15.03.2024 | Porträts und Geschichten

Libanon-Zeder? „Auf keinen Fall“

Interview: Wie Ökologie-Professor Ewald Langer die Zukunft des Waldes sieht

Der Wald ist ein System, zu dem auch andere Pflanzen, Tiere und Pilze gehören. Das lässt sich nicht einfach verpflanzen.

Keine Frage, dem Wald geht es nicht gut – überall Lücken, Windwurf, lichte Kronen. „Wetterextreme“ und ihre Folgen wie Schädlingsbefall „setzen dem hessischen Wald nach wie vor sehr stark zu“, schreibt der Landesbetrieb Hessen-Forst mit Verweis auf den kürzlich erschienenen Waldzustandsbericht 2023. Elf Prozent des Waldes sind stark geschädigt und damit mehr als dreimal so viel wie im Mittel der Jahre 1984–2023.

Dieses Heft (publik 2024/1) stellt – pünktlich zum Frühling – in einem Themenschwerpunkt einige Projekte an der Uni Kassel dar, die sich mit der Zukunft des Waldes oder mit dem Nutzen von Bäumen beschäftigen. Zur Einordnung haben wir mit Prof. Dr. Ewald Langer gesprochen, dem Leiter des Fachgebiets Ökologie an der Uni Kassel, einem ausgewiesenen Kenner der heimischen Wälder.

Herr Prof. Langer, wie viele Sorgen machen Sie sich um den Wald?

Ewald Langer: Das Absterben ist schon massiv, und das ist auf den ersten Blick erschreckend. Rings um Kassel findet man beispielsweise kaum noch Fichten, die sind in den letzten Jahren fast alle zugrunde gegangen. Man muss aber sagen: Fichten gehören eigentlich nicht hierher. Die wurden angepflanzt, um schnell Holz zu liefern. Der natürliche Wald in Nordhessen ist ein Buchenmischwald, und der wird wieder entstehen. Leider dauert das 30 bis 40 Jahre.

Wie geht das vonstatten?

Langer: Überlässt man freie Flächen sich selbst, dann zeigt sich eine natürliche Folge: Erst siedeln Sträucher wie Brombeeren, in deren Schutz Pionierbäume wie die Birke heranwachsen und später dominierende Arten, bei uns die Buche. Im Nationalpark Bayerischer Wald lässt sich das beobachten. Dort fielen in den 90er Jahren weite Gebiete dem Borkenkäfer zum Opfer, doch inzwischen wächst dort ein neuer, stabiler Wald.

Die Wälder in den gemäßigten Breiten stehen unter Stress. Hier tote und lebende Bäume von oben.

Also besser keine neuen Baumarten importieren, die mit den trockenen Sommern besser zurechtkommen? Libanon- Zeder, Japan-Lärche, Schwarzkiefer?

Langer: Auf keinen Fall! Manche wollen am liebsten einen mediterranen Wald herstellen, aber übersehen völlig, dass wir uns nicht nur an den trockenen Sommern orientieren dürfen. Mit den Winterfrösten kämen viele südliche Arten zum Beispiel gar nicht zurecht.

Manche wollen am liebsten einen mediterranen Wald herstellen, aber übersehen völlig, dass wir uns nicht nur an den trockenen Sommern orientieren dürfen.

Sehen die genannten Experten den Wald vor lauter Bäumen nicht? Ein Wald ist ja mehr als Holz.

Langer: Richtig, der Wald ist ein System, zu dem auch andere Pflanzen, Tiere und Pilze gehören. Über Pilze wird selten gesprochen, obwohl sie den gesamten Waldboden durchziehen und die Bäume mit Nährstoffen und Wasser versorgen. Andere Pilze zersetzen Totholz und halten so die Nährstoffe im Kreislauf. Das alles lässt sich nicht einfach verpflanzen.

Sie untersuchen regelmäßig die Artenvielfalt im Nationalpark Kellerwald.

Langer: Unsere Studierenden absolvieren dort ihr Pilzpraktikum und erheben auf bestimmten Flächen den Bestand. Alleine im Kellerwald gibt es mindestens 1.300 Pilz- und 2.500 Käferarten. Nördlich von Kassel, im Urwald an der Sababurg, kommt sogar der Eremit vor, das ist ein ganz seltener Käfer, der in Holz lebt und seine Höhle oft sein ganzes Leben nicht verlässt. Den können Sie sogar riechen, der duftet parfümig.

Haben Sie einen Tipp für eine schöne Wanderung, die man auch ohne Auto starten kann?

Langer: Mit der Linie 8 bis zur Endhaltestelle. An der Hessenschanze ist es im Frühling besonders schön. Das ist eines der wenigen Gebiete in unserer Region, die keinen sauren, sondern kalkhaltigen Boden haben. Dadurch wachsen dort Buschwindröschen, Waldmeister, Orchideen … wunderschön.

Dieser Beitrag erschien im Universitäts-Magazin publik 2024/1. Interview: Sebastian Mense