen von Objekten in den Gedenkstätten, usw. sein.

Für die Studierenden bietet sich gleich auf mehreren Ebenen die Möglichkeit, Erlerntes auf Praxisfragen im Berufsalltag zu beziehen und hierfür wichtige methodische Kompetenzen zu erwerben. Das Seminar ist neben Studierenden der Geschichte auch für den Masterstudiengang „Diversität - Forschung - Soziale Arbeit“ sowie für das interdisziplinäre „Studienprogramm Frauen- und Geschlechterforschung“ geöffnet. In interdisziplinären Teams sollen vor Ort die verschiedenen Ebenen der konkreten Erinnerungsarbeit kennengelernt (Führungen, Ausstellungen) und forschend erschlossen werden. Dabei soll analysiert werde, wie Erinnerung sich manifestiert und wie Gedenkstättenarbeit funktioniert. Gleichzeitig soll reflektiert werden, inwieweit die Gedenkstätte Ravensbrück selber mit der Kategorisierung von Geschlecht operiert. 

Der Tierfilm ist eine Art von Dokumentarfilm, der sich scheinbar auf das Verhalten und das Leben von Tieren konzentriert. Es kann sowohl Tiere in freier Wildbahn als auch in Gefangenschaft zeigen. Tiere spielten tatsächlich seit Beginn des Filmes um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert eine zentrale Rolle, so bei frühen Safari-Filmen. In diesen Filmen wurden Tiere aber nicht nur porträtiert und charakterisiert: gleichsam vermittelten sie auch Vorstellungen davon, wie menschliche Gesellschaften zu funktionieren hatten. Insbesondere britische Kolonialregime zeigten sich über inszenierte Großkatzenjagden, die auch filmisch arrangiert wurden, als Bezwinger und Beschützer, als Herrscher und vermeintliche Zivilisationsbringer. Auch andere Dokumentarfilme bebilderten so Ideen des Exotischen und des „Anderen“, welches es zu bezwingen gälte. Nach den Weltkriegen entwickelte sich aber auch ein neues Genre. Der Tier- und Naturfilm, der sich für den Erhalt der Umwelt einsetzte, häufig mit nicht weniger kolonialistischem Gestus versehen.

Das Seminar verbindet somit Filmgeschichte, Tiergeschichte und Kolonialgeschichte und fragt nach den jeweiligen Potentialen, die unterschiedliche historische Betrachtungsweisen auf ein Medium, den dokumentarischen Tierfilm, eröffnen.  Zum einen soll im Seminar allgemein die Funktion von Tieren in filmischen Medien aus historischer Perspektive besprochen werden und dabei Analysemittel vermittelt werden, mit denen diese als historische Quellen nutzbar gemacht werden können. Dabei soll ein Zugang gewählt werden der, tiergeschichtlich orientiert, die Wichtigkeit der Präsenz der Tiere für diese Geschichte herausstreicht. Zum andern sollen die Studierenden lernen, selbst kritisch mit dem Medium Film umzugehen; das schließt auch seine materielle Quellenfunktion mit ein.

Die Veranstaltung wendet sich an Studierende, die im Arbeitsbereich der Sozial- und Kulturgeschichte, insbesondere auch der Tiergeschichte, eine Abschlussarbeit - BA, MA oder Staatsexamen - schreiben oder vorhaben dies zu tun. Sie bietet denjenigen, die bereits an ihrer Arbeit sitzen, die Möglichkeit Schwierigkeiten zu besprechen und Fragen zu klären und denjenigen, die noch auf der Suche nach einem Thema sind, Hilfe bei Themenfindung und dabei, das Thema richtig zuzuschneiden und eine Fragestellung zu entwickeln. Zudem soll die Veranstaltung alle Teilnehmer*innen dabei unterstützen, ihre Arbeiten in aktuelle Forschungskontexte einzubinden. Dazu haben Sie die Möglichkeit auch gemeinsam zentrale, themenrelevante Sekundärliteratur zu diskutieren.

Wir werden uns im Seminar also sowohl mit technisch-methodischen Fragen des wissenschaftlichen Schreibens als auch Perspektiven und Fragestellungen diskutieren, die für das Fach relevant sind.

Lehrveranstaltungen vergangener Semester

Lehrveranstaltungen im Wintersemester 2022/23

Expansive Nationalstaaten, wie das unter preußischer Führung entstehende Deutsche Kaiserreich, haben stets ein breites Programm an Repräsentationsformen zur Selbstdarstellung und Legitimation entwickelt.  Sie haben kulturelle Grenzen überschritten und sich tatsächlich oder in ihrem Selbstverständnis, in ihrer Ideologie oder ihrer Planung als neue Figurationen präsentiert. Mit Staatengründung kamen die Einrichtungen von sinnbildlichen und materiellen Infrastrukturen hinzu. Neben symbolischen und performativen Akten spielten dabei seit dem Altertum architektonische, gartenkünstlerische und städtebauliche Ausdrucksformen eine zentrale Rolle. Im Falle Berlins, als neuer Hauptstadt des Reiches, die einerseits zwar aus vielen kleinen Städten und Dörfern quasi zusammengewürfelt worden war, andererseits jetzt aber städteplanerisch auch neu skizziert werden musste, um diesen herrschaftlichen Ausdrucksformen Gesicht zu verleihen, lassen sich gleich mehrere Ebenen dieser Herrschaftsinszenierungen aufzeigen, weil auch die Regimewechsel vom Kaiserreich, über die Weimarer Republik, dem Nationalsozialismus, DDR und BRD ihre Spuren in der Planung hinterlassen haben.

Aus diesem Grund sind insbesondere Infrastrukturen zentraler Untersuchungsgegenstand einer kulturgeschichtlich ausgerichteten, historischen Stadtforschung, die für die Ergründung von nationalen Meistererzählungen eine mikrohistorische Perspektive anbietet. In einer gemeinsamen Erkundung von geplanten (z.B. "Welthauptstadt Germania") und umgesetzten Instanzen solcher Herrschaftsinszenierungen (z.B. Stadtschloss und Lustgarten, Olympiastadion und Olympisches Dorf, Palast der Republik und Marx-Engels-Forum, Regierungsviertel) in Berlin soll den Studierenden in diesem Forschungsseminar die Möglichkeit eröffnet werden, sowohl die Ausgestaltung der physischen Infrastrukturen wie auch die damit verbundene mentalen Ordnungen durch eine historische Perspektive zu erkunden.

Ziel des Seminars ist die historische und räumliche Betrachtung der freiraumplanerischen und politisch-administrativen Ausgestaltung von Macht und Herrschaft innerhalb der Stadt Berlin. Die Studierenden bearbeiten einzelne Forschungsfragen, die mit der Erzählung von Herrschaft über die Stadtplanung, der Errichtung bestimmter städtischer Infrastrukturen oder ästhetischer Ausdrucksmittel einhergehen. Das Seminar wird zwei Einführungsveranstaltungen haben. die konkrten Forschungen und Begehungen finden dann auf einer gemeinsamen viertägigen Forschungsexkursion nach Berlin vom 15.-19. November statt.

Das Einführungsmodul in den Master „Geschichte und Öffentlichkeit“ soll den Studierenden einen ersten Überblick über die inhaltliche Auseinandersetzung mit Themen der Public History bzw. der Geschichte in der Öffentlichkeit liefern. Public History bedeutet zunächst die Darstellung und Vermittlung von Geschichte in, für und durch die Öffentlichkeit. Für Historiker*innen, die in diesem Bereich tätig sind, bedeutet es aber auch diese Geschichte inhaltlich und medial mitzugestalten und zugleich deren kognitive, politische, ästhetische und ökonomische Dimensionen zu erforschen. Das Seminar thematisiert hier die zentralen Zusammenhänge von wissenschaftlicher Erkenntnis und öffentlichkeitsorientierter Vermittlung. Es vermittelt methodische und theoretische Zugänge der Geschichtswissenschaft und erfasst die Bedeutung der praxisrelevanten Anwendung, zum Beispiel für die Erinnerungspolitik.

Das Seminar ist zweiteilig aufgebaut: Zu einem erhalten die Studierenden einen Überblick darüber, wie Geschichte und Öffentlichkeit epochenabhängig verhandelt wird. Hierzu liefern die Fachgebiete Alte Geschichte, Mittelalterliche Geschichte, Geschichte der Frühen Neuzeit, Neuere und Neueste Geschichte und Didaktik der Geschichte in 5 Sitzungen jeweils kurze Inputvorträge und diskutieren mit den Studierenden die Wichtigkeit des Ansatzes von Geschichte und Öffentlichkeit für die Vermittlung der Geschichte der jeweiligen Epoche.

Gemeinsam soll im Seminar dann, aufbauend auf diesen allgemeinen Erkenntnissen, die Rolle sozialer Medien für die Vermittlung von Geschichte diskutiert bzw. der Stand sog. digitaler Geschichtsschreibung reflektiert werden. Zu diesem Zweck werden wir gemeinsam einen (digitalen) Workshop vorbereiten, zu dem auch ausgewiesene Expert:innen bzw. Anwender:innen eingeladen werden sollen.

Die Veranstaltung wendet sich an Studierende, die im Arbeitsbereich der Sozial- und Kulturgeschichte, insbesondere auch der Tiergeschichte, eine Abschlussarbeit - BA, MA oder Staatsexamen - schreiben oder vorhaben dies zu tun. Sie bietet denjenigen, die bereits an ihrer Arbeit sitzen, die Möglichkeit Schwierigkeiten zu besprechen und Fragen zu klären und denjenigen, die noch auf der Suche nach einem Thema sind, Hilfe bei Themenfindung und dabei, das Thema richtig zuzuschneiden und eine Fragestellung zu entwickeln. Zudem soll die Veranstaltung alle Teilnehmer*innen dabei unterstützen, ihre Arbeiten in aktuelle Forschungskontexte einzubinden. Dazu haben Sie die Möglichkeit auch gemeinsam zentrale, themenrelevante Sekundärliteratur zu diskutieren.

Wir werden uns im Seminar also sowohl mit technisch-methodischen Fragen des wissenschaftlichen Schreibens als auch Perspektiven und Fragestellungen diskutieren, die für das Fach relevant sind.

Lehrveranstaltungen im Sommersemester 2022

In Swahili bedeutet Safari unverfänglich eine Reise jeglicher Art. Im kolonialen Kontext wurde es sowohl im Englischen wie im Deutschen für eine Jagdreise zur Großwildjagd verwendet. Zunächst nur in Ostafrika, wo Swahili gesprochen wurde (und wird), später dann aber auch in anderen Teilen des Kontinents und ach in Indien. Mehr noch stand es in der Zeit um 1900 aber auch für die Verdrängung lokaler Jagdmethoden, den Anspruch der Europäer (und einzelner Europäerinnen) auf das in Afrika vorhandene Wild. Während dieser Zeit galt es als besonders heldenhaft, mit der Waffe in der Hand und zu Fuß die wehrhaftesten Tiere Afrikas zu töten. Trophäen wurden in die Heimat versandt, um von dieser „Heldenhaftigkeit“ Zeugnis abzulegen und gleichzeitig die Pracht der Kolonien zu unterstreichen. Über die Herrschaft über das Tier, die Entscheidung über Leben und Tod, zog man darüber hinaus auch klare Hierarchien in den Kolonien ein. Es waren die Kolonialherren, die mit ihren potenten Waffen Entscheidungen fällten, deren Opfer sowohl die menschlichen wie tierlichen Bewohner:innen des Kontinents waren.

Im Seminar wollen wir uns mit diesen mehreren Ebenen von Herrschaftsinszenierung über die Jagd an Tieren im Kontext imperialer Ausweitungen beschäftigen. Wir wollen zum einen betrachten, welche Bilder wie inszeniert worden sind. Dabei werden wir uns zum Beispiel mit dem Genre des Safari-Filmes befassen. Darüber hinaus wird es aber allgemeiner darum gehen, zu erörtern, welchen Stellenwert Tiere und Natur in kolonialen Erzählungen spielten, wie bestimmte Ideen (europäischer) Männlichkeit über die Jagd kommuniziert wurden und welche Auswirkungen die Jagd auf die lokale Fauna hatte. Wie folgen bei dieser Betrachtung neuen Erkenntnissen aus der Tiergeschichte, die auch Tiere als historische Akteure konzeptualisiert.

Seminar in Kooperation mit dem Deutschen Schifffahrtsmuseum Bremerhaven

Maritime History als historiographisches Feld setzt sich von einer, nunmehr vielmals als verstaubt angesehenen, See- und Schifffahrtsgeschichte ab, als dass sie nicht nur technische Innovationen beispielsweise von der Segel- zur Dampfschifffahrt betrachtet, sondern die Geschichte der Interaktion des Menschen mit dem Meer in seiner Gänze in den Blick nehmen will. Damit kreuzt die Maritime History disziplinäre Grenzen, umwelt-, technik- und sozialgeschichtliche Perspektive treffen hier auf eine neue Geschichte der Tier-Mensch-Beziehungen, die wiederum beeinflusst ist von anthropologischen und ethologischen Ideen und Ansätzen. Die widerspruchsvolle Geschichte der Beziehungen zwischen Menschen und Meerestieren, die sowohl unter wie über Wasser stattfand, und die im Mittelpunkt des Seminars steht, manifestiert sich sowohl in schriftlichen und bildlichen Überlieferungen als auch in artefaktischen und biotischen Überresten. Das Forschungsseminar am Deutschen Schifffahrtsmuseum (DSM) in Bremerhaven ermöglicht es, Studierende zum kritischen Umgang mit sehr verschiedenen Quellenarten zu befähigen, so dass sie neben Texten und ikonischen Abbildungen etwa auch Walknochen, Harpunen und weiteren dinglichen Überresten auf ihr heuristisches Potenzial hin befragen können. Mittels des Beschreibens und Einordnens von Objekten des Museums sollen gemeinsam Deutungsperspektiven auf die Beziehungen zwischen Menschen, Meerestieren und Artefakten, wie Booten und Schiffen vor allem im 18. bis 20. Jahrhundert erarbeitet werden. 

Das Forschungsseminar baut die bestehende Kooperation mit dem Deutschen Schifffahrtsmuseum Museum in Bremerhaven aus. Aus tierhistorischer Perspektive ist die inhaltliche Zielsetzung des Seminars, über die spezifische Materialität artefaktischer und biotischer Überreste neue Blicke auf die Erfassung von Geschichte kennenzulernen. Materialität, die spezifische Dinghaftigkeit von Objekten, die seit dem Material turn neuen Aufschwung in den Geschichtswissenschaften erlebt hat, ist hier also nicht nur als theoretisches Framework zu betrachten. Vielmehr geht es um die konkrete Anwendung historiographischer Ansätze, die hier praktische Anwendung finden soll. So ist es auch Ziel des Seminars, ein Verständnis für die Herausforderungen der Konservierung und Präsentation musealer Objekte zu entwickeln. Dies setzt einen „Hands-On“-Zugang voraus. Verbunden werden soll dies mit einer forschenden Einführung in die neuen Perspektiven der Maritime History. Forscher*innen verstehen das Meer heute als einen sowohl durch menschliches Handeln konstituierten aber auch von physikalischen Gegebenheiten geprägten Raum. In den letzten Jahren wird dabei zunehmend der Ruf laut, den Ozean nicht nur als Metapher zu gebrauchen oder als Medium der Konnektivität zu begreifen, sondern die Materialität des Raumes Meer ernst zu nehmen und die Rolle nicht-menschliche Akteure in historischen Prozessen zu berücksichtigen. Was dies für die Historiographie bedeutet, soll im Seminar erschlossen werden.

Die Geschlechtergeschichte wird häufig als Patin für das noch junge Feld der Tiergeschichte herangezogen. Dies gilt einerseits für methodische Überlegungen zur Quellenbeschaffung andererseits für die theoretischen Grundsätze zur Darstellung des historisch „Anderen“ und Unterdrückten. Gleichzeitig ist auffällig, dass die Tiergeschichte, wenn auch bloß implizit, Fragen über Geschlecht mitverhandelt, sei es um sozialgeschichtliche Themen von öffentlichem und privatem Raum in der Entwicklung der Heimtierhaltung zu diskutieren oder tierethische Einordnungen, z. B. Mitleidskonzeptionen historisch einzuordnen. In der Tat drängen sich aber insbesondere bei der Betrachtung des „bürgerlichen“ 19. Jahrhunderts Fragen nach dem Zusammenhang von geschlechtlicher Kategorisierung und der gesellschaftlichen Stellung der Tiere geradezu auf. Vor allem die Verquickung von erster Frauenbewegung und organsiertem Tierschutz, zumindest in Großbritannien, lädt dazu ein, historische Tier-Mensch-Verhältnisse geschlechtergeschichtlich zu perspektivieren. Dies trifft ebenso für die geschlechtsspezifische und geschlechterstereotype Zuordnung bestimmter Spezies und Arten zu, die sich im 20. Jahrhundert noch weiter ausdifferenzieren und zum Beispiel in der Konstruktion des „Pferdemädchens“ münden.

