Sommersemester 2022

Lehrveranstaltungen im Sommersemester 2022

Die Sa­fa­ri als ko­lo­nia­lis­ti­sche Pra­xis. Jagd auf Tie­re und Herr­schafts­in­sze­nie­rung

In Swahili bedeutet Safari unverfänglich eine Reise jeglicher Art. Im kolonialen Kontext wurde es sowohl im Englischen wie im Deutschen für eine Jagdreise zur Großwildjagd verwendet. Zunächst nur in Ostafrika, wo Swahili gesprochen wurde (und wird), später dann aber auch in anderen Teilen des Kontinents und ach in Indien. Mehr noch stand es in der Zeit um 1900 aber auch für die Verdrängung lokaler Jagdmethoden, den Anspruch der Europäer (und einzelner Europäerinnen) auf das in Afrika vorhandene Wild. Während dieser Zeit galt es als besonders heldenhaft, mit der Waffe in der Hand und zu Fuß die wehrhaftesten Tiere Afrikas zu töten. Trophäen wurden in die Heimat versandt, um von dieser „Heldenhaftigkeit“ Zeugnis abzulegen und gleichzeitig die Pracht der Kolonien zu unterstreichen. Über die Herrschaft über das Tier, die Entscheidung über Leben und Tod, zog man darüber hinaus auch klare Hierarchien in den Kolonien ein. Es waren die Kolonialherren, die mit ihren potenten Waffen Entscheidungen fällten, deren Opfer sowohl die menschlichen wie tierlichen Bewohner:innen des Kontinents waren.

Im Seminar wollen wir uns mit diesen mehreren Ebenen von Herrschaftsinszenierung über die Jagd an Tieren im Kontext imperialer Ausweitungen beschäftigen. Wir wollen zum einen betrachten, welche Bilder wie inszeniert worden sind. Dabei werden wir uns zum Beispiel mit dem Genre des Safari-Filmes befassen. Darüber hinaus wird es aber allgemeiner darum gehen, zu erörtern, welchen Stellenwert Tiere und Natur in kolonialen Erzählungen spielten, wie bestimmte Ideen (europäischer) Männlichkeit über die Jagd kommuniziert wurden und welche Auswirkungen die Jagd auf die lokale Fauna hatte. Wie folgen bei dieser Betrachtung neuen Erkenntnissen aus der Tiergeschichte, die auch Tiere als historische Akteure konzeptualisiert.

 

Ge­schich­te un­ter Was­ser. Ma­ri­ti­me His­to­ry als Ge­schich­te von Tier-Mensch-Be­zie­hun­gen

Seminar in Kooperation mit dem Deutschen Schifffahrtsmuseum Bremerhaven

Maritime History als historiographisches Feld setzt sich von einer, nunmehr vielmals als verstaubt angesehenen, See- und Schifffahrtsgeschichte ab, als dass sie nicht nur technische Innovationen beispielsweise von der Segel- zur Dampfschifffahrt betrachtet, sondern die Geschichte der Interaktion des Menschen mit dem Meer in seiner Gänze in den Blick nehmen will. Damit kreuzt die Maritime History disziplinäre Grenzen, umwelt-, technik- und sozialgeschichtliche Perspektive treffen hier auf eine neue Geschichte der Tier-Mensch-Beziehungen, die wiederum beeinflusst ist von anthropologischen und ethologischen Ideen und Ansätzen. Die widerspruchsvolle Geschichte der Beziehungen zwischen Menschen und Meerestieren, die sowohl unter wie über Wasser stattfand, und die im Mittelpunkt des Seminars steht, manifestiert sich sowohl in schriftlichen und bildlichen Überlieferungen als auch in artefaktischen und biotischen Überresten. Das Forschungsseminar am Deutschen Schifffahrtsmuseum (DSM) in Bremerhaven ermöglicht es, Studierende zum kritischen Umgang mit sehr verschiedenen Quellenarten zu befähigen, so dass sie neben Texten und ikonischen Abbildungen etwa auch Walknochen, Harpunen und weiteren dinglichen Überresten auf ihr heuristisches Potenzial hin befragen können. Mittels des Beschreibens und Einordnens von Objekten des Museums sollen gemeinsam Deutungsperspektiven auf die Beziehungen zwischen Menschen, Meerestieren und Artefakten, wie Booten und Schiffen vor allem im 18. bis 20. Jahrhundert erarbeitet werden. 

