10.08.2020 | Pressemitteilung

Appetitlos, selten und 100 Millionen Jahre alt: Biologe findet neue Mückenart in Bernstein

Sie sind rar, winzig, essen als erwachsene Tiere nichts und sind dennoch ein Erfolgsmodell der Evolution: Mücken der Gattung Nymphomyia gibt es bereits seit rund 100 Millionen Jahren und damit deutlich länger als angenommen. Das hat ein Biologe der Universität Kassel festgestellt, der eine bislang unbekannte, ausgestorbene Art beschrieben hat.

Bild: Patrick Müller.
2 Nymphenmücken in Copula.

Die Individuen der neuen Art Nymphomyia allissae sind etwa 1 bis 2 mm groß und besitzen langgestreckte, schwach geäderte Flügel. Im Vergleich zu noch lebenden Arten haben die Flügel breitere Enden und sind säbelartig gekrümmt. „Alles in allem sehen sie ihren lebenden Nachkommen aber verblüffend ähnlich“, so Prof. Dr. Rüdiger Wagner. „Diese Mückengattung hat sich wenig verändert und ist also ein echtes Erfolgsmodell der Evolution – wie erfolgreich, zeigt sich durch unseren Nachweis, dass es sie schon vor rund 100 Millionen Jahren gab.“

Wagner fand die Exemplare eingeschlossen in Burmesischem Bernstein, der auf etwa dieses Alter taxiert wird. Damals, in der Kreidezeit, beherrschten Dinosaurier wie der riesige Gigantosaurus die Erde. Die ältesten bekannten Fossilien der Gattung Nymphomyia, die zuvor bekannt waren, werden auf 35 bis 40 Mio. Jahren geschätzt. 1995 wurde eine fossile Art im 25 Millionen Jahre alten Bitterfelder Bernstein und damit in Deutschland gefunden.

Heutige Arten sind selten und kommen in Nord- und Ostasien und in Nordamerika vor. Während die Larven und Puppen in kalten Bächen leben, fliegen die erwachsenen Tiere in Schwärmen – wahrscheinlich war dies wohl schon bei Nymphomyia allissae so, denn Wagner und ein befreundeter Bernsteinsammler fanden gleich acht Individuen in einem etwa 3,6 Zentimeter langem Stück Bernstein. Und noch eine Gemeinsamkeit vermutet der Forscher: Erwachsene Tiere der heutigen Arten nehmen keine Nahrung mehr auf. Relativ schnell nach Paarung und Eiablage sterben sie. Dass dies auch schon bei den Vorfahren so war, „ist aufgrund der Kopfform und nicht nachweisbarer Mundwerkzeuge sehr wahrscheinlich“, so Wagner. 

Für die Untersuchungen zerteilte der Wissenschaftler den Stein in kleinere Stücke mit jeweils ein oder zwei Einschlüssen und untersuchte die Tiere anschließend mikroskopisch, beschrieb und klassifizierte sie. Die Ergebnisse erschienen jetzt im Fachjournal Zootaxa.

 

Prof. Dr. Rüdiger Wagner hatte bis zu seiner Emeritierung 2016 eine Professur für Limnologie an der Universität Kassel inne.

Originalartikel: doi.org/10.11646/zootaxa.4763.2.11

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