Ziel des Seminars wird es sein, die verschiedenen Ebenen geschlechtergeschichtlicher Annäherungen innerhalb der Tier-Mensch-Beziehungsgeschichte  auszuloten. Es werden also sowohl ganz konkrete historische Phänomene, wie die Frauenwahlrechtsbewegung oder der Ökofeminismus der 1980er Jahre auf spezifische Verhandlungen von Tier-Mensch-Verhältnisse hin befragt und anderseits die theoretischen Deutungsangebote, die etwa von Donna Haraway oder Carol J. Adams für den Zusammenhang von Gender und Spezies unterbreitet worden sind, kritisch eingeordnet. Dabei wird auch auf die Bedeutung der Intersektionalitätsforschung für die Geschichtswissenschaften eingegangen werden. Hier wird das besondere Augenmerk auf der Frage liegen, wie sehr auch Spezies, genauso wie Geschlecht, als kulturelle Praxis historisch inszeniert wurde und noch wird.

Als im September 1896 auf dem internationalen Berliner Frauenkongress das Thema Frauenkleidung in Deutschland erstmals öffentlich diskutiert wurde, fanden in erster Linie medizinische Begründungen Einzug in die Debatte um einen Reformbedarf. Vor allem das Korsett und die langen Röcke wurden als unhygienisch abgelehnt. Schon zwei Wochen später wurde der Verein zur Verbesserung der Frauenkleidung gegründet. Der Verein hakte sich in weitere Debatten um die Lebensreform ein, in der der Körper als ein neues Diskursfeld entdeckt wurde. Auch eine Kunstbewegung versuchte anhand neuer Designs Bewegung in die starre Kleiderordnung der wilhelminischen Gesellschaft zu bringen. Zahlreiche Aktivist:innen, vor allem nach der Jahrhundertwende, interessierten sich aber auch für andere Fragen der Zeit, insbesondere auch die nach der generellen bzw. zunehmenden Emanzipation der Frau. Frauenwahlrecht und die freie Kleidungswahl schienen hier Hand in Hand zu gehen.

Im Seminar wollen wir anhand der Diskussion um das Reformkleid sowohl diese Bewegung selbst in den Blick nehmen. Wer waren ihre Protagonist:innen, welche Ziele verfolgten sie, wie und über welche Medien drückten sie sich aus? Ferner wollen wir uns aber auch mit der geschlechtsspezifischen Funktion von Mode als sozialem Demarkationsinstrument befassen und uns damit dem Gegenstand mit Perspektiven der Mode-, Körper- und Geschlechtergeschichte nähern. Was bedeutet eine solche Perspektive für den historischen Gegenstand und welcher Art von Quellen bedarf es, um ihr gerecht zu werden?

Das Seminar baut auf der gemeinsamen Lektüre ausgewählter Sekundärliteratur zum Thema Reformkleid, Lebensreform und Frauenemanzipation sowie zur Modetheorie auf. In Kooperation mit dem Archiv der deutschen Frauenbewegung sollen ferner Quellen aus der Geschichte der Reformkleidbewegung, vor allem die Selbstzeugnisse des Vereins der Verbesserung der Frauenkleidung und Modejournale erschlossen, ausgewertet und im Rahmen einer Posterpräsentation vorgestellt werden.

Die Veranstaltung wendet sich an Studierende, die im Arbeitsbereich der Sozial- und Kulturgeschichte, insbesondere auch der Tiergeschichte, eine Abschlussarbeit - BA, MA oder Staatsexamen - schreiben oder vorhaben dies zu tun. Sie bietet denjenigen, die bereits an ihrer Arbeit sitzen, die Möglichkeit Schwierigkeiten zu besprechen und Fragen zu klären und denjenigen, die noch auf der Suche nach einem Thema sind, Hilfe bei Themenfindung und dabei, das Thema richtig zuzuschneiden und eine Fragestellung zu entwickeln. Zudem soll die Veranstaltung alle Teilnehmer*innen dabei unterstützen, ihre Arbeiten in aktuelle Forschungskontexte einzubinden. Dazu haben Sie die Möglichkeit auch gemeinsam zentrale, themenrelevante Sekundärliteratur zu diskutieren.

Wir werden uns im Seminar also sowohl mit technisch-methodischen Fragen des wissenschaftlichen Schreibens als auch Perspektiven und Fragestellungen diskutieren, die für das Fach relevant sind.

Lehrveranstaltungen im Wintersemester 2021/2022

Die systematische Verfolgung und Ermordung von kranken, behinderten oder sozial stigmatisierten Menschen im Rahmen der 1939 begonnen sogenannten T4-Aktion legte den Grundstein für weitere systematische Massenermordungen während des Nationalsozialismus. Mit diesen Aktionen wollte der faschistische Staat diejenigen aussondern, die einerseits nicht der ideologischen Vorstellungen eines gesunden „Volkskörpers“ entsprachen und anderseits keinen wirtschaftlichen Beitrag zur „Volksgemeinschaft“ zu leisten schienen. Bei der Debatte um die historische Wiedergutmachung nach dem Krieg zeigte sich wiederum, wie stabil sich bestimmte Vorstellungen von Krankheit zeigten. Dies betraf auch die Vorstellungen besonderer geschlechtertypologisiernder Kategorien.

In dieser Veranstaltung wird deshalb der Fokus auf Aspekten der Patient*innengeschichte, insbesondere während des Nationalsozialismus liegen, wobei wir den Blick jedoch ausdrücklich für Kontinuitäten in der Nachkriegszeit öffnen möchten. Aus einer soziologischen und geschichtswissenschaftlichen Perspektive wird erarbeitet, wie spezifische Verschränkungen von Typologisierungen der Abweichung/Pathologisierung mit Geschlechterkonstruktionen ihre Wirkmacht als legitimatorische Wissensfiguren der Diagnostik und Verwaltung entfalteten und wie hierrüber auch bestimmte Opfer- und Täter*innenprofile erzeugt und verfestigt wurden. Neben grundlegenden theoretischen und methodologischen Texten werden auch Patient*innenakten untersucht. Dabei soll erörtert werden, wie schwierig die Rekonstruktion der komplexen Biographien der Opfer anhand dieser Quellen ist und welche methodischen Ansätze Soziologie und Geschichtswissenschaften, von quantitativen Auswertungen von Krankengeschichten hin zu kollektiven Biographien, dafür bereithalten. Dafür werden wir auch mit der Gedenkstätte in Hadamar, wo zwischen 1940 und 1944 rund 15.000 Menschen ermordet wurden, zusammenarbeiten.

Das Seminar möchte sich aber nicht auf die historische Rekonstruktion der Topoi von Rassenhygiene und „Aufartung“ beschränken, die insbesondere mit der Euthanasie-Aktion T4 verbunden sind, sondern grundsätzliche Fragen der sozialen Differenzierungen durch „Krankheit“ nachgehen und wie diese in „totalen Institutionen“ produziert werden.

 

In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts fand, angestoßen u.a. durch die Darwin‘sche Evolutionsbiologie, eine Biologisierung der Ethnologie statt, wodurch der Begriff der Rasse, ein Begriff der bereits während der ersten europäischen Kolonialisation in die Sprache eingeführt worden war, verstärkt als biologische Kategorie wahrgenommen wurde. Als neue Quelle für Kenntnisse fremder „Rassen“ kamen im 19. Jahrhundert Berichte von Forschungsreisen hinzu, an denen Zoologen, Anthropologen und Naturkundler:innen teilnahmen. Doch auch in Europa selbst fing man an, nach „rassischen“ Unterarten zu suchen und Menschen zu vermessen. Otto Ammon, etwa, legte 1893 mit seiner Anthropologie der Badener die erste anthropologische Studie eines größeren Raums vor, aus der auch eine rassische Charakterologie abgeleitet wurde. Sogenannte Rassekreistheorien, die die Menschheit in drei oder vier „Großrassen“ wie Europide, Mongolide, Australide und Negride sowie eine Vielzahl von „Unterrassen“ untergliederten, sollten einerseits „Ordnung“ in die von drastischen gesellschaftlichen Umbrüchen geprägte zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts bringen, anderseits die neuen gesellschaftlichen Brüche, die durch Imperialismus und Industrialisierung aufkamen, (pseudo-)wissenschaftlich begründen. Ein weiteres Motiv der Rassenanthropologie war die Eugenik als Idee, die Entwicklung von Rassen künstlich zu steuern. Bezogen wurde sich dabei häufig auch auf Erkenntnisse der ebenfalls sich im 19. Jahrhundert professionalisierenden Tierzucht.

Das Seminar verbindet Wissenschaftsgeschichte, Tiergeschichte und die Geschichte des Rassismus und fragt nach den jeweiligen Potentialen, die unterschiedliche historische Betrachtungsweisen auf den Erkenntnisgegenstand bringen. Ziel ist es, einen Einblick in die Geschichte von Tierzucht und Rassenanthropologie um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert zu vermitteln und die wichtigsten Vertreter der Fächer und ihre Auswirkungen auf züchterische und eugenische Diskurse kennenzulernen. In diesem Seminar werden wir deshalb erkunden, wie Tierzucht und Rassenanthropologie voneinander abhängig diskutiert wurden, wo es Überschneidungen gab und wie sie jeweils auch im politischen Diskurs des Kaiserreiches (und darüber hinaus) wahrgenommen wurden. Dafür werden wir vertiefte Quellenlesungen vornehmen.

2017 fragte die englische Frühneuzeithistorikerin Erica Fudge, wie es wohl sei, eine Kuh zu sein bzw. welcher Fertigkeiten und Fähigkeiten es eigentlich bedürfe, die Geschichte von Kühen zu schreiben. Sie griff damit eine Frage auf, die der amerikanische Philosoph Thomas Nagel bereits Mitte der 1970er in Bezug auf Fledermäuse gestellt hatte. Neu an Fudges Vorgehen war jedoch, dass sie sich auf Erkenntnisse eines wachsenden Feldes von Forscher*innen berufen konnte, die die Frage nach der Tierperspektive in Tier-Mensch-Beziehungen seither kritisch, produktiv und interdisziplinär angegangen sind. Dieses Feld, die sogenannten Human-Animal Studies, versucht dabei unter anderem die Repräsentation von Tieren in Kunst, Medien und Literatur sowie die Frage nach der kulturell-symbolischen Bedeutung von Tieren zu erforschen. Die Rolle von Tieren und Tierbildern in Denksystemen und der Ideengeschichte westlicher Gesellschaften, Interaktionen zwischen Menschen und Tieren sowie Untersuchungen der tierbezogenen Praktiken bzw. der Behandlung von Tieren in verschiedenen gesellschaftlichen Feldern wie u.a. Wissenschaft, Ökonomie, Landwirtschaft stellen weitere Themen dar, die in den Human-Animal Studies behandelt werden. Dieses Seminar ist eine Einführung in die historischen Human-Animal Studies, die mit Fokus auf die historische Dimension der Wirkmächtigkeit von Tieren auch einfach >Tiergeschichte< genannt wird. Entsprechend wollen wir uns mit den neuen Konzeptionen von Tiergeschichte beschäftigen und debattieren, wie sich der >Animal Turn< in der Geschichtswissenschaft niedergeschlagen hat.

Themen, die in diesem Seminar diskutiert werden sollen, reichen von theoretischen konzeptionen tier-menschlicher Annäherungen bis zu methodisch-handwerklichen Umsetzungen des Forschungsprogrammes der Human-Animal-Studies. Wir fragen: Sind Tiere (historische) Akteure und wie können wir das adäquat wiedergeben ? Oder sind sie doch bloß Repräsentationsfiguren außerhalb menschlicher Historiographie und ihren Zugriffen ? Anhand von empirischen Arbeiten zur Haus- und Nutztierhaltung  und der Geschichte der Zoos werden wir zu eruieren versuchen, wie die Tiergeschichte mit diesen Fragen umgeht.

Ziel des Seminars ist es, grundlegende Aspekte der Human-Animal Studies und der Tiergeschichte zu rekapitulieren und anwenden zu können. Die Teilnehmer*innen sollen darüber hinaus in die Lage versetzt werden, die Relevanz theoretischer Konzepte für die Geschichtsschreibung zu erkennen.

Das Einführungsmodul in den Master „Geschichte und Öffentlichkeit“ soll den Studierenden einen ersten Überblick über die inhaltliche Auseinandersetzung mit Themen der Public History bzw. der Geschichte in der Öffentlichkeit liefern. Public History bedeutet zunächst die Darstellung und Vermittlung von Geschichte in, für und durch die Öffentlichkeit. Für Historiker*innen, die in diesem Bereich tätig sind, bedeutet es aber auch diese Geschichte inhaltlich und medial mitzugestalten und zugleich deren kognitive, politische, ästhetische und ökonomische Dimensionen zu erforschen. Das Seminar thematisiert hier die zentralen Zusammenhänge von wissenschaftlicher Erkenntnis und öffentlichkeitsorientierter Vermittlung. Es vermittelt methodische und theoretische Zugänge der Geschichtswissenschaft und erfasst die Bedeutung der praxisrelevanten Anwendung, zum Beispiel für die Erinnerungspolitik.

Das Seminar ist zweiteilig aufgebaut: Zu einem erhalten die Studierenden einen Überblick darüber, wie Geschichte und Öffentlichkeit epochenabhängig verhandelt wird. Hierzu liefern die Fachgebiete Alte Geschichte, Mittelalterliche Geschichte, Geschichte der Frühen Neuzeit, Neuere und Neueste Geschichte und Didaktik der Geschichte in 5 Sitzungen jeweils kurze Inputvorträge und diskutieren mit den Studierenden die Wichtigkeit des Ansatzes von Geschichte und Öffentlichkeit für die Vermittlung der Geschichte der jeweiligen Epoche.

Gemeinsam soll im Seminar dann, aufbauend auf diesen allgemeinen Erkenntnissen, die Rolle sozialer Medien für die Vermittlung von Geschichte diskutiert bzw. der Stand sog. digitaler Geschichtsschreibung reflektiert werden. Zu diesem Zweck werden wir gemeinsam einen digitalen Workshop vorbereiten, zu dem auch ausgewiesene Expert:innen bzw. Anwender:innen eingeladen werden sollen.

Die Veranstaltung wendet sich an Studierende, die im Arbeitsbereich der Sozial- und Kulturgeschichte, insbesondere auch der Tiergeschichte, eine Abschlussarbeit - BA, MA oder Staatsexamen - schreiben oder vorhaben dies zu tun. Sie bietet denjenigen, die bereits an ihrer Arbeit sitzen, die Möglichkeit Schwierigkeiten zu besprechen und Fragen zu klären und denjenigen, die noch auf der Suche nach einem Thema sind, Hilfe bei Themenfindung und dabei, das Thema richtig zuzuschneiden und eine Fragestellung zu entwickeln. Zudem soll die Veranstaltung alle Teilnehmer*innen dabei unterstützen, ihre Arbeiten in aktuelle Forschungskontexte einzubinden. Dazu haben Sie die Möglichkeit auch gemeinsam zentrale, themenrelevante Sekundärliteratur zu diskutieren.

Wir werden uns im Seminar also sowohl mit technisch-methodischen Fragen des wissenschaftlichen Schreibens als auch Perspektiven und Fragestellungen diskutieren, die für das Fach relevant sind.

Lehrveranstaltungen im Sommersemester 2021

Seminar


Dienstags, 14 - 16 Uhr

Seit William Hogarth bereits 1751 mit den Four Stages of Cruelty eine Serie von Drucken vorgelegt hatte, die die Folgen von amoralischem Handeln und Tierquälerei vermitteln sollten und der Wert dieser visuellen Ensembles erkannt worden war, ließ sich der öffentliche Tierschutzdiskurs kaum noch von den Bildern trennen, die in diesem Kontext erzeugt wurden. Diese Bilder wurden schon früh dazu genutzt, Politik von, mit und über Tiere zu machen. Die Medienrevolution Ende des 19. Jahrhunderts, die mit der illustrierten Zeitschrift ein neues Format entwickelte, in der die Abbildungen in einem direkten Verhältnis zum Text stand, bot neue Chancen für diejenigen, die auf die Gewalt gegen Tiere vor allem in Tierversuchen aufmerksam machen wollten. Allerdings nutzten erst die neuen sozialen Bewegungen der Nachkriegszeit die Macht der Bilder in einem Maße, dass sie sich selbst in den Diskurs um das richtige Verhalten zum Tier einschrieben. Das liegt vor allem daran, dass sie das abbilden, was nicht öffentlich war. "Licht an dunkle Stätten" zu bringen, hatte sich zwar bereits die Antivivisektionsbewegung der Kaiserzeit auf die Fahnen geschrieben, richtig erfolgreich war sie indes nicht damit gewesen.