Das Forschungsseminar baut die bestehende Kooperation mit dem Deutschen Schifffahrtsmuseum Museum in Bremerhaven aus. Aus tierhistorischer Perspektive ist die inhaltliche Zielsetzung des Seminars, über die spezifische Materialität artefaktischer und biotischer Überreste neue Blicke auf die Erfassung von Geschichte kennenzulernen. Materialität, die spezifische Dinghaftigkeit von Objekten, die seit dem Material turn neuen Aufschwung in den Geschichtswissenschaften erlebt hat, ist hier also nicht nur als theoretisches Framework zu betrachten. Vielmehr geht es um die konkrete Anwendung historiographischer Ansätze, die hier praktische Anwendung finden soll. So ist es auch Ziel des Seminars, ein Verständnis für die Herausforderungen der Konservierung und Präsentation musealer Objekte zu entwickeln. Dies setzt einen „Hands-On“-Zugang voraus. Verbunden werden soll dies mit einer forschenden Einführung in die neuen Perspektiven der Maritime History. Forscher*innen verstehen das Meer heute als einen sowohl durch menschliches Handeln konstituierten aber auch von physikalischen Gegebenheiten geprägten Raum. In den letzten Jahren wird dabei zunehmend der Ruf laut, den Ozean nicht nur als Metapher zu gebrauchen oder als Medium der Konnektivität zu begreifen, sondern die Materialität des Raumes Meer ernst zu nehmen und die Rolle nicht-menschliche Akteure in historischen Prozessen zu berücksichtigen. Was dies für die Historiographie bedeutet, soll im Seminar erschlossen werden.

 

Ge­schlech­ter­ge­schicht­li­che Per­spek­ti­ven auf Tier-Mensch-Ver­hält­nis­se

Die Geschlechtergeschichte wird häufig als Patin für das noch junge Feld der Tiergeschichte herangezogen. Dies gilt einerseits für methodische Überlegungen zur Quellenbeschaffung andererseits für die theoretischen Grundsätze zur Darstellung des historisch „Anderen“ und Unterdrückten. Gleichzeitig ist auffällig, dass die Tiergeschichte, wenn auch bloß implizit, Fragen über Geschlecht mitverhandelt, sei es um sozialgeschichtliche Themen von öffentlichem und privatem Raum in der Entwicklung der Heimtierhaltung zu diskutieren oder tierethische Einordnungen, z. B. Mitleidskonzeptionen historisch einzuordnen. In der Tat drängen sich aber insbesondere bei der Betrachtung des „bürgerlichen“ 19. Jahrhunderts Fragen nach dem Zusammenhang von geschlechtlicher Kategorisierung und der gesellschaftlichen Stellung der Tiere geradezu auf. Vor allem die Verquickung von erster Frauenbewegung und organsiertem Tierschutz, zumindest in Großbritannien, lädt dazu ein, historische Tier-Mensch-Verhältnisse geschlechtergeschichtlich zu perspektivieren. Dies trifft ebenso für die geschlechtsspezifische und geschlechterstereotype Zuordnung bestimmter Spezies und Arten zu, die sich im 20. Jahrhundert noch weiter ausdifferenzieren und zum Beispiel in der Konstruktion des „Pferdemädchens“ münden.

Ziel des Seminars wird es sein, die verschiedenen Ebenen geschlechtergeschichtlicher Annäherungen innerhalb der Tier-Mensch-Beziehungsgeschichte  auszuloten. Es werden also sowohl ganz konkrete historische Phänomene, wie die Frauenwahlrechtsbewegung oder der Ökofeminismus der 1980er Jahre auf spezifische Verhandlungen von Tier-Mensch-Verhältnisse hin befragt und anderseits die theoretischen Deutungsangebote, die etwa von Donna Haraway oder Carol J. Adams für den Zusammenhang von Gender und Spezies unterbreitet worden sind, kritisch eingeordnet. Dabei wird auch auf die Bedeutung der Intersektionalitätsforschung für die Geschichtswissenschaften eingegangen werden. Hier wird das besondere Augenmerk auf der Frage liegen, wie sehr auch Spezies, genauso wie Geschlecht, als kulturelle Praxis historisch inszeniert wurde und noch wird.

