09.10.2023 | Porträts und Geschichten

Putzen fürs Klima

Larabicus entwickelt Roboter für Schiffe

Ein 100.000 Tonnen schweres Handelsschiff fährt durch die Weltmeere. Nicht nur an Bord, auch unter der Wasseroberfläche wird hart gearbeitet: Ein halbes Dutzend kleiner Putzroboter, um die 40 kg schwer, reinigt unermüdlich den Schiffsrumpf. Ein Szenario, das schon bald Wirklichkeit werden soll.

Nach dem Vorbild des Putzer-Lippfischs „Larabicus quadrilineatus“, der größere Fische von Parasiten befreit, entwickeln Florian Gerland und Thomas Schomberg das System „Larabicus“. Die Innovation der beiden wissenschaftlichen Mitarbeiter am Fachgebiet Strömungsmechanik hat vier entscheidende Vorteile.

Der erste: Durch das Putzen während der Fahrt können Schiffe Treibstoff einsparen und damit ihren CO2-Ausstoß senken. Aktuell verbraucht ein Schiff etwa 100 Tonnen Treibstoff am Tag. Laut der International Maritime Organization kann eine 0,5 mm dicke Schleimschicht auf dem Rumpf den Verbrauch bereits um bis zu 30 Prozent erhöhen. „Es ist wie mit den Haaren beim Menschen. Trägt man sie beim Schwimmen offen, erhöhen sie den Widerstand im Wasser“, erklärt Schomberg. Die Schleimschicht besteht zum Beispiel aus Bakterien und Plankton und entsteht bereits innerhalb weniger Tage oder Stunden.

Natürlich müssen auch die Putzroboter selbst, die mit starken magnetischen Rädern am Schiffsrumpf haften, einen möglichst geringen Strömungswiderstand bieten. Dafür sind diese stromlinienförmig gestaltet und haben zusätzlich spezielle Flügel. Die ausgeklügelte technische Gestaltung der Roboter lassen sich die beiden Entwickler gerade patentieren

Bild: Larabicus
Klarer Unterschied: Während der Schiffslack links ganz frisch ist, sieht man rechts die Schleimschicht, die sich nach etwa 80 Tagen im Wasser gebildet hat.

Der zweite große Vorteil: Die Putzroboter verringern das Eindringen invasiver Arten in fremde Ökosysteme. Schiffe tragen stets lebende Organismen wie Algen oder Muscheln mit sich. In einigen Länder, darunter Australien oder Neuseeland ist es zwar Pflicht, mit einem „sauberen“ Schiff anzukommen, zum Schutz der sensiblen Ökosysteme allerdings verboten, die Reinigung bei Ankunft vor Ort durchzuführen. „Als Resultat wird die Reinigung oft irgendwo unterwegs im globalen Süden durchgeführt – mit negativen Folgen für die Ökosysteme“, so Schomberg. Denn viele schädliche Arten wandern dann eben dort ein.

Drittens läuft die Reinigung sanfter ab als zuvor. Das ist entscheidend, denn heutige Schiffslacke enthalten Biozide. Diese lösen sich über mehrere Jahre hinweg im Wasser auf und geben so Mikroplastik und Giftstoffe ins Meer ab. Maschinen, die aktuell zum Einsatz kommen, reinigen grob und beschädigen so den Lack noch stärker. Dadurch bilden sich Bewuchs und Schleimschicht am Schiffsrumpf wiederum schneller und stärker – ein Teufelskreis.

Neben Aspekten der Nachhaltigkeit bieten die Putzroboter noch einen weiteren Vorteil. „Normalerweise vergeht viel Zeit, bis bei einer technologischen Innovation ein ökonomischer Vorteil entsteht“, erklärt Gerland. Larabicus spare jedoch ab dem ersten Tag des Einsatzes Geld. Daher lohne sich die Investition für Reedereien.

Gerland und Schomberg erhalten mit ihrem Team, das zusätzlich eine Meeresbiologin in Kiel und einen Wirtschaftswissenschaftler in Hamburg umfasst, für die nächsten zwei Jahre rund 1,2 Millionen Euro aus dem EXIST-Forschungstransfer. In dieser Förderzeit stehen die Unternehmensgründung sowie die Markteinführung an. „Wir sind sehr dankbar, an der Uni Kassel in ein so unterstützendes Netzwerk integriert zu sein“, betont Gerland. Der UNIKAT-Ideenwettbewerb habe für Larabicus die Weichen gestellt, die Gründungsberatung von UniKasselTransfer und der Startup-Hack Nordhessen habe sie bei der Antragstellung begleitet und das Fachgebiet sowie Prof. Dr.-Ing. Olaf Wünsch haben ihnen „die nötige Infrastruktur, aber auch den nötigen Freiraum geboten, diese Forschung neben der Promotion voranzutreiben.“

Am Ende sollen die Roboter für die meisten Handelsschiffe weltweit einsetzbar sein. Der Fokus liegt dabei auf Containerschiffen, denn diese verschmutzen stark, aber für die Reinigung am Hafen fehlt oft die Zeit. Bedenkt man, dass die Welthandelsflotte über 50.000 solcher Schiffe umfasst, wird klar: Das wird sich lohnen.

 

Dieser Beitrag erschien im Universitäts-Magazin publik 2023/3. Text: Lisa-Maxine Klein

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