In diesem Seminar wollen wir uns aus einer mediengeschichtlichen Perspektive dem Thema "Gewalt gegen Tiere" widmen und hierbei Bruchlinien in der Berichterstattung genauso identifizieren wie in der Bildsprache. In den Blick nehmen wollen wir die Zeit von 1970 bis in die Gegenwart und dabei Beispiele aus Westeuropa und den USA identifizieren und analysieren. Dabei werden wir uns vor allem vier Themenfelder anschauen: Tierversuche, Pelz- und Pelzhandel, Tiertransporte und Tierepidemien. Wie und zu welchem Zeitpunkt das optimale Bild-Text-Verhältnis auf die Öffentlichkeit bei welchem Thema insbesondere wirksam wurde, wollen wir mithilfe einer vertiefenden Medienanalyse beispielsweise der Zeitschrift Der Spiegel vornehmen. Ein weiteres Augenmerk soll auf die mediale Selbstinszenierung jener gelegt werden, die im "Kampf" gegen Tiermissbrauch selbst zu Mitteln der Gewalt griffen, insbesondere im Hinblick auf die in Großbritannien seit den 1970er Jahren aktive Tierbefreiungsbewegung rund um die Animal Liberation Front und ihre medienwirksamen Einbrüche in Laboratorien.

Dazu werden wir einerseits mit Methoden der Mediengeschichte arbeiten. Im Kurs wird es deshalb auch darum gehen hierfür eine solide Einführung in den Umgang mit Zeitungs- und Zeitschriftenmedien und den hierüber vermittelten Bildern zu leisten. Dazu sollen auch die theoretischen Ausführungen zum iconic turn und zur visual history Beachtung finden. Andererseits sollen auch die in den Human-Animal Studies geführten Debatten zur "richtigen" Darstellung Dechiffrierung des Bildes des tierlichen "Anderen" besprochen werden. Die Studierenden sollen ferner selbstständig nach entsprechendem Quellenmaterial recherchieren und dies im Seminar vorstellen.

 

Literatur zur Vorbereitung:

  • Kruse, Corwin R.: "The movement and the media: Framing the debate over animal experimentation." Political Communication 18.1 (2001): 67-68.
  • Cronin, J. Keri: "'A Mute Yet eloquent Protest': Visual Culture and Anti-Vivisection Activism in the Age of Mechanical Reproduction." In: John Sorenson (Hg.), Critical Animal Studies: Thinking the unthinkable Canadian Scholars Press (2014), S. 284-297.
  • Roscher, Mieke: "Gesichter der Befreiung. Eine bildgeschichtliche Analyse der visuellen Repräsentation der Tierrechtsbewegung", in: Chimaira Arbeitskreis (Hg.), Human-Animal Studies: Über die gesellschaftliche Natur von Tier-Mensch Verhältnissen, Bielefeld 2011, S. 335-363.

"If the kids are united". Eine Kulturgeschichte alternativer Musik und Lifestyles von Punk bis Hardcore in Nordamerika

 

Blockseminar

 

Mittwoch, 28. April 16 - 18 Uhr, 28./29.Mai und 02./03. Juli (freitags 12 - 18 Uhr und samstags 10 - 16 Uhr)

 

""If the kids are united, they will never be divided", so hieß es 1978 in einem Song der britischen Punk-Band Sham 69. Der Song war einerseits ein Aufruf zur Versöhnung rivalisierender Jugendbanden, zwischen Skinheads und Punks, Mods und Rockern und gleichsam Zeichen einer an sich zunehmend politisierenden Musikszene, die laute Musik als Ausdruck eines Lifestyles wie auch als Vermittlungsobjekt verstand, das auf Konzerten, später auch über einen wachsenden Markt an Kassetten und Vinyl-Singles geteilt wurde. Der Ansatz, über Musik einen Lifestyle zu entwickeln, der sich gegen herrschende kulturelle Vorstellungen richtete, war auch in den USA, wo sich dieses Verständnis zur selben Zeit als Hardcore oder Hardcore-Punk zu etablieren begann, nichts Neues. Bereits in den 1960gern wurde über Folk und Rock 'n' Roll vorgemacht, wie sehr sich über Musik neue Identitäten entwickeln und festigen ließen. Hardcore wurde zu einem wichtigen Gegenpol zur konservativen Welle, die mit der Reagan Administration einen neuen Kulturkampf hervorbrachte, der sich auch und explizit gegen die kulturellen Errungenschaften der 1960er und 1970er, von Bürgerrechten zur Auflösung strikter Geschlechterrollen, wandte und mit einem evangelikalen Backlash reagierte.

In diesem Seminar wollen wir uns mit dieser kulturellen Gegenreaktion in der Form der Geschichte des US-Hardcores von ca. 1980-2000 beschäftigen.In dieser Zeit können nicht nur die markantesten Entwicklungslinien des Hardcores nachvollzogen werden, von "Old School" bis "New School", die von der "Youth Crew" bis zum "Posthardcore" und "Emo", von der Etablierung von "D.C. Punk" oder "New York Crew" oder der "Straight Edge" - Bewegung, sondern hier wird deutlich, wie sehr eine historische Auseinandersetzung mit den "Culture Wars" einer genuin kulturgeschichtlichen Mikrobetrachtung bedarf. Wir werden uns deswegen zum Beispiel mit Dischord Records befassen, einem Washingtoner Musiklabel, das zum Aushängeschild einer neuen, politischen Auseinandersetzung mit der eigenen Umwelt wurde und der "No-Future"-Parole, die von England aus in der Punkwelt ankam, ein dezidiert auf Verbindlichkeit und lokale Netzwerke basierende Idee der "Unity" entgegenhielt; wir werden auch das CBGBs betrachten, einen New Yorker Club im East Village, der zum Mekka der Hardcore-Bewegung wurde in einer Zeit, in der New York zum Zentrum der Gewalt wurde, einschließlich der im Umfeld der Konzerte zur Schau getragenen Gewalt.

Gemeinsam wollen wir uns über unterschiedlichen Quellen der Geschichte des Hardcores in Nordamerika nähern, vor allem den Fanzines und Flyern, aber auch der Musik selbst, weil den Lyrics eine nicht nur illustrative Untermalung zukommt. Zur Vorbereitung auf die Sitzungen werden wir uns mit ausgewählter Literatur zur Entstehung und Entwicklung des Hardcores und zur amerikanischen Kultur in der (Nach-)Reagan-Zeit beschäftigen. Wir aber nicht nur Texte lesen, sondern über Filme und Zeitzeugengespräche (z.B. in der Form von Podcasts) auch die Akteure direkt zu Wort kommen lassen. In der zweiten Blockveranstaltung sollen Sie zudem eigene geführte Zeitzeugeninterviews mit Protagonist*innen des American Hardcore präsentieren.

Für dieses Seminar sind sichere Englischkenntnisse Voraussetzung, sämtliche Quellen und ein Großteil der Literatur wird in englischer Sprache sein.

 

Literatur zur Vorbereitung:

  • Mattson, Kevin: We´re Not Here To Entertain: Punk Rock, Ronald Reagan, and the Real Culture War of the 1980s Amerca, Oxford University Press, 2020.
  • Blush, Steven and George Petros: American Hardcore: A tribal history, Feral House, 2010.
  • Podcast: The Ian MacKaye Interview Part 1 Input Output Podcast

Stadt- und Freiraumplanung als Machtfrage: Herrschaftsinszenierungen vom preußischen bis zum bundesrepublikanischen Berlin

 

Seminar

 

Dienstags, 10 - 12 Uhr mit Exkursion (3.- 6. Juni 2021), gemeinsam mit Prof. Dr. Stefanie Hennecke (FB 06, Stadt- und Landschaftsplanung)

 

Expansive Nationalstaaten, wie das unter preußischer Führung entstehende Deutsche Kaiserreich, haben stets ein breites Programm an Repräsentationsformen zur Selbstdarstellung und Legitimation entwickelt.  Sie haben kulturelle Grenzen überschritten und sich tatsächlich oder in ihrem Selbstverständnis, in ihrer Ideologie oder ihrer Planung als neue Figurationen präsentiert. Mit Staatengründung kamen die Einrichtungen von sinnbildlichen und materiellen Infrastrukturen hinzu. Neben symbolischen und performativen Akten spielten dabei seit dem Altertum architektonische, gartenkünstlerische und städtebauliche Ausdrucksformen eine zentrale Rolle. Im Falle Berlins, als neuer Hauptstadt des Reiches, die einerseits zwar aus vielen kleinen Städten und Dörfern quasi zusammengewürfelt worden war, andererseits jetzt aber städteplanerisch auch neu skizziert werden musste, um diesen herrschaftlichen Ausdrucksformen Gesicht zu verleihen, lassen sich gleich mehrere Ebenen dieser Herrschaftsinszenierungen aufzeigen, weil auch die Regimewechsel vom Kaiserreich, über die Weimarer Republik, dem Nationalsozialismus, DDR und BRD ihre Spuren in der Planung hinterlassen haben.

Aus diesem Grund sind insbesondere Infrastrukturen zentraler Untersuchungsgegenstand einer kulturgeschichtlich ausgerichteten, historischen Stadtforschung, die für die Ergründung von nationalen Meistererzählungen eine mikrohistorische Perspektive anbietet. In einer gemeinsamen interdisziplinären Erkundung von geplanten (z.B. Germania, Wiederaufbauplanung nach 1945) und umgesetzten Instanzen solcher Herrschaftsinszenierungen (Stadtschloss und Lustgarten, Olympiastadion und Olympisches Dorf, Palast der Republik und Marx-Engels-Forum, Regierungsviertel) in Berlin soll Studierenden aus zwei Fachdisziplinen im Forschungsseminar die Möglichkeit eröffnet werden, sowohl die Ausgestaltung der physischen Infrastrukturen wie auch die damit verbundene mentalen Ordnungen durch eine historische Perspektive zu erkunden, freiraumplanerische Analysen mit historischer Quellenarbeit zusammenzuführen.

Ziel des Seminars ist die historische und räumliche Betrachtung der freiraumplanerischen und politisch-administrativen Ausgestaltung von Macht und Herrschaft innerhalb der Stadt Berlin. Die Studierenden bearbeiten in interdisziplinären Gruppen einzelne Forschungsfragen, die mit der Erzählung von Herrschaft über die Stadtplanung, der Errichtung bestimmter städtischer Infrastrukturen oder ästhetischer Ausdrucksmittel einhergehen. Das Seminar wird digital abgehalten. Begleitet wird das Seminar durch eine zweitägige digitale Blockveranstaltung (3.-4. Juni 2021) mit Gastvorträgen und Diskussionsrunden. Mit einem Blick der Entwicklungen und Genealogien der Stadt, sollen dabei Zeitschichtungen in Bau und Planung identifiziert werden. Für die Studierenden gilt es, Planungsmaterialien, Skizzen und Karten lesen zu lernen.

 

Literatur zur Vorbereitung:

  • Knoll, Joachim H.: Das wilhelminische Berlin, Panorama einer Metropole 1890-1918, 2000.
  • Bredekast, Horst: "Vom Berliner Schloß zum Humboldt Forum: ein Paradigma Deutscher Konfliktgeschichte." Artium Quaestiones 30 (2019), S. 279-304.

Forschungen und Zugänge der Sozial- und Kulturgeschichte - Begleitseminar zur BA- und MA Arbeit sowie zur wissenschaftlichen Hausarbeit für das Lehramt

 

Seminar

 

Montags, 16 - 18 Uhr

 

Die Veranstaltung wendet sich an Studierende, die im Arbeitsbereich der Sozial- und Kulturgeschichte, insbesondere auch der Tiergeschichte, eine Abschlussarbeit - BA, MA oder Staatsexamen - schreiben oder vorhaben dies zu tun. Sie bietet denjenigen, die bereits an ihrer Arbeit sitzen, die Möglichkeit Schwierigkeiten zu besprechen und Fragen zu klären und denjenigen, die noch auf der Suche nach einem Thema sind, Hilfe bei Themenfindung und dabei, das Thema richtig zuzuschneiden und eine Fragestellung zu entwickeln. Zudem soll die Veranstaltung alle Teilnehmer*innen dabei unterstützen, ihre Arbeiten in aktuelle Forschungskontexte einzubinden. Dazu haben Sie die Möglichkeit auch gemeinsam zentrale, themenrelevante Sekundärliteratur zu diskutieren.

Wir werden uns im Seminar also sowohl mit technisch-methodischen Fragen des wissenschaftlichen Schreibens als auch Perspektiven und Fragestellungen diskutieren, die für das Fach relevant sind.

Literatur zur Vorbereitung:

  • Neumann, Friederike: Schreiben im Geschichtsstudium. UTB GmbH, 2018.
  • Eco, Umberto: Wie man eine wissenschaftliche Abschlußarbeit schreibt: Doktor-, Diplom- und Magisterarbeiten in den Geistes- und Sozialwissenschaften, 2010.

Lehrveranstaltungen im Wintersemester 2020/21

Seminar

Di, 10-12 Uhr, gemeinsam mit Prof. Dr. Mechthild Bereswill

Die systematische Verfolgung und Ermordung von kranken, behinderten oder sozial stigmatisierten Menschen im Rahmen der 1939 begonnenen sogenannten T4-Aktoionen legte den Grundstein für weitere systematische Massenermordungen während des Nationalsozialismus. Mit diesen Aktionen wollte der faschistische Staat diejenigen aussondern, die einerseits nicht den ideologischen Vorstellungen eines gesunden "Volkskörpers" entsprachen und andereseits keinen wirtschaftlichen Beitrag zur "Volksgemeinschaft" zu leisten schien. Bei der Debatte um die historische Wiedergutmachung nach dem Krieg zeigte sich wiederum, wie stabil sich bestimmte Vorstellungen von Krankheit zeigten. Dies betraf auch die Vorstellungen besonderer geschlechtertypologisierender Kategorien.

In dieser Veranstaltung wird deshalb der Fokus auf Aspekten der Patient*innengeschichte, insbesondere während des Nationalsozialismus liegen, wobei wir den Blick jedoch ausdrücklich für Kontinuitäten in der Nachkriegszeit öffnen möchten. Aus einer soziologischen und geschichtswissenschaftlichen Perspektive wird erarbeitet, wie spezifische Verschränkungen von Typologisierungen der Abweichung/Pathologisierung mit Geschlechterkonstruktionen ihre Wirkmacht als legitimatorische Wissensfiguren der Diagnostik und Verwaltung entfalten und wie hierrüber auch bestimmte Opfer- und Täter*innenprofile erzeugt und verfestigt wurden. Neben grundlegenden theoretischen und methodologischen Texten werden auch Patient*innenakten untersucht. Dabei soll erörtert werden, wie schwierig die Rekonstruktion der komplexen Biographien der Opfer anhand dieser Quellen ist und welche methodischen Ansätze Soziologie und Geschichtswissenschaften, von quantitativen Auswertungen von Krankengeschichten hin zu kollektiven Biographien, dafür bereithalten. Dafür werden wir auch mit der Gedenkstätte in Hadamar, wo zwischen 1940 und 1944 rund 15.000 Menschen ermordet wurden, zusammenarbeiten.
Das Seminar möchte sich aber nicht auf die historische Rekonstruktion der Topoi von Rassenhygiene und "Aufartung" beschränken, die insbesondere mit der Euthanasie-Aktion T4 verbunden sind, sondern grundsätzliche Fragen der sozialen Differenzierungen durch "Krankheit" nachgehen und wie diese in "totalen Institutionen" produziert werden.

