09.10.2023 | Porträts und Geschichten

Kuratieren ist mehr als Ausstellungen machen

Defne Kızılöz ist seit Juni 2022 kuratorische Volontärin an der Kunsthochschule Kassel. „Meine Ausbildung befähigt mich nach zwei Jahren, Ausstellungen inhaltlich und formal zu leiten“, so Kızılöz.

Defne Kızılöz ist seit Juni 2022 kuratorische Volontärin an der Kunsthochschule Kassel, Foto: Çiğdem Özdemir.
Defne Kızılöz ist seit Juni 2022 kuratorische Volontärin an der Kunsthochschule Kassel, Foto: Çiğdem Özdemir.

Das Wort „Kuratieren“ kommt vom lateinischen Verb curare, das „pflegen“ oder „sorgen“ bedeutet. Im engeren Sinne aber heißt Kuratieren, künstlerische Arbeiten und Werke öffentlich auszustellen. Zu den klassischen Kernaufgaben von Kurator:innen erläutert Kızılöz: „Dazu gehört das Bewahren einer Sammlung, das Forschen an den einzelnen Werken, der Weiteraufbau einer Sammlung und das Ausstellungsmachen“. Zum letzten Punkt kritisiert sie: „Ich beobachte, dass sich das Verständnis des Kuratierens heute immer mehr darauf verschoben hat, dass Kurator:innen nur noch Ausstellungen machen. Das Aufgabenspektrum der Kurator:innen umfasst aber vieles mehr.“ Mittlerweile hat sich das „Kuratieren“ in anderen Berufssparten wie bei Film- und Theaterfestivals etabliert. So werden Programmmacher:innen als Kurator:innen bezeichnet. Dazu Kızılöz: „Ich möchte nicht, dass das Wort Kuratieren für das Zusammenstellen einer Veranstaltung inflationär gebraucht wird.“

Überwiegend arbeiten Kurator:innen in Kunsthallen, Galerien, Museen. Je nachdem, für welche Institution, verantworten sie in Abstimmung mit der Direktion die Konzeption, Organisation und Realisierung von Ausstellungen. In einem Museum managen sie beispielsweise abteilungsübergreifend ein Projekt für die jeweilige Ausstellung, verwalten das Ausstellungsbudget, kümmern sich um die Leihgaben-Akquise und das projektbezogene Fundraising. Darüber hinaus sind Kurator:innen begleitend zu Sonderausstellungen für die Konzeption und Herstellung von Ausstellungspublikationen sowie für die Konzeptentwicklung für ein Veranstaltungsprogramm in Zusammenarbeit mit dem Bereich Bildung und Vermittlung verantwortlich. Die Bandbreite der aufgeführten Aufgaben ist von den personellen und finanziellen Ressourcen einer Institution abhängig. Gerade in kleineren Häusern werden oft mehrere Funktionen in einer Stelle zusammengefasst.

Das kuratorische Volontariat an der Kunsthochschule Kassel ist eine Schnittstelle zwischen dem Rektorat, der Pressestelle und den Ausstellenden in der Ausstellungshalle. Ihre Aufgaben fasst Kızılöz so zusammen: „Ich arbeite an der Konzeption zur Programmentwicklung mit und koordiniere den reibungslosen Ablauf von unterschiedlichen Formaten wie Ausstellungen, Lesungen, Screenings und Workshops in der Ausstellungshalle.“ Für Kızılöz bietet ihr das Volontariat den Vorteil, mit Künstler:innen, Gestalter:innen und Forscher:innen zusammenzuarbeiten. Außerdem arbeitet sie eng mit der „Arbeitsgruppe Ausstellungshalle“, wo inhaltliche Fragen diskutiert und das Jahresprogramm in der Ausstellungshalle bestimmt wird. „Die Arbeitsgruppe ist für meine Ausbildung sehr wichtig. Mit den Beteiligten der Arbeitsgruppe kann ich inhaltliche Fragen zur kuratorischen Praxis klären“, sagt die Volontärin. Außerdem steht sie mit ihrem Ausbildungsmentor Prof. Dr. Martin Schmidl (Rektor der Kunsthochschule) im fachlichen Austausch und arbeitet projektbezogen mit ihm zusammen.

Aktuell kuratiert Defne Kızılöz zusammen mit Lea Heinrich und den Studierenden aus dem Studiengang Kunstwissenschaften die Ausstellung „Da ist der Fluss, du hast den Eimer! 20 Jahre Comic und Illustration in Kassel“ (Eröffnung am 20.10.23, 18 Uhr). Das Team beschäftigt sich im Rahmen der Ausstellung unter anderem auch mit historischen Fragestellungen zur Entstehung des Comics.

Diejenigen, die Interesse an einem kuratorischen Volontariat haben, sollten die Soft-Skills soziale Kommunikationsfähigkeit und Geduld mitbringen. „Unsere Arbeit erfordert viel Kommunikation und Geduld“, betont Kızılöz. Und sie ergänzt lachend: „Wenn etwas im Projektprozess nicht sofort klappt, sollte man sich nicht demotivieren lassen und lösungsorientiert denken. Egal wie hoffnungslos manchmal die Situation aussieht, am Ende wird alles gut.“

Vor Beginn ihrer Ausbildung an der Kunsthochschule studierte Kızılöz an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) Archäologie, Kunstgeschichte und Wirtschaftswissenschaften. Nach ihrem Bachelor-Abschluss beendete sie an der Universität Leipzig ihr Masterstudium in Kunstgeschichte. Ihre Schwerpunkte waren Moderne und zeitgenössische Kunst ab 1850 sowie europäische Architekturgeschichte. Defne Kızılöz hat schon Pläne, wie es nach ihrem Volontariat weitergeht. Sie will im Bereich Kunstgeschichte der Moderne promovieren.

(Text: Çiğdem Özdemir)