15.11.2023 | Wissenschaftliche Standpunkte

Wohnungsbau beschleunigen ja – aber bitte keine Rückkehr zu den Konzepten der 1970er Jahre!

Eine Beschleunigung des Wohnungsbaus sollte anders erfolgen, als Kanzler Olaf Scholz dies laut „Spiegel“ auf einer Veranstaltung der „Heilbronner Stimme“ vorgeschlagen hat – das meint Prof. Dr. Uwe Altrock, Stadtforscher an der Universität Kassel und Leiter der DFG-geförderten Forschungsgruppe „Stadterweiterung in Zeiten der Reurbanisierung“: „Statt auf der Grünen Wiese neue Großsiedlungen aus dem Boden zu stampfen wie in den 70er Jahren gilt es, sozial und funktional gemischte, verkehrsreduzierte, gut durchgrünte Quartiere für Wohnen und Arbeiten zu schaffen und sich dabei vor allem auf die Weiterentwicklung des Bestands zu konzentrieren.“ Umgenutzt werden könnten beispielweise Parkplätze oder brachfallende Gewerbeflächen.

Bild: Sonja Rode.
Uwe Altrock.

Die Forderung von Olaf Scholz nach vielen neuen Großsiedlungen konterkariere die Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung, in der seit vielen Jahren versucht wird, Stadtentwicklung möglichst flächensparend zu betreiben und sich dabei auf die Innenentwicklung zu konzentrieren. „Auch wenn es aktuell schwieriger wird, verfügbare Brachflächen in den Städten umzunutzen, sollte der Schwerpunkt weiterhin darauf liegen, wenig genutzte Flächen im Bestand zu mobilisieren. Dazu gehören große Parkplätze, brachfallende Büro- und Gewerbestandorte und viele andere Flächen, die durch Nachverdichtung revitalisiert werden können“, so Altrock, der das Fachgebiet Stadterneuerung und Planungstheorie an der Universität Kassel leitet.

„Die Erfahrungen in Städten wie Hamburg, Freiburg, München, Wien, Zürich oder Frankfurt am Main zeigen außerdem, dass bereits geplante oder im Bau befindliche neue Stadterweiterungen ganz anders aussehen können und müssen als in den 70er Jahren. Sowohl baulich, energetisch und verkehrlich als auch bei der Anlage ganzer neuer Stadtteile werden vielfältige Nachhaltigkeitsinnovationen erprobt, die es zu fördern gilt. Besondere Aufmerksamkeit verdient dabei das Konzept der 15-Minuten-Stadt, das sich zum Ziel gesetzt hat, Menschen auch am Stadtrand Schulen, Kindergärten, Erholungsflächen, Einkaufsmöglichkeiten, Arbeitsplätze und alles, was sie in ihrem Alltagsleben benötigen, in ihrem unmittelbaren Umfeld zur Verfügung zu stellen und so auch ressourcenschonende Mobilitätsformen wie das Zufußgehen und Fahrradfahren zu fördern.“

 

Kontakt:

Uwe Altrock
Universität Kassel
altrock[at]asl.uni-kassel[dot]de
0561/804-3225

 

Weitere Informationen:

 

Spiegel online vom 13. 11.:
https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/wohnraum-scholz-will-20-neue-stadtteile-bauen-wie-in-den-siebzigerjahren-a-9a25f84e-6fcc-48c3-bd36-0a8c764ba46d

 

Mehr zum DFG-Projekt „Stadterweiterung in Zeiten der Reurbanisierung:
https://www.uni-kassel.de/fb06/en/infothek/sitemap-news-detail/2023/03/27/dfg-foerdert-forschungsgruppe-stadterweiterung-in-zeiten-der-reurbanisierung-neue-sub-urbanitaet?cHash=d6f7d08d933b202f37bb36dc8517d123

 

Uwe Altrock leitet am Freitag, 17 November, eine öffentliche Veranstaltung zur nachhaltigen Stadtentwicklung: 9 bis 11 Uhr, UNI:Lokal, Wilhelmsstraße 21, Kassel. Mehr: file://///smb-verw.its.uni-kassel.de/uk014669/Downloads/SDGplusLab-Festivalprogramm-Faltblatt_2023-11-07_GD-1.pdf