Literatur zur Vorbereitung:

  • Goffmann, Erving: Asyle, Frankfurt am Main 1975 (1963).
  • Roer, Dorothee/Henkel, Dieter (Hrsg.): Psychiatrie im Faschismus. Die Anstalt Hadamar 1933-1945, 2. Auflage, Frankfurt am Main 1996.
  • Walter, Bernd: Psychiatrie und Gesellschaft in der Moderne. Geisteskrankenfürsorge in der Provinz Westfalen zwischen Kaiserreich und NS-Regime (= Forschungen zur Regionalgeschichte, Bd. 16), Paderborn 1996.
  • George, Uta/Lilienthal, Georg/Roelke, Volker/Sander, Peter/Vanja, Christina (Hrsg.): Hadamar. Heilstätte - Tötungsanstalt - Therapiezentrum (= Historische Schriftenreihe des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen, Quellen und Studien Bd. 12), Marburg 2006.

Seminar

Di, 14 - 16 Uhr

2017 fragte die englische Frühneuzeithistorikerin Erica Fudge, wie es wohl sei, eine Kuh zu sein bzw. welcher Fertigkeiten und Fähigkeiten es eigentlich bedürfe, die Geschichte von Kühen zu schreiben. Sie griff damit eine Frage auf, die der amerikanische Philosoph Thomas Nagel bereits Mitte der 1970er in Bezug auf Fledermäuse gestellt hatte. Neu an Fudges Vorgehen war jedoch, dass sie sich auf Erkenntnisse eines wachsenden Feldes von Forscher*innen berufen konnte, die die Frage nach der Tierperspektive in Tier-Mensch-Beziehungen seither kritisch, produktiv und interdisziplinär angegangen sind. Dieses Feld, die sogenannten Human-Animal Studies, versucht dabei unter anderem die Repräsentation von Tieren in Kunst, Medien und Literatur sowie die Frage nach der kulturell-symbolischen Bedeutung von Tieren zu erforschen. Die Rolle von Tieren und Tierbildern in Denksystemen und der Ideengeschichte westlicher Gesellschaften, Interaktionen zwischen Menschen und Tieren sowie Untersuchungen der tierbezogenen Praktiken bzw. der Behandlung von Tieren in verschiedenen gesellschaftlichen Feldern wie u.a. Wissenschaft, Ökonomie, Landwirtschaft stellen weitere Themen dar, die in den Human-Animal Studies behandelt werden. Dieses Seminar ist eine Einführung in die historischen Human-Animal Studies, die mit Fokus auf die historische Dimension der Wirkmächtigkeit von Tieren auch einfach >Tiergeschichte< genannt wird. Entsprechend wollen wir uns mit den neuen Konzeptionen von Tiergeschichte beschäftigen und debattieren, wie sich der >Animal Turn< in der Geschichtswissenschaft niedergeschlagen hat.

Themen, die in diesem Seminar diskutiert werden sollen, reichen von theoretischen konzeptionen tier-menschlicher Annäherungen bis zu methodisch-handwerklichen Umsetzungen des Forschungsprogrammes der Human-Animal-Studies. Wir fragen: Sind Tiere (historische) Akteure und wie können wir das adäquat wiedergeben ? Oder sind sie doch bloß Repräsentationsfiguren außerhalb menschlicher Historiographie und ihren Zugriffen ? Anhand von empirischen Arbeiten zur Haus- und Nutztierhaltung  und der Geschichte der Zoos werden wir zu eruieren versuchen, wie die Tiergeschichte mit diesen Fragen umgeht.

Ziel des Seminars ist es, grundlegende Aspekte der Human-Animal Studies und der Tiergeschichte zu rekapitulieren und anwenden zu können. Die Teilnehmer*innen sollen darüber hinaus in die Lage versetzt werden, die Relevanz theoretischer Konzepte für die Geschichtsschreibung zu erkennen.

Da das Forschungsgebiet der human-Animal Studies sehr eng mit anglo-amerikanischen, kulturwissenschaftlichen Diskursen verbunden ist, wird ein Teil der im Seminar zu bearbeitbarer Literatur englischsprachig sein. Sichere (passive) Englischkenntnisse sind deshalb erforderlich. 

Literatur zur Vorbereitung:

  • Aline Steinbrecher, Auf Spurensuche. Die Geschichtswissenschaft und ihre Auseinandersetzung mit den Tieren, in: Westfälische Forschungen, H. 62 (2012), S. 31-50.
  • Linda Kalof, Introduction, in: Kalof, Linda: The Oxford Handbook of Animal Studies, 2017, S. 1-24.
  • Mieke Roscher, Human-Animal Studies, Version: 1.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 25.01.2012, http://docupedia.de/zg/roscher_human-animal_studies_v1_de_2012.

Seminar

Mi, 10 - 12 Uhr

Nach dem Zweiten Weltkrieg erfuhr ein Filmgenre Renaissance, das bereits in der Frühphase des Films, da noch unter der Bezeichnung "Volksfilm", unberührte und idyllische Landschaften, wie Almwiesen, Täler und Berghänge, aber auch die norddeutsche Heidelandschaft, zeigte. Diese dienten vielen Menschen nach dem Krieg als Projektions- und Imaginationsfläche für ein besseres Anderswo. Den zerbombten Städten sollte ein Bildgegenübergestellt werden, dass die Alltagssorgen minimierte und vielmehr das scheinbar Einfache, Unschuldige und Ewige präsentierte. Der sogenannte "Heimatfilm" hatte dabei aber durchaus politische Funktionen, auch wenn er genau dies immer abstritt. Die Versöhnung mit der Vergangenheit war hier nicht erwünscht, vielmehr sollte über die scheinbar zeitlosen Filme an Tradition und vermeintlichen Anstand erinnert werden. Bei vielen Heimatfilmen der 1950er und 1960er Jahre handelt es sich sogar um direkte Neuverfilmungen von Filmen aus der Zeit des Nationalsozialismus. Das über sie gezeigte wurde 1947 vom Alliierten Kontrollrat als unbedenklich eingestuft und für Neuverfilmungen freigegeben. Tiere spielten für die Untermalung dieser vermeintlich heilen Welt eine zentrale Rolle, über sie wurden auch Vorstellungen davon vermittelt, wie menschliche Gesellschaften zu funktionieren hatten. Dies zeigte sich gemnauso in einem anderen Genre, mit dem wir uns im Seminar befassen werden, dem Expeditions- bzw. Zoofilm. Auch hier fungierten sie als ordnendes Gegenüber.

In diesem Seminar werden wir uns mit klassischen Heimatfilmen (z.B. Hubertusjagd, Der Förster vom Silbersee), Jugendfilmen (Die Mädels vom Immenhof) und den Expeditionsfilmen (z.B. Serengeti darf nicht sterben) befassen und dabei auf zweierlei Ebene untersuchen. Zum einen wollen wir uns allgemein mit der Funktion von Tieren in populären Medien aus historischer Perspektive nähern und dabei Analysemittel kennenlernen, mit denen wir diese als historische Quellen nutzbar machen können. Dabei soll ein Zugang gewählt werden der, tiergeschichtlich orientiert, die Wichtigkeit der Präsenz der Tiere für diese Geschichte herausstreicht. Zum zweiten wollen wir uns mit zeitgeschichtlichen Fragestellungen der deutschen Geschichte der 1950er und 1960er Jahre befassen und den Heimatfilm als Aufhänger für eine kulturgeschichtliche Annäherung an die Nachkriegszeit wählen. Dazu werden wir auch geschlechtergeschichtliche Fragen thematisieren.

Literatur zur Vorbereitung

  • Hey, Bernd: Zwischen Vergangenheitsbewältigung und heiler Welt. Nachkriegsdeutsche Befindlichkeiten im Spielfilm. In: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 52, 4, 2001, pp. 228-237.
  • Gräf, Dennis: >Grün ist die heide<. Die (Re-)Konstruktion von Heimat im Film der 1950er Jahre. In: Nies, Martin (Hrsg.): Deutsche Selbstbilder in den Medien: Film 1945 bis zur Gegenwart. Marburg 2011.

Seminar

Do, 8-10 Uhr

Die Veranstaltung wendet sich an Studierende, die im Arbeitsbereich der Sozial- und Kulturgeschichte, insbesondere auch der Tiergeschichte, eine Abschlussarbeit - BA, MA oder Staatsexamen - schreiben oder vorhaben dies zu tun. Sie bietet denjenigen, die bereits an ihrer Arbeit sitzen, die Möglichkeit Schwierigkeiten zu besprechen und Fragen zu klären und denjenigen, die noch auf der Suche nach einem Thema sind, Hilfe bei Themenfindung und dabei, das Thema richtig zuzuschneiden und eine Fragestellung zu entwickeln. Zudem soll die Veranstaltung alle Teilnehmer*innen dabei unterstützen, ihre Arbeiten in aktuelle Forschungskontexte einzubinden. Dazu haben Sie die Möglichkeit auch gemeinsam zentrale, themenrelevante Sekundärliteratur zu diskutieren.

Wir werden uns im Seminar also sowohl mit technisch-methodischen Fragen des wissenschaftlichen Schreibens als auch Perspektiven und Fragestellungen diskutieren, die für das Fach relevant sind.

Literatur zur Vorbereitung:

  • Neumann, Friederike. Schreiben im Geschichtsstudium. UTB GmbH, 2018.
  • Eco, Umberto: Wie man eine wissenschaftliche Abschlußarbeit schreibt: Doktor-, Diplom- und Magisterarbeiten in den Geistes- und Sozialwissenschaften, 2010.

Seminar

Mo, 14-16 Uhr

Das Einführungsmodul in den Master "Geschichte und Öffentlichkeit"soll den Studierenden einen ersten Überblick über die inhaltliche Auseinandersetzung mit Themen der Public History liefern. Public History bedeutet zunächst die Darstellung und Vermittlung von Geschichte in, für und durch die Öffentlichkeit. Für Historiker*innen, die in diesem Bereich tätig sind, bedeutet es aber auch diese diese Geschichte inhaltlich und medial mitzugestalten und zugleich deren kognitive, politische, ästhetische und ökonomische Dimensionen zu erforschen. Das Seminar thematisiert hier die zentralen Zusammenhänge von wissenschaftlicher Erkenntnis und öffentlichkeitsorientierter Vermittlung. Es vermittelt methodische und theoretische Zugänge der geschichtswissenschaft und erfasst die Bedeutung der praxisrelevanten Anwendung, zum Beispiel für die Erinnerungspolitik.

Das Seminar ist zweiteilig aufgebaut: Zu einem erhalten die Studierenden einen Überblick darüber, wie die Publich History epochenabhängig verhandelt wird. Hierzu liefern die Fachgebiete Alte Geschichte, Geschichte der Frühen Neuzeit, Neuere und Neueste Geschichte und Didaktik der Geschichte in 5 Sitzungen jeweils kurze Inputvorträge und diskutieren mit den Studierenden die Wichtigkeit des Ansatzes von Geschichte und Öffentlichkeit für das jeweilige Fach. Gemeinsam soll im Seminar aufbauend auf diesen allgemeinen Erkenntnissen der Beitrag der Fachgruppe Geschichte für die für 2021/2022 geplanten Feierlichkeiten anlässlich des 50 Jahrestages der Gründung der Universität Kassel organisiert werden, der die hier entwickelten Fragen und Problemstellungen aktiviert. Dieser Beitrag, der die Form von Zeitzeug*innengesprächen annehmen wird, soll im Seminar vorbereitet werden (Auswahl der Zeitzeug*innen, Akquise von Geldern, Werbung und Öffentlichkeitsarbeit, inhaltliche Zuspitzung und Moderation, Vorbereitung von Moderationskarten, Veranstaltungsorganisation (Räume, Catering etc.)). bei erfolgreicher Absolvierung können hierfür 2 extra ECTS aus dem Bereich "Schlüsselqualifikationen" vergeben werden, wobei die Studierenden angehalten werden, sich auch aktiv bei der moderation im nächsten Jahr zu beteiligen.

 Literatur zur Vorbereitung:

  • Lücke, Martin und Irmgard Zündorf. Einführung in die Public History. UTB, 2018.

Lehrveranstaltungen im Sommersemester 2020

Seminar

Mittwochs, 10-12 Uhr

Der Historiker Reinhart Koselleck schrieb aus Anlass des an ihn 2003 verliehenen Münsteraner Historikerpreises von dem Ende des Pferdezeitalters, das er in der Mitte des 20. Jahrhunderts verortete. Dieses sogenannte "Pferdezeitalter" , das Koselleck weit aufspann, manifestierte sich in gewaltigen Umbrüchen in allen Lebensbereichen. Das Signifikante daran: Es waren allesamt Umbrüche, die es ohne das Pferd gar nicht gegeben hätte. Der weite Raum dieser Geschichte reicht von der Landnahme der Siedler_innen in Amerika bis zur Entstehung unserer modernen Metropolen: Ohne Pferdebusse hätte es keine Pendler_innen gegeben, wären Vorstädte nicht entstanden, wäre die Industrie so nicht möglich gewesen. Doch mit der industriellen Umsetzung, dem Wandel von den realen zu den motorisierten Pferdestärken, so könnte resümiert werden, hat sich das Pferd, das ist seine Tragik, selbst abgeschafft. Das "Nachpferdezeitalter" räumt den Pferden keinen besonderen gesellschaftlichen Platz mehr ein, ihr historischer Wert scheint damit auch in Vergessenheit zu geraten.

In diesem Seminar wollen wir uns daher an die historische Stahlkraft des Pferdes erinnern, wollen den Hufspuren des Pferdes sprichwörtlich wie real nachgehen. Ziel des Seminars wird es sein, die Bedeutung des Pferdes im Prozess der Urbanisierung und Industrialisierung, der Kolonisierung und imperialien Landnahme, der Nationenbildung und der kriegerischen Auseinandersetzungen des 19. und 20. Jahrhunderts herauszuarbeiten. Wir werden dabei sowohl auf der Mikroebene der Stadtgeschichte arbeiten, als auch große Fragen der europäischen Politikgeschichte stellen.

Die Studierenden sollen hierbei lernen, unterschiedliche historische Perspektiven einzunehmen und gegeneinander abzuwägen. Sie sollen auch lernen, sich im Sinne der Tiergeschichte mit der Wirk- und Handlungsmacht von Pferden auseinanderzusetzen und damit der Frage nachzugehen, was es heißt, Geschichte zu dezentrieren und Tiere als historische Akteure zu begreifen.

Literatur zur Vorbereitung:

  • Ulrich Raulff, Das letzte Jahrhundert der Pferde: Geschichte einer Trennung. C.H. Beck, 2015.
  • Reinhart Koselleck, "Der Aufbruch in die Moderne oder das Ende des Pferdezeitalters." Historikerpreis der Stadt Münster. Die Preisträger und Laudatoren von 2003 (1981): 159-74.
  • Der Holocaust im Film. Historische Aufarbeitung oder Fiktionalisierung des Verbrechens

Seminar

Dienstags 10-12 Uhr

Unter dem Stichwort des Holocaust-Films verbirgt sich ein Genre, welches von dem Versuch, der Geschichte ein mediales Echo zu verleihen bis zu einem halbseidenen Splatter- und Horrorfilmformat reicht, das das Geschehene höchstens noch als Rahmenhandlung aufgreift. Einige Werke, insbesondere die, die Hollywood hervorgebracht hat, haben allerdings auch dazu beigetragen, welches Bild sich vom Leben in den Konzentrations- und Vernichtungslagern, vom Wesen des Antisemitismus und von dem millionenfachen Mord an den europäischen Juden in den Gaskammern von Auschwitz, Treblinka, Sobibor und anderen Orten des nationalsozialistischen Verbrechens gemacht wurde. Dieses Nebeneinander von history und story, Geschichte und Erzählung, beeinflusst die Weitergabe gesellschaftlich relevanten Wissens. Nachfolgende Generationen stehen damit nicht nur dem historiografisch rekonstruierten Geschehen gegenüber, sondern auch der Möglichkeitsform fiktionaler Erzählungen. Und nicht zuletzt angesichts des nahenden Endes der Zeitzeugenschaft schickt sich die mediale Auseinandersetzung mit der Vergangenheit in verschiedenen Genres an, die Weitergabe unmittelbarer Erfahrung abzulösen. Dies ist die Vermittlung von Geschichte, egal ob nun in der Schule oder an anderen Lern- und Bildungsorten wie gedenkstätten relevant. Eine Auseinandersetzung mit dem Problem der Fiktionalisierung, auch angesichts zunehmender Bagatellisierungsversuche deutscher Verbrechen, ist deshalb eine wichtige Kompetenz für Historiker_innen.

