Sommersemester 2016

Projektseminar

22.06.16-24.06.16

Gemeinsam mit Dr. des. Felix Schürmann

Wale gelten landläufig als Teil einer schützenswerten Megafauna, als Botschafter ökologischer Krisen – insbesondere der Meeresverschmutzung – und als Ikonen der Artengefährdung. Schon zu Zeiten, als diese Stilisierung noch nicht manifest war und manche Walarten bis an den Rand der Ausrottung bejagt wurden, haftete ihnen eine Aura von Größe an, die nicht allein durch ihre physische Mächtigkeit bestimmt war. Die widerspruchsvolle Geschichte der Beziehungen zwischen Menschen und Walen manifestiert sich sowohl in schriftlichen und bildlichen Überlieferungen als auch in artefaktischen und biotischen Überresten. Das Projektseminar am Deutschen Schifffahrtsmuseum (DSM) in Bremerhaven, das über eine in Europa einzigartige Sammlung zur Geschichte des Walfangs verfügt, ermöglicht es, Studierende zum kritischen Umgang mit sehr verschiedenen Quellenarten zu befähigen, so dass sie neben Texten und ikonischen Abbildungen etwa auch Walknochen, Harpunen und weiteren dinglichen Überresten auf ihr heuristisches Potenzial hin befragen können. Mittels des Beschreibens und Einordnens von Objekten des Museums sollen gemeinsam Deutungsperspektiven auf die Beziehungen zwischen Menschen und Walen vor allem im 19. und 20. Jahrhundert erarbeitet werden. Diese zeitliche Rahmung umfasst damit sowohl die Hochphase des Walfangs wie auch die Kampagnen gegen ihn, die ab Mitte des 20. Jahrhunderts die Wahrnehmungen von Walen als Teil der sympathischen Megafauna nachhaltig geprägt haben.
Ziel des Seminars ist es, die Studierenden mit Themen der maritimen Geschichte und der Tiergeschichte in Berührung bringen sowie ihnen Eindrücke in die Institution Museum als mögliches Berufsfeld für Historiker und Historikerinnen zu vermitteln. Schließlich ist es auch Ziel des Seminars, ein Verständnis für die Herausforderungen der Konservierung und Präsentation musealer Objekte zu entwickeln.

Literatur:

  • Barthelmeß, Klaus. „Auf Walfang: Geschichte einer Ausbeutung.“ In: Von Walen und Menschen. Hrsg. Knuth Weidlich. Hamburg: Historika Photoverlag, 1992. 4–51.
  • Ellis, Richard. The Great Sperm Whale: A Natural History of the Ocean’s Most Magnificent and Mysterious Creature. Lawrence: UP of Kansas, 2011.
  • Reeves, Randall R. & Tim D. Smith. „A Taxonomy of World Whaling: Operations and Eras.“ In: Whales, Whaling, and Ocean Ecosystems. Hrsg. James A. Estes et al. Berkeley: Univ. of California P, 2006. 82–101.
  • Wöbse, Anna-Katharina. Weltnaturschutz. Umweltdiplomatie in Völkerbund und Vereinten Nationen 1920-1950. Frankfurt a. M.: Campus, hier S. 171-246.

Seminar

Mittwochs 10-12 Uhr

DAK / Raum 2034

Gemeinsam mit Dr. Thomas E. Hauck

Die moderne Stadt gilt als zivilisierter und kultureller Ort, ein Ort an dem der Mensch es geschafft hat, sich seiner tierlichen Natur zu entledigen, ein Ort für Menschen. Eine solche Sichtweise verschleiert, dass die Stadt immer auch schon ein Tierort war. Heutzutage ist die Anzahl der Spezies in Städten vielfach größer als in der sogenannten freien Natur. Das Forschungsfeld der urbanen Mensch-Tier-Beziehungen, zu dessen Themen etwa Fragen der Ethik, der städtischen Artenvielfalt, der gewünschten und der ungewünschten Tiere in der Stadt gehören, hat indes dafür gesorgt, dass diese immer schon präsenten Tiere in den Fokus der Forschung gerückt sind.
Gefragt wird, um welche Tiere es sich handelt, welche Orte ihnen zugewiesen wurden, und welche sie unabhängig von diesen Zuweisungen bevölkerten. Aus historischer Perspektive stellen sich diese Wandlungen insbesondere im 19. Jahrhundert mit der fortschreitenden Industrialisierung dar. Die Entwicklung der bürgerlichen Stadt beförderte klare räumliche Zuordnungen. Tiere fanden sich entweder auf gesonderten Viehmärkten, in Zoologischen Gärten oder Schlachthäusern oder aber in den Häusern des Bürgertums als Heimtiere wieder. Diesen Orten soll im Seminar nachgegangen werden.
Die historischen Fragestellungen knüpft sowohl an die städtische Medien- und Umweltgeschichte an, die enge interdisziplinäre Zusammenarbeit insbesondere mit der Planungsgeschichte zeigt jedoch auch an das Potential, welches in der Stadtgeschichte und insbesondere der städtischen Mensch-Tier-Geschichte liegt. Dieses Potential soll auch im Seminar genutzt werden. Es richtet sich deshalb sowohl an Studierende der Geschichtswissenschaften wie an die von Architektur Stadtplanung und Landschaftsarchitektur und -planung.
Ziel des Seminars ist es, die Potentiale historischer Stadtforschung und Stadt- und Freiraumplanung zusammenzuführen. Es soll einen breiten Einblick in die historische Entwicklung von Tierorten, ihre Planung, ihre Ordnung und Ausgestaltung liefern. Dabei werden wir in kleineren Projektgruppen quellennah die Entwicklung der Tierorte in Kassel nachverfolgen, diese Tierorte besuchen, dokumentieren und kartieren und mit historischem Quellenmaterial des Stadtarchives erkunden. Die Teilnehmer_innen sollen in die Lage versetzt werden, eigene Projekte zu verfolgen und zu vertiefen und sich interdisziplinär mit der Frage nach den historisch spezifischen Räumen, Anordnungen und Tieren zu befassen.

Literatur:

  • Clemens Wischermann (Hg.), Tiere in der Stadt, Informationen zur modernen Stadtgeschichte H.2 2009.
  • Peter Atkins (Hg.), Animal cities: beastly urban histories, London 2012
  • Dorothee Brantz, Die ‚animalische Stadt’: Die Mensch-Tier-Beziehung in der Urbanisierungsforschung, in: Informationen zur modernen Stadtgeschichte H.1, 2008, S. 86-100.
  • Joel Tarr und Clay McShane, The Horse in the City. Living machines in the nineteenth century, Baltimore 2007.