 

Klei­der ma­chen Leu­te. Kleid­er­re­form­be­we­gung, Eman­zi­pa­ti­on und Mo­de 1890-1930

Als im September 1896 auf dem internationalen Berliner Frauenkongress das Thema Frauenkleidung in Deutschland erstmals öffentlich diskutiert wurde, fanden in erster Linie medizinische Begründungen Einzug in die Debatte um einen Reformbedarf. Vor allem das Korsett und die langen Röcke wurden als unhygienisch abgelehnt. Schon zwei Wochen später wurde der Verein zur Verbesserung der Frauenkleidung gegründet. Der Verein hakte sich in weitere Debatten um die Lebensreform ein, in der der Körper als ein neues Diskursfeld entdeckt wurde. Auch eine Kunstbewegung versuchte anhand neuer Designs Bewegung in die starre Kleiderordnung der wilhelminischen Gesellschaft zu bringen. Zahlreiche Aktivist:innen, vor allem nach der Jahrhundertwende, interessierten sich aber auch für andere Fragen der Zeit, insbesondere auch die nach der generellen bzw. zunehmenden Emanzipation der Frau. Frauenwahlrecht und die freie Kleidungswahl schienen hier Hand in Hand zu gehen.

Im Seminar wollen wir anhand der Diskussion um das Reformkleid sowohl diese Bewegung selbst in den Blick nehmen. Wer waren ihre Protagonist:innen, welche Ziele verfolgten sie, wie und über welche Medien drückten sie sich aus? Ferner wollen wir uns aber auch mit der geschlechtsspezifischen Funktion von Mode als sozialem Demarkationsinstrument befassen und uns damit dem Gegenstand mit Perspektiven der Mode-, Körper- und Geschlechtergeschichte nähern. Was bedeutet eine solche Perspektive für den historischen Gegenstand und welcher Art von Quellen bedarf es, um ihr gerecht zu werden?

Das Seminar baut auf der gemeinsamen Lektüre ausgewählter Sekundärliteratur zum Thema Reformkleid, Lebensreform und Frauenemanzipation sowie zur Modetheorie auf. In Kooperation mit dem Archiv der deutschen Frauenbewegung sollen ferner Quellen aus der Geschichte der Reformkleidbewegung, vor allem die Selbstzeugnisse des Vereins der Verbesserung der Frauenkleidung und Modejournale erschlossen, ausgewertet und im Rahmen einer Posterpräsentation vorgestellt werden.

 

For­schun­gen und Zu­gän­ge der So­zi­al- und Kul­tur­ge­schich­te - Be­gleit­semi­nar zur BA- und MA Ar­beit so­wie zur wis­sen­schaft­li­chen Haus­ar­beit für das Lehr­amt

Die Veranstaltung wendet sich an Studierende, die im Arbeitsbereich der Sozial- und Kulturgeschichte, insbesondere auch der Tiergeschichte, eine Abschlussarbeit - BA, MA oder Staatsexamen - schreiben oder vorhaben dies zu tun. Sie bietet denjenigen, die bereits an ihrer Arbeit sitzen, die Möglichkeit Schwierigkeiten zu besprechen und Fragen zu klären und denjenigen, die noch auf der Suche nach einem Thema sind, Hilfe bei Themenfindung und dabei, das Thema richtig zuzuschneiden und eine Fragestellung zu entwickeln. Zudem soll die Veranstaltung alle Teilnehmer*innen dabei unterstützen, ihre Arbeiten in aktuelle Forschungskontexte einzubinden. Dazu haben Sie die Möglichkeit auch gemeinsam zentrale, themenrelevante Sekundärliteratur zu diskutieren.

Wir werden uns im Seminar also sowohl mit technisch-methodischen Fragen des wissenschaftlichen Schreibens als auch Perspektiven und Fragestellungen diskutieren, die für das Fach relevant sind.