 Ziel des Seminars ist es, gemeinsam zu erarbeiten, was (halb)fiktionale Narrationen für die kollektive Erinnerung leisten können. Wir werden uns mit der Frage beschäftigen, welche Vorteile eine Fiktionalisierung bieten könnte und wo die Grenzen des Erzähl- und Darstellbaren liegen. Grundlage unserer Diskussionen werden die gemeinsame Rezeption von Spielfilmen zum Holocaust der vergangenen 40 Jahre sein. Diese sollen auch unter der Linse der Medien- und Filmgeschichte als auch der erinnerungspolitischen Leistung analysiert werden.

Die Studierenden sollen dabei lernen, den jeweiligen Wert von Spielfilmen für die Vermittlung der Geschichte des Holocaust einzuschätzen, Probleme und Leerstellen zu identifizieren und dann jeweils für die weitere Arbeit fruchtbar zu machen, zum Beispiel Anregungen für erweiterte Quellenrecherchen etc. zu liefern.

 Literatur zur Vorbereitung:

  • Peter Reichel, Erfundene Erfindung. Weltkrieg und Judenmord in Film und Theater, München-Wien, 2004.
  • Waltraud Wende, Medienbilder und Geschichte - zur Medialisierung des Holocaust. JB Metzler, 2002.

Lehrveranstaltungen im Sommersemester 2019

Seminar

Do, 10-12 Uhr

Moritzstr. 18 Campus Center - Raum 1110, Seminarraum 1

Auschwitz gilt in der historischen Auseinandersetzung mit dem Holocaust und den Verbrechen des Nationalsozialistischen Deutschland als Epizentrum der Todesfabriken, so der Begriff des israelischen Historikers Gideon Greif, und damit auch als Grundriss erinnerungspolitischer Aufarbeitung. Was dabei wie erinnert werden soll und darf, ist jedoch nicht immer klar konturiert und durchaus volatil. Die Nürnberger Prozesse gaben zwar deutlich vor, dass das "Dritte Reich" ein verbrecherisches Regime war, dessen Taten verfolgt und bestraft und als solche erinnert werden müssen, dennoch zeigten die darauffolgenden Auschwitz- und Majdanek-Prozesse wie selektiv Verbrechen geahndet werden konnten und sollten und dass dies nicht unwesentlich mit der Staatsräson verkoppelt war. Erst zwei Generationen nach den Verbrechen war die "Pflicht zur Erinnerung", so die Stilisierung des ehemaligen Präsidenten des Deutschen Bundestages, Norbert Lammert, auf allen Ebenen, vor allem den bildungspolitischen, angekommen. Für die Bundesrepublik war dies zweifelslos auch eine Eintrittskarte in den Westen, vor allem nach Europa. Nichtsdestotrotz sieht sich diese Pflicht zu Erinnern auch immer wieder herausgefordert, zuletzt durch den Versuch rechter Parteien, den Holocaust seiner besonderen Schwere zu berauben und diesen Zivilisationsbruch als "Vogelschiss" in die weitere deutsche Geschichte einzuordnen.

Ziel des Seminars ist die Einführung in erinnerungspolitische Diskurse und aktuelle Forschungsschwerpunkte rund und um den Erinnerort der "Todesfabrik" Auschwitz-Birkenau. Da die erinnerungspolitische Forschung vermehrt auf die Erlebbarkeit der bestehenden materiellen und immateriellen Erinnerungsorte setzt, muss auch das Seminar in situ arbeiten. Begleitet durch die Lagergemeinschaft Auschwitz, die Mitglied des Internationalen Auschwitz Komitees ist, sollen deshalb nicht nur die Lager (Stammlager und Vernichtungslager Birkenau) selbst besucht werden, sondern auch die Orte, an denen die Forschung zu ihnen stattfindet, wie das Archiv der Gedenkstätte. Der Blick auf unterschiedliche Erinnerungsmöglichkeiten und Erinnerungsorte soll einerseits helfen, Konzepte an Erinnerungen sowohl untereinander und miteinander zu vergleichen und die forschungsorientierte mit der praxisorientierten Arbeit in Gedenkstätten in Beziehung zu setzen, und anderseits zu überprüfen, wie die Erinnerung an die Todesfabrik Auschwitz öffentlich gemacht und als Teil einer Erinnerungsgeschichte produziert wird. Konkrete Forschungsprojekte vor Ort nehmen sich der Umsetzung der erinnerungspolitischen Maßnahmen an. Hier wird im Vordergrund stehen, Fragen zur Erinnerungskultur und der konkreten Umsetzung selbst forschungspraktisch zu erarbeiten.

Für die Studierenden bietet sich einerseits die Möglichkeit, die "Pflicht zur Erinnerung" für sich selbst erfahrbar zu machen, mit der sie sie als angehende Historiker und Historikerinnen in verschieden Kontexten, Schule wie auch Museums oder Gedenkstättenarbeit immer auch wieder konfrontiert werden. Dabei lernen sie andererseits aber auch grundständiges historisches Arbeiten, das gleichsam in einen bestimmten Kontext gestellt werden soll. Die Erinnerungsarbeit an das "Dritte Reich" und den Holocaust bietet ein enormes Potential in der Vermittlung an ein auch außeruniversitäres Publikum und ist damit sowohl für angehende Lehrerinnen und Lehrer praxisrelevant, als auch für Masterstudierende, die nach dem Studium in Museen, Gedenkstätten usw. arbeiten wollen. Wie ein solches Wissen präsentiert werden kann, wie es auch stets neu erforschbar gemacht wird, wird hier beispielhaft erfahrbar gemacht.

Die Teilnahme an der Exkursion nach Auschwitz und Krakau ist verpflichtender Bestandteil des Seminars. Sie findet vom 3.-9.6.2019 statt.

Literatur zur Vorbereitung:

  • Assmann, Aleida (2018). Erinnerungsräume: Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses, München: Beck.
  • Assmann, Aleida (2014). Der lange Schatten der Vergangenheit: Erinnerungskultur und Geschichtspolitik, München: Beck.
  • Willems, Susanne (2015). Auschwitz: die Geschichte des Vernichtungslagers. Berlin: Ost-Verlag

Vorlesung

Mittwochs, 10-12 Uhr

Arnold-Bode 12 - Hörsaal 4

2004 fragte der englische Historiker Peter Burke, was denn eigentlich Kulturgeschichte sei, wo doch die starke Ausdifferenzierung und Abgrenzung gegenüber der Politik- und Wirtschaftsgeschichte keine längerfristig geltende Definition hervorgebracht habe. Kulturgeschichte könne, so Burke, sowohl über Methoden wie auch über national unterschiedliche Ausprägungsformen erzählt werden. Gemeinsam sei der Kulturgeschichte, so Achim Landwehr, dass mit den Ansätzen der (neueren) Kulturgeschichte vor allem die Prozesshaftigkeit und die Perspektive historischer Ereignisse und weniger das Objekt (Mensch, Staat. Gesellschaft) in den Mittelpunkt gerückt würde.

Diese von Burke wie Landwehr hervorgehobenen Perspektiveneinnahme ist geprägt durch Themen wie race und gender, Identität und Alterität, Kommunikation und Medien, Erinnerung, Mentalität und Gedächtnis, Alltag usw. Um diese Zugriffe auf Prozesse beschreibbar zu machen, hat sich die Kulturgeschichte ein nicht unambitioniertes theoretisches Gerüst geschaffen, das in der Vorlesung in ihren wichtigsten Ausformungen erklärt werden soll (z.B. Poststrukturalismus, Postmodernismus). Neue Perspektiven auf die Prozesse wurden hier stets als Wenden (also turns) bezeichnet. Ob man sich dem historischen Prozess eher aus beispielsweise räumlicher (spatial turn), visueller (visual turn) oder postkolonialer (postcolonial turn) Perspektive näherte, oder ob man die sprachliche und symbolische Vermittlung (linguistic turn) als maßgebliche neue Blickachsen verstand, stets wurden damit auch neue Erkenntnisse über die (menschliche) Kultur proklamiert.

In der Vorlesung werden daher sowohl die Anfänge der Kulturgeschichte im 19. Jahrhundert beleuchtet, vor allem aber die "neue" Kulturgeschichte ab den 1970ern als Summe neuer historiographischer Ansätze in den Blick genommen. Dazu werden in einer genalogischen Abfolge auch die verschiedenen kulturellen Wenden vorgestellt und mit empirischen Beispielen aus der europäischen Kulturgeschichte bebildert, so aus der Kulturgeschichte des Wohnens, des Museums oder des Spazierengehens wie auch der des (Zoologischen) Gartens oder des Radios und Fernsehens. Hierzu sollen einschlägige Studien und prominente Vertreter_innen des Feldes bzw. einer bestimmen Perspektive eine entsprechende Einordnung erfahren. Ziel der Vorlesung ist es also, einen Überblick darüber zu vermitteln, wie und in welcher Weise sich Historiker_innen mit Kultur befassen und befasst haben und anhand von Fallbeispielen zu erläutern, wie Veränderungen der Perspektive sich auf die Geschichte als Fach und als Gegenstand ausgewirkt haben.

Literatur zu Vorbereitung:

  • Peter Burke: Was ist Kulturgeschichte? Suhrkamp, Frankfurt am Main 2005.
  • Achim Landwehr: Kulturgeschichte. Ulmer, Stuttgart 2009.
  • Michael Maurer: Kulturgeschichte - Eine Einführung. Böhlau, Köln 2008.
  • Doris Bachmann-Medick: Cultural Turns. Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften. 6. Auflage. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2018.

Lehrveranstaltungen im Wintersemester 2018/19

Seminar
Dienstags 10-12 Uhr
Ort: Moritzstr. 2 / Raum 3200

Der zoologische Garten ist historisch gesehen ein Phänomen des 19. Jahrhunderts, dessen Anliegen zunächst vor allem die Befriedigung bildungspolitischer Bedürfnisse des aufkommenden Bürgertums war. Die zuvor bereits bestehenden höfischen Menagerien hatten hingegen primär Repräsentationszwecke. Die Zoos waren in der Folgezeit Schaustätten kolonialer und imperialer Handlungsstrategien sowie der Nationenbildung. Dies gilt insbesondere für den 1844 nach Londoner Vorbild errichteten Berliner Zoo. Eine zentrale Funktion des Zoos war es, die Welt im Kleinen zu erklären und politische Zugehörigkeiten zu verdeutlichen. Als Forschungsfeld für die multiplen Bedeutungen von historischen Umbrüchen ist er aufgrund der symbolischen Aufladung von Herrschaftssicherung, kolonialen Großerzählungen und national-völkischen Ideologien besonders geeignet.

Ziel des Seminars ist es, das dialektische Verhältnis zwischen dem Zoo als vermeintlichem Tierort und der großen Politik, die sich vor seinen Toren abspielte, zu erfassen und damit die verschiedenen Funktionen des Zoos einerseits und seine Verstrickung mit zentralen Aspekten deutscher Geschichte anderseits kritisch zu analysieren. Wir werden fragen, wie sich die Revolution von 1848, die Reichsgründung, die kolonialen Bestrebungen des Deutschen Reiches, die Weltkriege, Weimar und der Nationalsozialismus, die deutsche Teilung und der Kalte Krieg jeweils auf die Zurschaustellung von Tieren, ihre Haltung und Anordnung auswirkte und was eigentlich über diese Anordnung jenseits der Unterhaltung der Zuschauer_innen vermittelt werden sollte.

De Studierenden solle hierbei lernen die Kategorien von Raum und Zeit zusammenzudenken, eine Kulturgeschichte des Zoos mit einer Politikgeschichte des Deutschen Staates zu verbinden und hierüber Fragen nach den Funktionen von Unterhaltungsorten zu stellen. Hierzu werden verschiedene Texte gegen und miteinander zu lesen sein. Da zentrale Sekundärliteratur auch auf Englisch ist, sind sichere Englischkenntnisse Voraussetzung für den Besuch des Seminars.

Literatur zur Vorbereitung:

Bruce, Gary. Through the Lion Gate: A History of the Berlin Zoo. Oxford University Press, 2017.

Klothmann, Nastasja. Gefühlswelten im Zoo: eine Emotionsgeschichte 1900-1945. transcript Verlag, 2015.

Roscher, Mieke. Curating the Body Politic: The spatiality of the Zoo and the symbolicconstruction of German nationhood (Berlin 1933?1961), in: Jacob Bull / Tora Holmberg / Cecilia Åsberg (Hrsg.), Animals and Place: Lively Cartographies of Human-Animal Relations. Routledge, 2017, 115-131.

Seminar
Mittwochs 08-10 Uhr
Ort: Moritzstr. 25-31 Systembau1 / Raum 0104

"Animal liberation ... or else!" war einer der populären Schlachtrufe, die in den 1980er Jahren von der in Großbritannien rasant wachsenden Tierrechtsbewegung genutzt wurde. Er richtete sich sowohl an die britische Regierung wie auch an die tiernutzende Industrie. Dass es sich hierbei keineswegs um eine leere Drohung handelte, bewies die Bewegung immer wieder, indem sie Versuchslaboratorien stürmte, Briefbomben versendete und erheblichen Sachschaden bei Einrichtungen verursachte, die mit der tiernutzenden Industrie in Verbindung gebracht wurden: den Laboratorien, Massentierhaltungsfabriken, Schlachthäusern und Pelzgeschäften. Tierversuche, Massentierhaltung, Pelztierzucht oder Jagd - es gab vieles, gegen das Tierrechts-Aktivist_innen zu Felde zogen. Die Befreiungs-Aktionen der Animal Liberation Front der 1980er und 1990er Jahre waren nur die schrillsten Ereignisse dieser Art. Sie wandelte ein als harmlos geltendes bürgerliche Anliegen in revolutionäre Forderungen. Die Tierrechtsbewegung war damit mit ihrem radikalen Auftreten eine der brisantesten gesellschaftspolitischen Erscheinungen in Westeuropa, vor allem aber in Großbritannien, der letzten 50 Jahre.

Ziel des Seminars ist es, tierethische Beweggründe, gesellschaftspolitische Kontexte und kulturelle Transformationsprozesse zu beleuchten, die Grundlage für die Entstehung der Bewegung waren. Mit Fokus auf Großbritannien, werden wir uns sowohl mit den Neuen Sozialen Bewegungen der 1960er und 1970er (beispielsweise der Anti-Atom-, Umweltschutz- und Zweiten Frauenbewegung) beschäftigen wie auch mit der langen Vorgeschichte, die der organsierte Tierschutz mit seinen Wurzeln im 19. Jahrhundert hatte.
Über die zeitgeschichtliche Betrachtung von (radikalen) Gegenbewegungen hinaus, sollen die Studierenden lernen, mit welchen Quellen die Bewegungsforschung arbeitet, wie diese zu beschaffen sind und welche Herausforderungen sich mit ihrer Betrachtung an Historiker_innen stellen.
Da zahlreiche Quellen und Sekundärliteratur auch auf Englisch ist, sind sichere Englischkenntnisse Voraussetzung für den Besuch des Seminars.

Literatur zur Vorbereitung:

  • Kean, Hilda. Animal rights: political and social change in Britain since 1800, Reaktion 1998.
  • Roscher, Mieke. "Animal Liberation ... or else!" Die britische Tierbefreiungsbewegung als Impulsgeber autonomer Politik und kollektiven Konsumverhaltens, in: H. Balz/ J.H. Friedrichs (Hrsg.), "All We Ever Wanted..." - Eine Kulturgeschichte europäischer Protestbewegungen der 1980er Jahre, 2012, S.178-196.

