04.07.2019 | Porträts und Geschichten

"Ein Physiker kann fast alles verstehen"

Tom Ring ist Deutscher Hochschulmeister im Halbmarathon und erfroscht die Spiegelbildlichkeit von Molekülen.

Bild: Andreas Fischer

„Wer einen Marathon laufen will, braucht Ausdauer. Er muss diszipliniert sein Ziel verfolgen und lernen, mit Rückschlägen umzugehen. Als amtierender Deutscher Hochschulmeister im Halbmarathon weiß ich das nur allzu gut. Durchhaltevermögen und Eigenverantwortung sind aber auch bei meiner Dissertation gefragt. Am Institut für Physik der Universität Kassel erforsche ich derzeit die Spiegelbildlichkeit von Molekülen.

Physik ist faszinierend, denn mit ihrer Hilfe lassen sich Dinge aus dem Alltag auf einfache Art und Weise erklären. Ein Physiker kann fast alles verstehen. Diese Tatsache war es, die mich zum Physikstudium brachte – und die mich auch heute als Doktorand antreibt. Für Laien mag mein Dissertationsthema kompliziert klingen. Tatsächlich ist die „Massenaufgelöste Bestimmung des Zirkulardichroismus“ aber gar nicht so schwer verständlich. Im Mittelpunkt meiner Forschung stehen sogenannte chirale Moleküle. Das heißt: Zwei Moleküle können aus denselben Atomen bestehen, aber spiegelverkehrt aufgebaut sein. Sie sind entweder links- oder rechtshändig.

Wie kann man diese Händigkeit bestimmen und letztlich vielleicht sogar Chiralität manipulieren oder umkehren? Diese Frage ist zum Beispiel im medizinischen Bereich von Bedeutung. Der menschliche Körper, dessen Moleküle aus nur einer Händigkeit aufgebaut sind, wechselwirkt mit anderen chiralen Molekülen auf spezifische Art und Weise. Während Moleküle einer bestimmten Händigkeit als Medizin wirksam sind, kann die gespiegelte Variante desselben Moleküls giftig für unseren Organismus sein. Aktuell untersuche ich in Experimenten, wie solche chiralen Moleküle auf extreme Lichteinstrahlung – in diesem speziellen Fall ultrakurze Laserpulse links- oder rechtsdrehenden Lichts – reagieren. Die gezielte Manipulation dieser Laserpulse eröffnet schließlich weitere Einblicke in die Welt dieser Moleküle.
Meine Arbeit ist eingebettet in den Sonderforschungsbereich „Extremes Licht für die Analyse und Kontrolle von CHiralität“ (ELCH), der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert wird und der mir exzellente Forschungsbedingungen bietet. Das gilt für die Laborausstattung ebenso wie für den wertvollen Austausch mit Kollegen, die sich ebenfalls intensiv mit der lichtinduzierten Erkennung chiraler Moleküle beschäftigen.

Anfang 2020 möchte ich meine Dissertation abschließen, und bis dahin stehen auch noch einige sportliche Herausforderungen an. Unter anderem werde ich bei den Deutschen Meisterschaften und den Deutschen Hochschulmeisterschaften im Halbmarathon an den Start gehen.“

 

Dieser Text ist im Jahresbericht 2018 erschienen. Den vollständigen Bericht finden Sie hier.