Lehrveranstaltungen im Sommersemester 2018

Urbane Räume werden von der Stadt- und Landschaftsplanung genauso bearbeitet wie von der Stadtgeschichte, jedoch sind die Blickachsen je nach Betrachtungsperspektive unterschiedlich gelagert. Damit lassen sich Städte in unterschiedlicher Art und Weise lesen. Das trifft ganz besonders zu, wenn man sich mit Grenzräumen und Grenzregimen beschäftigt, die sowohl eine physische wie auch eine mentale Ordnung des Raumes vorgeben und sich in der vielschichtigen Überlagerung als Erinnerungslandschaften in der modernen Stadt decodieren lassen. Diese physischen Räume (auf Karten durch Grenzen und Orte gekennzeichnete Stadtteile, Regionen und Landschaften) und mentalen Vorstellungsorte (mental maps, ‚Karten im Kopf‘) beinhalten historische Narrative, die insbesondere in Metropolen wie Berlin in nationale und lokale Geschichten eingebettet werden. Es handelt sich bei den hier vorhandenen Grenzregimen entweder um Rechtsräume, die konstruiert und eingerichtet werden mussten, oder aber um Räume, die gerade durch die Überschreitung von Rechten gekennzeichnet sind, sich als porös und liminal erweisen. Gekennzeichnet sind diese Grenzen somit nicht ausschließlich durch Punkte, die entlang von Flüssen, Gräben, Mauern usw. liegen oder lagen, sondern durch Überlagerungen von multiplen physischen, kulturellen und nicht zuletzt gesellschaftlichen Erscheinungsformen. Es geht und ging um „gedachte Grenzen”, die oftmals in einem Spannungsverhältnis zu sozialen Grenzpraktiken standen und über deren Position seit jeher gestritten wurde. Aus diesem Grund sind insbesondere Grenzregime zentraler Untersuchungsgegenstand einer kulturgeschichtlich ausgerichteten, historischen Stadtforschung, die für die Ergründung von historischen, nationalen Meistererzählungen eine mikrohistorische Perspektive anbietet. In einer gemeinsamen interdisziplinären Erkundung von „urbanen Grenzregimen” in Berlin soll Studierenden aus zwei Fachdisziplinen mit dem Exkursionsseminar die Möglichkeit eröffnet werden, sowohl die Ausgestaltung der physischen Grenzen wie auch die mit Grenzen verbunden mentalen Ordnungen durch eine historische Perspektive zu erkunden, freiraumplanerische Analysen mit historischer Quellenarbeit im Archiv zusammenzuführen.

Ziel des Seminars ist die historische und räumliche Betrachtung der freiraumplanerischen und politisch-administrativen Ausgestaltung von Grenzen innerhalb der Stadt Berlin. Die Studierenden bearbeiten in interdisziplinären Gruppe einzelne Themen, einzelnen Grenzregime. Begleitet wird das Seminar durch gemeinsame Begehungen von Grenzräumen, und Orten, an denen an Grenzregime erinnert wird. Dieser Blick auf unterschiedliche Grenzen und Grenzregime soll einerseits helfen, Grenzregime sowohl untereinander und miteinander zu vergleichen als auch mit der praxisorientierten Arbeit in Gedenkstätten, wie der am Berliner Mauerpark, zu vergleichen, also zu überprüfen, wie Grenzregime öffentlich gemacht und als Teil einer Erinnerungsgeschichte produziert werden.

Der Hund wird häufig als der beste Freund des Menschen apostrophiert. In Literatur und Kunst, Musik und Geschichte finden sich jene Spuren, die diese Interpretation untermauern sowie von einer Reziprozität der Beziehung ausgehen. Der Hund gilt hier als Versinnbildlichung von Treue, Kameradschaft und bedingungsloser Zuneigung. Tatsächlich ist die literarische, künstlerische und auch die cineastische Hommage an Hunde fast unüberschaubar geworden. Hunde erscheinen als nicht denkbar außerhalb der menschlichen Kultur. Darüber hinaus kann jedoch auch die menschliche Kultur, wie wir sie kennen, eben nicht ohne Hunde gedacht werden. Dass dieser Fokus den Hund vor allen anderen Spezies hervorhebt, liegt an der langen Geschichte der kulturellen Ko-Evolution zwischen Mensch und Hund. Seit ungefähr 16.000 Jahren teilen sich Mensch und Hund Haus und Hof, Essen und Schlafstätte, Spiel, Spaß und Tod. In diesem Seminar werden wir diese kulturgeschichtliche Spurensuche aufnehmen und von der Antike bis zur Gegenwart die Bedeutung des Hundes für die menschliche Gesellschaft herausarbeiten. Die Ergebnisse dieser Spurensuche sollen in Form von Podcasts veröffentlicht werden.

Podcasts als Mittel historischer Vermittlung werden insbesondere in Bildungseinrichtungen wie Museen immer beliebter, da sie individuelle Abläufe und Rezeptionsmöglichkeiten für Besucher_innen bieten und hierüber sowohl die Sammlungsbestände wie auch aktuelle Ausstellungen präsentiert werden können. Im Zeitalter der digitalen Medien entstanden und entstehen damit neue Formen der Geschichtspräsentation, über die es zu reflektieren gilt. Ziel des Seminares ist es also auch, die Besonderheiten der Geschichtsvermittlung in Form historischer Podcast und des „Schreibens für das Hören“ kennen zu lernen. Auf der Basis der erarbeiteten Themen zur Kulturgeschichte des Hundes sollen selbstständig und in gemeinsamen Redaktionssitzungen Audio- oder Videopodcasts entworfen und erstellt werden. Ziel des Seminars ist es also anhand eines tierhistorischen Themas, Einblicke in die Geschichtsvermittlung zu erlangen. Das Thema der Kulturgeschichte der Hunde bietet sich für eine alternative Geschichtsvermittlung via Podcasts besonders an, da hier Alltagserfahrungen der Nutzer_innen – Hunde sind in der Gesellschaft omnipräsent – mit historischen Entwicklungen kontrastiert werden können.

Lehrveranstaltungen im Wintersemester 2017/18

Seminar
Dienstags 14-16 Uhr
Ort: tba

Die Geschlechtergeschichte wird häufig als Patin für das noch junge Feld der Tiergeschichte herangezogen. Dies gilt einerseits für methodische Überlegungen zur Quellenbeschaffung andererseits für die theoretischen Grundsätze zur Darstellung des historisch „Anderen“ und Unterdrückten. Gleichzeitig ist auffällig, dass die Tiergeschichte, wenn auch bloß implizit, Fragen über Geschlecht mitverhandelt, sei es um sozialgeschichtliche Themen von öffentlichem und privatem Raum in der Entwicklung der Heimtierhaltung zu diskutieren oder tierethische Einordnungen, z. B. Mitleidskonzeptionen historisch einzuordnen. In der Tat drängen sich aber insbesondere bei der Betrachtung des „bürgerlichen“ 19. Jahrhunderts Fragen nach dem Zusammenhang von geschlechtlicher Kategorisierung und der gesellschaftlichen Stellung der Tiere geradezu auf. Vor allem die Verquickung von erster Frauenbewegung und organsiertem Tierschutz, zumindest in Großbritannien, lädt dazu ein, historische Tier-Mensch-Verhältnisse geschlechtergeschichtlich zu perspektivieren. Dies trifft ebenso für die geschlechtsspezifische und geschlechterstereotype Zuordnung bestimmter Spezies und Arten zu, die sich im 20. Jahrhundert noch weiter ausdifferenzieren und zum Beispiel in der Konstruktion des „Pferdemädchens“ münden.

Zielsetzung

Ziel des Seminars wird es sein, die verschiedenen Ebenen geschlechtergeschichtlicher Annäherungen innerhalb der Tier-Mensch-Beziehungsgeschichte  auszuloten. Es werden also sowohl ganz konkrete historische Phänomene, wie die Frauenwahlrechtsbewegung oder der Ökofeminismus der 1980er Jahre auf spezifische Verhandlungen von Tier-Mensch-Verhältnisse hin befragt und anderseits die theoretischen Deutungsangebote, die etwa von Donna Haraway oder Carol J. Adams für den Zusammenhang von Gender und Spezies unterbreitet worden sind, kritisch eingeordnet. Dabei wird auch auf die Bedeutung der Intersektionalitätsforschung für die Geschichtswissenschaften eingegangen werden. Hier wird das besondere Augenmerk auf der Frage liegen, wie sehr auch Spezies, genauso wie Geschlecht, als kulturelle Praxis historisch inszeniert wurde und noch wird.

Anmerkungen

Die Bereitschaft auch längere englischsprachige Texte zu lesen, wird vorausgesetzt.

Literatur zur Vorbereitung

  • Mieke Roscher, Engagement und Emanzipation. Frauen in der Englischen Tierschutzbewegung, in: D. Brantz/ C. Mauch (Hrsg.), Tierische Geschichte. Die Beziehung von Mensch und Tier in der Kultur der Moderne, Paderborn 2010, S. 286-30.
  • Susan Fraiman, Pussy panic versus liking animals: Tracking gender in animal studies, in: Critical Inquiry 39.1 (2012), S. 89-115.
  • Carola Sachse, Tiere und Geschlecht. "Weibchen oder "Männchen"? Geschlecht als Kategorie in der Geschichte der Beziehungen von Menschen und anderen Tieren, in: Gesine Krüger et al. (Hrsg.), Tiere und Geschichte. Konturen einer Animate History, Stuttgart 2015, S. 79-104.

Seminar mit Exkursion

Rassistische Ausgrenzungsphänomene, die ihre eliminatorische Wirkmacht insbesondere im Nationalsozialismus entfaltet haben, resultierten primär in der Vernichtung des Anderen, des Unerwünschten, oder, um im Diskurs der Tierzucht zu sprechen, seiner Ausmerzung. Neben dieser Ausmerzung des Ungewollten basiert auch die sogenannte positive Eugenik, also die „Veredelung“ von Erbmaterial, direkt auf Überlegungen zur Tierzucht. Mehr noch, die Debatten um Menschen- und Tierzucht wurden im 19. und 20. Jahrhundert stets parallel geführt. Tiere und Menschen waren hier gleichermaßen Bestandteil gesellschaftlicher Ausleseprozesse. Der Fokus auf die Tierzucht sollte hier Verständnis wecken für die Methoden, die vor allem in der „Rassenhygiene“ angewendet werden sollten. Die bahnbrechenden naturwissenschaftlichen Erkenntnisse von Darwin oder Mendel, die ihr Wissen ebenfalls vor allem durch Beobachtungen der Tierwelt erworben hatten, fanden schon früh glühende Anhänger sozialhygienischer Couleur. Die rassepolitischen Vorschläge eines Richard Walther Darrés etwa basierten auf dem Studium der Tierzucht und der biologischen Erbwissenschaften des 19. Jahrhunderts. Unter dem Eindruck dieser Erkenntnisse nahm insbesondere die Tierzucht um die Jahrhundertwende enorme Fahrt auf. „Rasse“ wurde so über die Verwendung von  Tierkörpern praktisch hergestellt.

Lernziele

Das Seminar verbindet Wissenschaftsgeschichte, Tiergeschichte und die Geschichte des Rassismus und fragt nach den jeweiligen Potentialen, die unterschiedliche historische Betrachtungsweisen auf den Erkenntnisgegenstand bringen. Ziel ist es, einen Einblick in die Geschichte von Tierzucht und Eugenik im 19. und 20. Jahrhundert zu vermitteln, die wichtigsten Vertreter der wissenschaftlichen Eugenik und ihre Auswirkungen auf züchterische und eliminatorische Diskurse kennenzulernen und diese insbesondere mit Hinblick auf nationalsozialistisches Denken zu reflektieren. Das Seminar verbindet jedoch ebenso die Betrachtung unterschiedlicher Quellengattungen, zu denen neben Texten und Bildern eben auch taxidermierte Tiere gehören. Diese werden während einer zweitägigen Exkursion zur haustierkundlichen Sammlung der Universität Halle auch erkundet. Ziel der Exkursion ist es, solche Sammlungen  „lesen“ zu lernen und in den historischen Kontext einzuordnen. Weiterhin soll hier vermittelt werden, welche Unterschiede in Recherche, Archivaufbewahrung, Konservierung und Nutzung zwischen herkömmlichen Textquellen und naturwissenschaftlichen Sammlungsobjekt bestehen.

Anmerkungen

Das Seminar wird 14-tägig stattfinden. Die Teilnahme an der 2-tägigen Exkursion im Januar 2018 ist obligatorisch.

Literatur zur Vorbereitung

  • Peter Weingart, Jürgen Kroll, Kurt Bayertz, Rasse, Blut und Gene: Geschichte der Eugenik und Rassenhygiene in Deutschland, Frankfurt am Main 1992.
  • Boris Barth, Tiere und Rasse: Menschenzucht und Eugenik, in: Gesine Krüger et al. (Hrsg.), Tiere und Geschichte. Konturen einer Animate History, Stuttgart 2014, S. 199-218.
  • Mieke Roscher, Das nationalsozialistische Tier: Projektionen von Rasse und Reinheit im Dritten Reich, in: TIERethik. Themenschwerpunkt „Menschen, Tiere, Projektionen“ 2 (2016) 13, S. 30-48.

Lehrveranstaltungen im Sommersemester 2017

Seminar

Mittwochs 10:00-12:00 Uhr
Nora-Platiel 6, Raum 0211

Der Hund wird häufig als der beste Freund des Menschen apostrophiert. In Literatur und Kunst, Musik und Geschichte finden sich jene Spuren, die diese Interpretation untermauern sowie von einer Reziprozität der Beziehung ausgehen. Der Hund gilt hier als Versinnbildlichung von Treue, Kameradschaft und bedingungsloser Zuneigung.  Tatsächlich ist die literarische, künstlerische und auch die cineastische Hommage an Hunde fast unüberschaubar geworden. Hunde erscheinen als nicht denkbar außerhalb der menschlichen Kultur. Darüber hinaus kann jedoch auch die menschliche Kultur, wie wir sie kennen, eben nicht ohne Hunde gedacht werden. Dass dieser Fokus den Hund vor allen anderen Spezies hervorhebt, liegt an der langen Geschichte der kulturellen Ko-Evolution zwischen Mensch und Hund. Seit ungefähr 16.000 Jahren teilen sich Mensch und Hund Haus und Hof, Essen und Schlafstätte, Spiel, Spaß und Tod. In diesem Seminar werden wir diese kulturgeschichtliche Spurensuche aufnehmen und von der Antike bis zur Gegenwart die Bedeutung des Hundes für die menschliche Gesellschaft herausarbeiten. Von Argos bis Lassie und von Greyfriars Bobby bis Blondie werden einerseits anhand von konkreten Hundepersönlichkeiten die jeweiligen kulturellen Aufladungen identifiziert und historisch kontextualisiert und anderseits mit den sich ändernden Funktionen des Hundes, vom Jagdhelfer zum Hirte- und Ziehhund, zum Wach- und Haushund abgeglichen. Die Ergebnisse dieser Spurensuche sollen in Form von Podcasts veröffentlicht werden.

Podcasts als Mittel historischer Vermittlung werden insbesondere in Bildungseinrichtungen wie Museen immer beliebter, da sie individuelle Abläufe und Rezeptionsmöglichkeiten für Besucher_innen bieten und hierüber sowohl die Sammlungsbestände wie auch aktuelle Ausstellungen präsentiert werden können. Im Zeitalter der digitalen Medien entstanden und entstehen damit  neue Formen der Geschichtspräsentation, über die es zu reflektieren gilt. Ziel des Seminares ist es also auch, die Besonderheiten der Geschichtsvermittlung in Form historischer Podcast und des „Schreibens für das Hören“ kennen zu lernen. Auf der Basis der erarbeiteten Themen zur Kulturgeschichte des Hundes sollen selbstständig und in gemeinsamen Redaktionssitzungen Audio- oder Videopodcasts entworfen und erstellt werden. Ziel des Seminars ist es also anhand eines tierhistorischen Themas, Einblicke in die Geschichtsvermittlung zu erlangen. Das Thema der Kulturgeschichte der Hunde bietet sich für eine alternative Geschichtsvermittlung via Podcasts  besonders an, da hier Alltagserfahrungen der Nutzer_innen – Hunde sind in der Gesellschaft omnipräsent – mit historischen Entwicklungen kontrastiert werden können.

Literatur zur Vorbereitung:

  • Susan McHugh, Dog. Reaktion Books, 2004.
  • Erhard Oeser, Hund und Mensch: die Geschichte einer Beziehung. Primus, 2004.
  • Wolfgang Wippermann und Detlef Berentzen, Die Deutschen und ihre Hunde: ein Sonderweg der Mentalitätsgeschichte?. Vol. 75546. Siedler, 1999.
     

 

Podcasts zur Vorbereitung:

Seminar

Dienstags 14.00-16.00 Uhr
Moritzstr. 18, Campus Center, Raum 1118, Seminarraum 5

Die Vivisektion, also der Versuch am lebendigen Tier, gehörte im Zeitalter der Verwissenschaftlichung der Naturwissenschaften, insbesondere der Biologie und Physiologie, zum festen Repertoire experimenteller Forschung. Insbesondere Hunde, Katzen und Nagetiere landeten auf den Seziertischen der Wissenschaft. Daran regte sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts immer lauter werdender Protest, angeregt auch von einer zur gleichen Zeit entstehenden Tierschutzbewegung. Diese Diskussion wurde bis in die Parlamente getragen und kulminierte im Deutschen Kaiserreich im sogenannten „Vivisektionsstreit“, der Thema dieses Seminars sein wird. Noch heftiger agitierten Aktivistinnen und Aktivisten jedoch in Großbritannien gegen Tierversuche. Die politischen Auseinandersetzungen um den Vivisection Act von 1876 inspirierte jedoch auch die deutsche Debatte. Verhandelt wurde hier allerdings nicht nur das Schicksal der Tiere, sondern ebenso die Stellung der Wissenschaft genauso wie die Rolle von Frauen in der Gesellschaft.

Anhand einer dichten Lesung von Parlamentsprotokollen, Pamphleten und Journalbeiträgen sollen in diesem Seminar Argumentationslinien, politische Lager und soziale Zuordnungen des Vivisektionsstreites in beiden Ländern identifiziert werden. Ziel ist so einerseits, tierhistorisch, Mentalitäten und soziale Zusammenhänge, Einstellungen und Perspektiven auf den Tierversuch herauszuarbeiten. Gleichsam dient das Seminar auch als eine Einführung in die historische Komparatistik, also der systematischen Gegenüberstellung von zwei oder mehreren historischen Einheiten, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede, Annäherungen und Auseinanderentwicklungen zu erforschen. Der Deutsch-Britische Vergleich gilt als Paradebeispiel für die Methode und so soll im Seminar auch kritisch über die Möglichkeiten und Grenzen von Vergleichen reflektiert werden.

Das Seminar wird sehr quellennah arbeiten. Da die Hälfte der Quellen sowie der Sekundärliteratur in englischer Sprache verfasst sind, sind gute Englischkenntnisse unverzichtbar.


Literatur zur Vorbereitung:

  • Pascal Eitler, Ambivalente Urbanimalität: Tierversuche in der Großstadt (Deutschland 1879-1914). Informationen zur modernen Stadtgeschichte  2 (2009), 80-93.
  • Hilda Kean, The ‘Smooth Cool Men of Science’: The Feminist and Socialist Response to Vivisection. History Workshop Journal. 40. 1 (1995), 16-38.
  • Nicolaas Rupke, Vivisection in Historical Perspective. London: Croom Helm, London 1987.
  • Hartmut Kaelble,  Historischer Vergleich, Version: 1.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 14.08.2012
    http://docupedia.de/zg/kaelble_historischer_vergleich_v1_de_2012

Lehrveranstaltungen im Wintersemester 2016/17

Seminar (TuK)

Mittwochs 08.00-10.00 Uhr
CC Raum 1124, Seminarraum 6

Tiere haben im Nationalsozialismus eine doppelte Funktionsebene. Sie stellen sowohl das „Andere“ dar, wie vor allem die antisemitischen Schädlingsdiskurse um Ratten und Heuschrecken zeigen. An ihnen sollten Ausgrenzung, Ausmerzung und Vernichtung nicht nur symbolisch fest gemacht werden. Gleichsam fungierten einige Tiere, insbesondere Hunde und Pferde, als Projektionen nationalsozialistischer Ideale von Tapferkeit, Mut und Kameradschaft. Auch der vermeintlich vorbildliche Tierschutz der Nationalsozialisten ist  legendär. In diesem Seminar werden wir uns mit den verschiedenen nationalsozialistischen Tierbildern befassen und zu eruieren versuchen, welche  Aussagen sich  damit auch über die nationalsozialistische Gesellschaft machen lassen. Dabei werden wir zentrale Kategorien nationalsozialistischer Herrschaft wie die „Blut und Boden“-Ideologie, den Volksgemeinschaftsgedanken und die Ideen von Zucht und Rasse in Beziehung zu eben diesen Tierbildern setzen.
Dabei wird im Seminar sowohl ein Überblick über die Bedeutung verschiedener Tiere gegeben, gleichzeitig wollen wir diskutieren, inwieweit eine tiergeschichtliche Annäherung uns beim Verständnis des Nationalsozialismus helfen kann. Dabei werden wir unterschiedliche Quellen heranziehen und kritisch zu lesen lernen.

Ziel des Seminars ist also, die Geschichte der Tiere im Nationalsozialismus zu rezipieren und als Zugang zur Kulturgeschichte des Dritten Reiches zu verstehen sowie Quellen einordnen und kontextualisieren zu können. Gleichsam sollen die Teilnehmer_innen in die Lage versetzt werden, Aussagen über den historischen Kontext des nationalsozialistischen Regimes machen zu können.

Literatur zur Vorbereitung:

  • Möhring, Maren, "Herrentiere “und „Untermenschen", in: Historische Anthropologie 19.2 (2011): 229-244.
  • Sax, Boria, Animals in the Third Reich: pets, scapegoats, and the Holocaust, 2000.
  • Urban, Monika, Von Ratten, Schmeißfliegen und Heuschrecken. Judenfeindliche Tiersymbolisierungen und die postfaschistischen Grenzen des Sagbaren, 2014.

Seminar

Dienstags 14.00-16.00 Uhr
Mor Sys3 / Raum 0305

Tierfilme, Tierdokumentationen und Dokusoaps sind aus der heutigen Medienlandschaft nicht mehr wegzudenken. Doch sie bildeten schon zu Beginn des Filmes einen zentralen Topos, so bei frühen Safari-Filmen. In diesen Filmen wurden nicht nur Tiere dargestellt: gleichsam vermittelten diesen Filme auch Vorstellungen davon, wie menschliche Gesellschaften zu funktionieren hatten. Insbesondere britische Kolonialregime zeigten sich über inszenierte Großkatzenjagden, die auch filmisch inszeniert wurden, als Bezwinger und Beschützer, als Herrscher und vermeintliche Zivilisationsbringer. Auch Spielfilme bebilderten so Ideen des Exotischen und des „Anderen“, welches es zu bezwingen gälte. Der Topos, der gerade in Tierfilmen aufschien, hatte jedoch ein erstaunliches Kontinuitätspotential. Auch nach dem Ende der Kolonialreiche finden sich die Muster der Dominanz des Exotischen in den Tierfilmen wieder, die in einer postkolonialen Lesung zu dechiffrieren sind. Moderne Fassungen des Jungle Books gilt es deshalb genauso zu befragen wie Grzimeks Tierfilme und die Safari-Filme der ersten Stunde.

Zielsetzung

Das Seminar verbindet Filmgeschichte, Tiergeschichte und Kolonialgeschichte und fragt nach den jeweiligen Potentialen, die unterschiedliche historische Betrachtungsweisen auf ein Medium, den kolonialen und postkolonialen Tierfilm eröffnen.  Zum einen wollen wir uns allgemein mit der Funktion von Tieren in filmischen Medien aus historischer Perspektive nähern und dabei Analysemittel kennenlernen, mit denen wir diese als historische Quellen nutzbar machen können. Dabei soll ein Zugang gewählt werden der, tiergeschichtlich orientiert, die Wichtigkeit der Präsenz der Tiere für diese Geschichte herausstreicht. Zum andern sollen die Studierenden lernen, selbst kritisch mit dem Medium Film umzugehen; das schließt auch seine materielle Quellenfunktion mit ein. Die Studierenden sollen weiterhin erkennen, welche Unterschiede hier in Recherche, Archivaufbewahrung, Konservierung und Nutzung zu herkömmlichen Textquellen bestehen und einen Einblick über die Nutzung und Möglichkeiten von Filmarchiven praktisch bekommen. Es ist  eine Exkursion an das Deutsche Filminstitut Wiesbaden geplant.

Literatur zur Vorbereitung:

  • Möhring, Maren / Perinelli, Massimo / Stieglitz, Olaf (Hrsg.), Tiere im Film. Eine Menschheitsgeschichte der Moderne. 2009
  • Bechhaus-Gerst, M. & Zimmerer, J. (Hrsg.), Kein Platz an der Sonne : Erinnerungsorte der deutschen Kolonialgeschichte, 2013.
  • Landau, P.S. (Hrsg),   Images and empires: visuality in colonial and postcolonial Africa, 2002.
  • Burt, Jonathan, Animals in visual Art from 1900 to the present, in. R. Malamud (Hrsg.), A cultural history of animals in the modern age. 2007, S. 163-194.

Lehrveranstaltungen im Sommersemester 2016

Projektseminar

22.06.16-24.06.16

Gemeinsam mit Dr. des. Felix Schürmann

Wale gelten landläufig als Teil einer schützenswerten Megafauna, als Botschafter ökologischer Krisen – insbesondere der Meeresverschmutzung – und als Ikonen der Artengefährdung. Schon zu Zeiten, als diese Stilisierung noch nicht manifest war und manche Walarten bis an den Rand der Ausrottung bejagt wurden, haftete ihnen eine Aura von Größe an, die nicht allein durch ihre physische Mächtigkeit bestimmt war. Die widerspruchsvolle Geschichte der Beziehungen zwischen Menschen und Walen manifestiert sich sowohl in schriftlichen und bildlichen Überlieferungen als auch in artefaktischen und biotischen Überresten. Das Projektseminar am Deutschen Schifffahrtsmuseum (DSM) in Bremerhaven, das über eine in Europa einzigartige Sammlung zur Geschichte des Walfangs verfügt, ermöglicht es, Studierende zum kritischen Umgang mit sehr verschiedenen Quellenarten zu befähigen, so dass sie neben Texten und ikonischen Abbildungen etwa auch Walknochen, Harpunen und weiteren dinglichen Überresten auf ihr heuristisches Potenzial hin befragen können. Mittels des Beschreibens und Einordnens von Objekten des Museums sollen gemeinsam Deutungsperspektiven auf die Beziehungen zwischen Menschen und Walen vor allem im 19. und 20. Jahrhundert erarbeitet werden. Diese zeitliche Rahmung umfasst damit sowohl die Hochphase des Walfangs wie auch die Kampagnen gegen ihn, die ab Mitte des 20. Jahrhunderts die Wahrnehmungen von Walen als Teil der sympathischen Megafauna nachhaltig geprägt haben.
Ziel des Seminars ist es, die Studierenden mit Themen der maritimen Geschichte und der Tiergeschichte in Berührung bringen sowie ihnen Eindrücke in die Institution Museum als mögliches Berufsfeld für Historiker und Historikerinnen zu vermitteln. Schließlich ist es auch Ziel des Seminars, ein Verständnis für die Herausforderungen der Konservierung und Präsentation musealer Objekte zu entwickeln.

Literatur:

  • Barthelmeß, Klaus. „Auf Walfang: Geschichte einer Ausbeutung.“ In: Von Walen und Menschen. Hrsg. Knuth Weidlich. Hamburg: Historika Photoverlag, 1992. 4–51.
  • Ellis, Richard. The Great Sperm Whale: A Natural History of the Ocean’s Most Magnificent and Mysterious Creature. Lawrence: UP of Kansas, 2011.
  • Reeves, Randall R. & Tim D. Smith. „A Taxonomy of World Whaling: Operations and Eras.“ In: Whales, Whaling, and Ocean Ecosystems. Hrsg. James A. Estes et al. Berkeley: Univ. of California P, 2006. 82–101.
  • Wöbse, Anna-Katharina. Weltnaturschutz. Umweltdiplomatie in Völkerbund und Vereinten Nationen 1920-1950. Frankfurt a. M.: Campus, hier S. 171-246.

Seminar

Mittwochs 10-12 Uhr

DAK / Raum 2034

Gemeinsam mit Dr. Thomas E. Hauck

Die moderne Stadt gilt als zivilisierter und kultureller Ort, ein Ort an dem der Mensch es geschafft hat, sich seiner tierlichen Natur zu entledigen, ein Ort für Menschen. Eine solche Sichtweise verschleiert, dass die Stadt immer auch schon ein Tierort war. Heutzutage ist die Anzahl der Spezies in Städten vielfach größer als in der sogenannten freien Natur. Das Forschungsfeld der urbanen Mensch-Tier-Beziehungen, zu dessen Themen etwa Fragen der Ethik, der städtischen Artenvielfalt, der gewünschten und der ungewünschten Tiere in der Stadt gehören, hat indes dafür gesorgt, dass diese immer schon präsenten Tiere in den Fokus der Forschung gerückt sind.
Gefragt wird, um welche Tiere es sich handelt, welche Orte ihnen zugewiesen wurden, und welche sie unabhängig von diesen Zuweisungen bevölkerten. Aus historischer Perspektive stellen sich diese Wandlungen insbesondere im 19. Jahrhundert mit der fortschreitenden Industrialisierung dar. Die Entwicklung der bürgerlichen Stadt beförderte klare räumliche Zuordnungen. Tiere fanden sich entweder auf gesonderten Viehmärkten, in Zoologischen Gärten oder Schlachthäusern oder aber in den Häusern des Bürgertums als Heimtiere wieder. Diesen Orten soll im Seminar nachgegangen werden.
Die historischen Fragestellungen knüpft sowohl an die städtische Medien- und Umweltgeschichte an, die enge interdisziplinäre Zusammenarbeit insbesondere mit der Planungsgeschichte zeigt jedoch auch an das Potential, welches in der Stadtgeschichte und insbesondere der städtischen Mensch-Tier-Geschichte liegt. Dieses Potential soll auch im Seminar genutzt werden. Es richtet sich deshalb sowohl an Studierende der Geschichtswissenschaften wie an die von Architektur Stadtplanung und Landschaftsarchitektur und -planung.
Ziel des Seminars ist es, die Potentiale historischer Stadtforschung und Stadt- und Freiraumplanung zusammenzuführen. Es soll einen breiten Einblick in die historische Entwicklung von Tierorten, ihre Planung, ihre Ordnung und Ausgestaltung liefern. Dabei werden wir in kleineren Projektgruppen quellennah die Entwicklung der Tierorte in Kassel nachverfolgen, diese Tierorte besuchen, dokumentieren und kartieren und mit historischem Quellenmaterial des Stadtarchives erkunden. Die Teilnehmer_innen sollen in die Lage versetzt werden, eigene Projekte zu verfolgen und zu vertiefen und sich interdisziplinär mit der Frage nach den historisch spezifischen Räumen, Anordnungen und Tieren zu befassen.

Literatur:

  • Clemens Wischermann (Hg.), Tiere in der Stadt, Informationen zur modernen Stadtgeschichte H.2 2009.
  • Peter Atkins (Hg.), Animal cities: beastly urban histories, London 2012
  • Dorothee Brantz, Die ‚animalische Stadt’: Die Mensch-Tier-Beziehung in der Urbanisierungsforschung, in: Informationen zur modernen Stadtgeschichte H.1, 2008, S. 86-100.
  • Joel Tarr und Clay McShane, The Horse in the City. Living machines in the nineteenth century, Baltimore 2007.

Lehrveranstaltungen im Wintersemester 2015/16

Seminar

Mittwochs, 8-10 Uhr
Möncheberg 29, ESG - Saal

Was haben Zoos mit bürgerlicher Kultur zu tun, wie lassen sich die Epoche des Kolonialismus und des Imperialismus im Zoo wiederfinden und was machte eigentlich den „deutschen Zoo“ im Nationalsozialismus aus? Dies sind nur einige Fragen, die in diesem Seminar angesprochen werden sollen. Dabei werden, ausgehend von der ersten Zoogründung im Jahr 1827 in London, Ideen und Konzepte zoologischer Gärten Betrachtung finden.  Zoos gelten als hochgradig symbolische Orte, an denen sowohl Herrschaftssicherung, koloniale Ideologien und nationaler Wettbewerb praktiziert als auch die bürgerliche Nachfrage nach Voyeurismus und naturwissenschaftlicher Aufklärung befriedigt wurden. Das Tier spielt dabei sowohl eine Vermittlerrolle, über dessen Körper soziale Aushandlungen stattfanden. Gleichsam aber stellt es auch einen Wertgegenstand für sich in dieser Vermittlung dar:  Je exotischer die Tiere, die für die Zoos erworben werden konnten – dies galt jedenfalls noch im 19. Jahrhundert – desto prestigeträchtiger war dies für den Zoo. Im 20. Jahrhundert changierte die Rolle des Zoos. In den Vordergrund gerückt wurden die direktere Interaktion mit dem Tier einerseits, und die Konzentration auf die Erhaltung bestimmter Arten andererseits.

Anhand von ausgewählter Sekundärliteratur und Originalquellen soll in diesem Seminar einerseits ein Überblick über die Geschichte der zoologischen Gärten in Deutschland und anderen westeuropäischen Ländern gegeben werden. Dabei wird gezeigt werden, inwieweit über die Geschichte des Zoos auch allgemeinere Aussagen zur Geschichte der Neuzeit getroffen werden können, über die Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft, der kolonialen Idee, der Nationalismen des 20. Jahrhunderts usw. Dabei soll anderseits ein Fokus auf der Quellenlesung liegen und damit der Frage, welche Quellen wir nutzen können, um aus einer Geschichte des Zoos auch eine Geschichte der Tiere zu machen.

Ziel des Seminars ist also,  die Geschichte der Zoologischen Gärten rezipieren  sowie Quellen einordnen und kontextualisieren zu können. Gleichsam sollen die Teilnehmer_innen in die Lage versetzt werden, Aussagen über den historischen Kontext von den Zoologischen Gärten und damit über die sozialen Veränderungen des 19. Und 20. Jahrhunderts machen zu können.

Literatur:

  • Eric Baratay: Zoo: Von der Menagerie zum Tierpark. Berlin: Wagenbach 2000.
  • Annelore Rieke-Müller: Der Löwe brüllt nebenan. Die Gründung Zoologischer Gärten im deutschsprachigen Raum 1833 – 1869. Köln: Böhlau 1998.
  • Nigel Rothfels: Savages and Beasts: The Birth of the Modern Zoo. Baltimore: Johns Hopkins Univ. Press 2002.
  • Tierstudien „Zoo“ H.7 2015

Seminar

Dienstags, 14-16 Uhr
Moritzstr. 18 Campus Center - Raum 1118, Seminarraum 5

Wie schreibt man die Geschichte von Tieren? Wie kann man Ihren Spuren in von Menschen verfasste Quellen  folgen? Kann man von einzelnen Individuen auf ganze Spezies schließen und andersherum? Fragen  wie diese treiben die historischen Human-Animal Studies um und mit dem Versuch ihrer Beantwortung wollen sie auf die Zentralität des Tieres für die menschliche Geschichte verweisen. Ein Weg, der von Tierhistoriker/innen beschritten wird, ist der über biographische Forschung. „Animal Biography“ bedeutet hier der Versuch, über die Lebensgeschichte einzelner Tiere, methodische Wege zu entwickeln, Tiere zu historisieren, ohne in der reinen Naturgeschichte zu verbleiben.

Inhaltlich wird sich das Seminar zunächst mit der theoretischen Fundierung tierbiographischer Forschungen auseinandersetzen und die Frage erörtern, welche historiographischen Modelle sich für die Umsetzung des Schreibens von Tierbiografien eignen, wobei in einen breiten Fundus kulturwissenschaftlicher und kulturhistorischer Texte der Human-Animal Studies eingeführt werden soll. Grundsätzlich geht es auch darum, sich mit der Biographie selbst – jenseits des animalischen – auseinanderzusetzen.
Im zweiten Teil des Seminars wird dann praktisch ausgetestet, inwieweit mithilfe verschiedener Quellentypen und unter Berücksichtigung der theoretischen Einführung, Tierbiographien verfasst werden können.

Ziel des Seminars ist es, mithilfe der Fragestellungen der Tierbiografie den Studierenden einerseits die Relevanz methodisch-theoretischer Konzepte für die Geschichtsschreibung zu vermitteln und anderseits aktuelle Fragen der Tiergeschichte zu diskutieren.

Literatur:

  • Erica Fudge: Animal Lives, in: History Today, Vol. 54, Nr. 10, 2004, S. 21-26.
  • Jacques Derrida: Das Tier, das ich also bin. Wien: Passagen 2010.
  • Margo de Mello: Speaking for Animals: Animal Autobiographical Writing. London: Routledge 2012.
  • Susan McHugh: Animal Stories: Narrating across Species Lines. Minneapolis: University of Minnesota Press 2011.

Lehrveranstaltungen im Sommersemester 2015

Seminar

Mittwochs, 8-10 Uhr
Arnold-Bode 10, Raum 0104

In deutschen Haushalten leben schätzungsweise 31 Millionen sogenannte Haustiere,  davon ca. 12 Mio. Katzen und 7,5 Mio. Hunde, Tieren also, denen Familienstatus zugesprochen wird oder die zumindest mit einem Namen individualisiert werden. Eines ist all diesen Tieren gemeinsam: Sie werden (und wurden) nicht gegessen.  Die Haustierhaltung ist kein Phänomen der Postmoderne auch wenn sie in dieser Zeit eine ganz neue Dimension angenommen hat, Haustiere beispielsweise als Konsumenten wahrgenommen werden, um die auch ein aktiver Wettbewerb besteht. Haustierhaltung kann aber insgesamt als eine Erscheinung der Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft gewertet werden und es ist diese Epoche, die wir uns in einem ersten Schritt insbesondere anschauen wollen. Dabei werden wir uns insbesondere mit dem Quellenmaterial beschäftigen, welches Auskunft über diese Beziehung und über einzelne Tiere gibt. Dies sind sowohl Tagebücher, Zeitschriften für Haustierhaltung, wie auch andere ephemere Quellentypen.

Haustiere sind jene Tiere mit denen die Menschen das wohl innigste Verhältnis pflegen, sieht man einmal von den Mikroben und Bakterien ab, die unsere Körper bevölkern. Dies ist ein Grund weswegen mir meinen, die Charakteristika unserer animalischen Partner zu kennen. Diese Quellen bedürfen deshalb unsere aller größten Aufmerksamkeit und einer sorgfältigen Quellenkritik. Dies gilt auch für eine historiographische Methode, die in diesem Seminar insbesondere vorgestellt und von den Studierenden erprobt werden soll, dem der Zeitzeugeninterviews. In einem gemeinsamen Projekt mit dem Tierheim „Wau-Mau-Insel“ werden die  Studierenden Zeitzeugeninterviews mit den Mitarbeiter_innen des Tierheims durchführen, um auf diesem Weg Informationen über Tiere zu sammeln, die als historische Quellen nutzbar gemacht werden können. Diese Interviews sollen transkribiert und ausgewertet und im Rahmen eines E-Learning Projektes veröffentlicht werden.

Ziel des Seminares ist es, dass sich die Studierenden mit historiographischen Annäherungen der Tiergeschichte in der Form von „Animal Biography“ auseinandersetzen und verschiedene methodische Zugriffe kennen lernen. Gleichsam sollen sie sich mit der Geschichte der Haustierhaltung von ihrem Beginn bis zur heutigen Zeit in groben Zügen vertraut machen, wobei der Hauptfokus auf dem 19. Jahrhundert liegen wird.

Literatur:

  • Erika Fudge, 2004, »Animal Lives«, in: History Today, Vol. 54, Nr. 10, 2004, S. 21-26.
  • Harriet Ritvo. The animal estate: The english and other creatures in the victorian age. Cambridge: Harvard University Press, 1987.
  • Kathleen Kete, The Beast in the Boudoir: Petkeeping in Nineteenth-Century Paris (Berkeley: University of California Press, 1994).
  • Zeitzeugeninterviews

Seminar

Dienstags, 16-18 Uhr
Arnold-Bode 10, Raum 0104

Tierfilme, Tierdokumentationen und Dokusoaps sind aus der heutigen Medienlandschaft nicht mehr wegzudenken. Doch sie waren schon zu Beginn des Fernsehens alles Massenphänomen ein Genre, welches den Fernsehalltag nachhaltig mitbestimmte. Insbesondere die populären Zoosendungen, der 50er und 60er Jahre hatten dabei durchaus auch politische Funktionen und dienten gleichsam als ein vermeintlich unpolitisches Genre. In diesen Filmen wurden nicht nur Tiere dargestellt: gleichsam vermittelten diesen Filme auch Vorstellungen davon, wie menschliche Gesellschaften zu funktionieren hatten. Dies zeigt sich auch darin wie prominent West- und Ostfernsehen Tiersendungen präsentierte. Doch nicht nur im Fernsehen, sondern auch im Rundfunk, im Kino und in Zeitschriften kam dem Tier die Funktion als ordnendem Gegenüber zu.

In diesem Seminar werden wir uns mit der ganzen Bandbreite dieses Genres beschäftigen, den Fernseh- und Kinofilmen (z.B. Serengeti darf nicht sterben“  und „Lassie“), den Rundfunksendungen aus dem Zoo (Z.B. „Im Tierpark belauscht“) und der populären Jugendzeitschriften (z.B. „Der kleine Tierfreund“) und dabei zweierlei Ebene untersuchen. Zum einen wollen wir und allgemein mit der Funktion von Tieren in populären Medien aus historischer Perspektive nähern und dabei Analysemittel kennenlernen, mit denen wir diese als historische Quellen nutzbar machen können. Dabei soll ein Zugang gewählt werden der, tiergeschichtlich orientiert, die Wichtigkeit der Präsenz der Tiere für diese Geschichte herausstreicht. Zum zweiten wollen wir uns mit zeitgeschichtlichen Fragestellungen der deutsch-deutschen Geschichte der 1950er und 1960er Jahre befassen und den Tierfilm als Aufhänger für eine kulturgeschichtliche Annäherung an die  Nachkriegszeit, die Blockbildung und den Kalten Krieg wählen.

Ziel des Seminars ist es, dass die Studierenden das methodische Handwerkszeug für die Nutzung von kulturgeschichtlichem Quellenmaterial erhalten und lernen, über die Analyse dieser Medien Aussagen über die gesellschaftlichen Verhältnisse der 1950er und 1960er Jahre machen zu können. Ferner sollen sie lernen, tiergeschichtliche Zugänge nutzbar für die Schreibung der deutsch-deutschen Geschichte zu machen.

Literatur:

  • Maren Möhring, Massimo Perinelli, Olaf Stieglitz (Hrsg.), Tiere im Film. Eine Menschheitsgeschichte der Moderne,  Köln 2009.
  • Anna-Katharina Wöbse, Der Kleine Tierfreund – zur Jugend der deutschen Ökobewegung. In: Udo Simonis (Hrsg.), Jahrbuch Ökologie 2007. München 2006, S. 131-142.
  • Christoph Kleßmann, Spaltung und Verflechtung. Ein Konzept zur integrierten Nachkriegsgeschichte, in: ders./Peter Lautzas (Hrsg.), Teilung und Integration. Die doppelte deutsche Nachkriegsgeschichte  als wissenschaftliches und didaktisches Problem, Bonn 2005, S.20-3

Lehrveranstaltungen im Wintersemester 2014/15

Seminar

Dienstag: 16-18 Uhr
Moritzstraße 21-25 Systembau 1 - Raum 0107
BA HF Modul 5, BA NF Modul 3, L3 Modul 5, L2 Modul 6
Beginn: 21. Oktober 2014

Tierschutz wird allgemein und fälschlicherweise als ein Phänomen der Gegenwart betrachtet. Dabei lassen sich tierschützerische Ideen und Anfänge einer Tierethik bis in die Antike zurückzuverfolgen. Als eine Soziale Bewegung ist der Tierschutz indes ein Erscheinung der Neuzeit und hier vor allem des 19. Jahrhunderts.

In diesem Seminar wollen wir uns schwerpunktmäßig mit der Entwicklung dieser Bewegung beschäftigen, ihre sozialen und politischen Hintergrunde beleuchten und sie im Hinblick auf ihren Einfluss in der Vermittlung und der Veränderung von Tier-Mensch-Verhältnissen untersuchen.

Grundlage der Auseinandersetzung wird eine quellendichte Analyse der Tierschutzbewegung(en) im 19. und 20. Jahrhundert sein. Anhand des zu analysierenden Quellenmaterials, das Mithilfe von Sekundärliteratur in Kontext gesetzt wird, sollen zentrale Themen und Entwicklungen des Tierschutzes aufgeblättert werden: Schutz von Haus- und Wildtieren, Diskussionen über Tierversuche und Vegetarismus, die Tiere in der Nutztierhaltung. Dabei sollen immer auch die historisch-politischen Nebenschauplätze, also der Zusammenhang besprochen werden. Fragen, die wir uns stellen wollen sind etwa, welchen Eindruck politische Regime auf die Artikulation des Tierschutzes gehabt haben und wie sich dies manifestierte. Wir wollen uns zudem anschauen, inwieweit Argumentationen der Bewegung auf historische Vorgänger zurückfallen und wo sich die Bewegung in den letzten 200 Jahren fundamental geändert hat.

Das Seminar ist weiterhin praxisorientiert: Aufgabe der Teilnehmer_innen wird es sein, in den Archiven der Stadt und des Landes Quellen zum Tierschutz zu finden und diese zu präsentieren. Dazu werden wir eine virtuelle Veröffentlichungsplattform schaffen.

Ziel des Seminars ist, die Geschichte der Tierschutzbewegung rezipieren, Quellen einordnen und kontextualisieren zu können. Gleichsam sollen die Teilnehmer_innen in die Lage versetzt werden, Aussagen über sich verändernde Tier-Mensch-Verhältnisse am Beispiel des organisierten Tierschutzes machen zu können.

Literatur:

Kathleen Kete, Animals and Ideology: The Politics of Animal Protection in Europe, in: Nigel Rothfels (Hg.), Representing Animals, Bloomington 2002, S. 19-34.

Amir Zelinger und Frank Uekötter, Die feinen Unterschiede: Die Tierschutzbewegung und die Gegenwart der Geschichte, in: Herwig Grimm und Carola Otterstedt, Das Tier an sich: Disziplinenübergreifende Perspektiven für neue Wege im wissenschaftsbasierten Tierschutz, Göttingen 2012, S. 119–134.

Pascal Eitler, Ambivalente Urbanimalität: Tierversuche in der Großstadt (Deutschland 1879-1914), in: Informationen zur modernen Stadtgeschichte, 2 (2009), S. 80-93.

Ergebnis des Seminars:
https://mahara.uni-kassel.de/mahara/view/groupviews.php?group=287

Seminar

Mittwoch 8-10 Uhr
Georg-Forster-Str. 3 - Raum 3204
MA Europäische Geschichte Modul 1: Lektürekurs; L3 Modul 8.
Beginn: 22.10.2014.

Dieses Seminar ist eine Einführung in die historischen Human-Animal Studies, die mit Fokus auf die historischer Dimension der Wirkmächtigkeit von Tieren auch einfach »Tiergeschichte« genannt werden. Entsprechend wollen wir uns mit den neuen Konzeptionen von »Animal history« bzw. »Tiergeschichte« beschäftigen und analysieren welchen unterschied diese Ausrichtung zu einer herkömmlichen Erwähnung des Tieres in der Geschichte hat. Diskutiert werden soll also, wie sich der »Animal Turn« in der Geschichtswissenschaft niedergeschlagen hat.

Fragen, die aufgeworfen werden sollen, sind, ob es überhaupt möglich ist, Tiergeschichte zu schreiben und welche Konsequenzen sich aus einer Tiergeschichtsschreibung für die Schreibung menschlicher Geschichte ergeben. Sind Tiere historische Akteure und wie können wir dies adäquat wiedergeben? Dabei werden wir sowohl theoretische Konzepte betrachten wie auch empirische Umsetzungen analysieren, um den Blick für das Tier in der Geschichte zu schärfen und gleichzeitig die Relevanz theoretischer Konzepte für die Geschichtsschreibung zu betrachten

Wie wir sehen werden, ist Tiergeschichte als eine Erweiterung und Verlängerung der Kultur-, Sozial-, und Umweltgeschichte zu verstehen, weshalb es wichtig sein wird, uns auch mit den konzeptuellen und inhaltlichen Ausrichtungen dieser historischen Subdisziplinen zu beschäftigen.

Ziel des Seminars ist, grundlegende Aspekte der Tiergeschichte rekapitulieren und anwenden zu können und die Teilnehmer_innen in die Lage zu versetzen, die Relevanz theoretischer Konzepte für die Geschichtsschreibung zu erkennen und in Zusammenhang bringen zu können.

Lektüre:

Hilda Kean, Challenges for Historians Writing Animal-Human History: What is Really Enough? in: Anthrozoos, Vol. 25 (2012) Supplement ‘Issues in Anthrozoology’, S. 57-72.
    
Erica Fudge, »A Left-Handed Blow«: Writing the History of Animals, in: Nigel Rothfels (Hg.), Representing Animals, Bloomeington 2002, S. 3-18.

Aline Steinbrecher, Auf Spurensuche. Die Geschichtswissenschaft und ihre Auseinandersetzung mit den Tieren, in: Westfälische Forschungen, H. 62 (2012), S. 31-50.

Mieke Roscher, Where is the Animal in this Text? Chancen und Grenzen einer Tiergeschichtsschreibung, in: Chimaira Arbeitskreis (Hg.), Human-Animal Studies: Über die gesellschaftliche Natur von Tier-Mensch-Verhältnissen, Bielefeld 2011, S. 121-150.

Ergebnis des Seminars ist der Wikipedia-Artikel über Tiergeschichte:
https://de.wikipedia.org/wiki/Tiergeschichte